© ORF.at, Terminal des Nokia N900

Verteiltes Rechnen auf Nokia-Handys

HACKING
18.05.2010

Von Debian bis Fedora-Linux hat eine Gruppe Wiener Hacker eine ganze Anzahl von Distributionen auf dem Nokia-Smartphone N900 zum Laufen gebracht. Im drahtlosen Mesh-Netzwerk kompilieren diese "Telefone" zusammen einen Kernel oder rechnen an 3-D-Programmen. Amir Hassan sprach mit ORF.at darüber, wie man "geile Hardware" mit freier Software optimiert.

"Womit ich mich gerade beschäftige, ist die Synchronisation mehrerer Kameras für Stereoskopie-Aufnahmen oder 3-D-Modelle. Es ist halt faszinierend, das alles ausschließlich auf Telefonen zu machen", sagte Smartphone-Hacker Hassan zu ORF.at.

Die Digicams befinden sich nämlich in mehreren Nokia-Handys vom Typ N900, die durch ein Mesh-Netzwerk verbunden sind und zusammen 3-D-Berechnungen ausführen oder einen Linux-Kernel kompilieren. Genau dafür hatte Hassan die Synchronisationssoftware, die auch ein grafisches Interface enthält, ursprünglich geschrieben, denn Kernel-Modifikationen sind sowohl Zweck wie Mittel des Projekts.

Nach Veränderungen am Linux-Kernel ist eine Neukompilierung desselben durchzuführen, damit ist ein mit einem sparsamen ARM-Prozessor ausgestattetes Gerätchen wie das N900 eine geraume Zeit beschäftigt. Also half erst ein PC beim Rechnen, dann tat das ein synchronisiertes Sechserkollektiv von Nokia-Handys - es sei einfach eine Herausforderung für einen Hacker auszuprobieren, ob so etwas funktioniere, sagt Hassan, der im Berufsleben als freier Berater und Programmierer arbeitet.

"Wall of Bricks"

Im Wiener Metalab ist er mit anderen Interessierten dabei, ein Wiki mit Anleitungen zum Hacken der Handys zu erstellen. Am "Wall of Bricks" sind da etwa jene Vorgänge aufgeführt, die man besser kein zweites Mal ausprobieren sollte, weil das Gerät dann abstürzt und sich nicht mehr starten lässt - eben "dumm wie ein Ziegelstein" wird.

Das findet Hassan das Schöne an freier Software: "Dass immer nur einer weltweit ein- und denselben Fehler machen muss." Neben mehreren Versionen des von Nokia zusammengestellten Maemo-Linux wurden bereits die Linux-Distributionen Debian, Fedora und MER auf dem N900 zum Laufen gebracht.

Warum passiert das eigentlich erst jetzt, wenn doch seit Jahren verschiedene Smartphones auf dem Markt sind, die auf Linux-Basis laufen? Die Antwort darauf sei ganz einfach, sagt Hassan. Zwar gebe es mehr als genug Interessierte, die willens seien, viel Energien in ein solches Projekt zu stecken, hauptsächlich ein Umstand habe solche Ansätze aber bisher stark gebremst: der hochproprietäre Technologieansatz der Mobilfunkwelt.

Nokia, Intel, Linux

Jüngster Schachzug Nokias in Sachen Open Source war die Zusammenführung von Maemo mit Intels Linux-Distribution zum gemeinsamen Produkt MeeGo. Dieses Betriebssystem soll auch auf anderen Mobiltelfonen laufen.

Proprietäre Elemente

Gemeint ist damit, dass auch im bereits weitgehend geöffneten Maemo-Linux so gut wie alle einzelnen "Frameworks", die in jedem modernen Mobiltelfon zusammenarbeiten - vom Kalendermodul bis zu den Multimedia-Anwendungen - proprietären Code von Dritten enthalten. An den Regeln dieser verschlossenen, durch wechselseitige Verträge und Patentlizenzen auf hochkomplexe Weise unter den großen Playern aufgeteilten Welt der Mobilfunktechnik kommt auch der Marktgigant Nokia nicht so einfach vorbei.

Wie die jüngsten gerichtlichen Auseinandersetzungen zwischen Nokia und Qualcomm gezeigt haben, sitzt der Patentprügel in dieser Branche immer noch besonders locker. Die millionenschwere Auseinandersetzung wurde parallel vor Gerichten auf drei Kontinenten ausgetragen.

Grundlage der Klagen Qualcomms waren, wie in fast allen ähnlichen Fällen der letzten Jahre, Qualcomm-Patente auf CDMA-Basistechnologien, die zum Teil noch aus den 90er Jahren datieren. "Code Division Multiple Access" aber liegt auch der UMTS/HSPA-Technologie zugrunde, die bei den Nachrichtentechnikern Wide-CDMA heißt.

Software-Support von Nokia

Seitens Nokia sei man enorm bemüht, möglichst viele Elemente der "Frameworks" offenzulegen. Äußerst hilfreich für seine Hacks, erzählt Hassan, sei ein Stück Open-Source-Software gewesen, das Nokia selbst beigesteuert habe. Ohne die Komponente "General Purpose Timer" wäre die Synchronisation der Handys und damit das Kernel-Kompilieren unmöglich gewesen.

Dieselben essenziellen Informationen durch eigenes Re-Engineering zu erhalten hätte einen immensen Zeitaufwand mit dennoch ungewissem Ausgang bedeutet, sagte Hassan zu ORF.at: "Statt einen Tag sitzt man an derselben Aufgabe womöglich einen Monat lang oder mehr."

Das sei es, was den Anreiz bis jetzt gedämpft habe, denn wochenlanges Re-Engineering sei eben nicht jedermanns Sache. Wie der Verlauf der Hacks bis jetzt gezeigt habe, gebe es jede Menge Möglichkeiten, "diese geile Hardware zu optimieren", die von der bestehenden Software längst nicht in allen Punkten ausgereizt werde. Es sind also demnächst noch einige Hacks mehr für das Linux-Smartphone zu erwarten.

(futurezone/Erich Moechel)