© APA/EPA/Olivier Hoslet, EU-Kommissarin für die Digitale Agenda Neelie Kroes

Neelie Kroes präsentiert "Digitale Agenda"

NETZ
19.05.2010

Neelie Kroes, Kommissarin für die "Digitale Agenda", hat am Mittwoch einen Überblick über die Maßnahmen zur Weiterentwicklung der IKT-Politik in der EU präsentiert. Von Bürgerrechtlern kommt zaghafter Beifall, da in den Entwürfen noch vorhandene Hinweise auf befürchtete repressive Maßnahmen im Copyright-Bereich entfallen sind. Die FSFE kritisiert, dass das Bekenntnis zur Verwendung offener Standards fehlt.

Die "Digitale Agenda" soll Europa fit für den harten Wettbewerb im Informationszeitalter machen. Das Programm umfasst 100 Initiativen und 31 Gesetzesvorhaben auf Unionsebene. Die Kommission möchte damit die zahlreichen Hemmnisse angehen, die das Wachstum des gemeinsamen Marktes im Netz behindern.

Der Ausbau schneller Netzwerke soll die Entstehung von Inhalten und grenzübergreifenden Dienstleistungen fördern, womit wiederum die Nachfrage nach diesen Online-Diensten angekurbelt und die nächste Runde des Netzausbaus für die Provider attraktiver gemacht werden soll. Diesen sich selbst verstärkenden Kreislauf will die Kommission mit Maßnahmen in sieben Politikfeldern in Gang bringen.

Schnelles Netz für gemeinsamen Markt

So soll ein gemeinsamer Markt für digitale Güter und Dienstleistungen entstehen. Die Zusammenarbeit soll durch die Verbesserung der Interoperabilität von Produkten und Dienstleistungen erreicht werden - hier strebt die Kommission beispielsweise Regeln für verbesserte Transparenz in Standardisierungsprozessen an.

Das Vertrauen der Konsumenten in das Netz soll durch verbesserte Sicherheitsmaßnahmen wie die weitere Förderung und Integration von Netzwerk-Sicherheitszentren in der EU gesteigert werden. Der weitere Ausbau der Netze - bis 2020 sollen alle EU-Haushalte mit mindestens 30 MBit/s ans Internet angeschlossen sein - soll mit Bildungsmaßnahmen zum Umgang mit Computer und Internet flankiert werden. Die Kommission möchte die Kluft zwischen Computeranwendern und technologiefernen Personen verringern.

Lösung für Medienpiraterieproblem

Die Maßnahmen sollen dabei kein Selbstzweck sein. Am Ende sollen sie dazu dienen, dass die EU mit Problemen wie dem Klimawandel und steigenden Kosten im Sozialbereich besser zurechtkommt.

Bei der Schaffung des digitalen Binnenmarkts streifen die Vorschläge der Kommission auch das heikle Thema Medienpiraterie. Bei den lizenzierten Musikdownloads sei die EU derzeit gerade einmal bei 25 Prozent des US-Marktvolumens angelangt. An dieser Stelle spricht die französische Bürgerrechtsorganisation La Quadrature du Net der Kommission ein Lob aus. Sie habe in früheren Entwürfen vorhandene Passagen aus der "digitalen Agenda" gestrichen, die auf eine dogmatische Verschärfung der Durchsetzung von Urheberrechten im Netz auf Kosten der Konsumenten gegangen wären.

Förderung von Online-Bezahlsystemen

Konkret will die Kommission bis Ende des laufenden Jahres erst die rechtlichen Voraussetzungen für die funktionierende und nachhaltige Entwicklung legaler Medienangebote im Netz schaffen. Dazu gehört ein vereinfachtes, EU-weites Rechtemanagement, wofür die Kommission eine Rahmenrichtlinie entwerfen möchte.

2012 soll die Situation dann nochmals neu evaluiert werden. Das sei, so La Quadrature du Net, ein vorsichtiger Schritt, der aber zu einer ausgewogenen Weiterentwicklung im Umgang mit geistigem Eigentum in der EU führen könne - vorausgesetzt, die Debatte darüber werde offen geführt.

Was den digitalen Binnenmarkt angeht, so will die Kommission einen gemeinsamen Markt für Online-Bezahlsysteme schaffen, die derzeit nur von acht Prozent der Online-Kunden in der EU genutzt würden. Dazu gehören auch Regeln zur Akzeptanz von Kreditkarten aus allen EU-Mitgliedsstaaten. Außerdem sollen die Regeln für digitale Signaturen 2011 so reformiert werden, dass die Systeme EU-weit funktionieren.

Bis Ende dieses Jahres soll, wie bereits bekannt, auch das Datenschutzrecht der Union reformiert werden. Die Rechte der Konsumenten im digitalen Raum will die Kommission in einer einfach verständlichen Charta zusammenfassen.

Sicherheit und Netzsperren

Auch die Online-Sicherheit ist Bestandteil des Plans. Hier will die Kommission die heikle Balance schaffen, weder in einen Überwachungsstaat noch in ein "Cyber Wild West" zu verfallen, wie es in der Mitteilung heißt. Auf technischer Ebene sollen die Computer Emergency Response Teams (CERTs) und die Sicherheitsagentur ENISA gestärkt werden.

Das heikle Thema der Netzsperren gegen Kinderpornoangebote fällt auch in diese Sparte. La Quadrature du Net bezeichnet den entsprechenden Abschnitt, in dem von "Maßnahmen, die der Entfernung und der Verhinderung des Konsums schädlicher Inhalte dienen", die Rede ist, als "sehr schwammig", allerdings habe Kroes dem Druck seitens Justizkommissarin Cecilia Malmström widerstanden, die von ihr geforderten Web-Sperren in das Dokument mitaufzunehmen.

Offene Standards: Sieg der Lobbyisten

Zur Netzneutralität biete das Dokument wenig Neues, so La Quadrature du Net, derzeit laufe diesbezüglich ohnehin eine Konsultation, und das Parlament bereite einen Bericht zum Thema vor, der bis Ende des Jahres veröffentlicht werden solle. Die Bürgerrechtler begrüßen, dass die Relevanz der Netzneutralität für die freie Meinungsäußerung in der "digitalen Agenda" ausdrücklich anerkannt wird.

La Quadrature du Net hat aber auch Kritik parat, und die betrifft die Löschung von Referenzen auf den Einsatz offener Standards in den IT-Systemen der Union. Das sei eine klare Niederlage für Innovation und Wettbewerb und ein deutlicher Sieg der Lobbyisten für proprietäre Software. Auch die Free Software Foundation Europe (FSFE) hat in einer Aussendung vom Mittwoch das Fehlen des Bekenntnisses zu offenen Standards scharf kritisiert. Auch das European Interoperability Framework werde derzeit systematisch zugunsten proprietärer Hersteller ausgehöhlt.

Last but not least soll es mehr Geld für Forschung und Entwicklung geben. Das Budget seitens der EU und der Mitgliedsstaaten für die Förderung speziell kleiner und mittlerer Unternehmen sowie junger Wissenschaftler soll von derzeit 5,5 Milliarden Euro auf elf Milliarden Euro jährlich verdoppelt werden. Das werde wiederum dazu führen, dass die Investitionen im privaten Sektor auf diesem Gebiet von 35 auf 70 Millarden pro Jahr verdoppelt würden.

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