© Fotolia/Manfred Steinbach, Autos durchfahren ein Verkehrsleitsystem auf einer Autobahn.

Wenn Autos miteinander sprechen

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24.05.2010

Um Unfälle im Straßenverkehr zu vermeiden, setzt die EU verstärkt auf die "intelligente Fahrzeugkommunikation". ORF.at sprach mit einem Experten des Wiener Christian-Doppler-Labors (CD) für Funktechnologien für nachhaltige Mobilität über das derzeit laufende Projekt "Vehicular Connectivity". Mittels Funktechnologie sollen Fahrzeuge miteinander kommunizieren und vor Gefahren warnen.

Die Kommunikation zwischen den Fahrzeugen (Car-to-car, C2C) einerseits und die Kommunikation zwischen Fahrzeug und dem Straßennetz beziehungsweise dessen Informationsinfrastruktur (Car-to-Infrastructure, C2I) andererseits sollen helfen, die Zahl der Unfälle zu verringern. "In unserem Projekt geht es vor allem um die Funktechnologie, die verwendet wird", erklärt Alexander Paier, Mitarbeiter des CD-Labors an der TU Wien.

Eine große Herausforderung sind die sich ständig verändernden Übertragungseigenschaften, so Paier. Da sich die Fahrzeuge sehr schnell bewegen, würde sich auch der Funkkanal sehr schnell ändern. "Damit müssen sowohl der Sender wie auch der Empfänger ständig angepasst werden."

Stationen im Auto und am Fahrbahnrand

Konkret werden im Rahmen des Projekts im Labor Übertragungsalgorithmen entwickelt, die in bereits bestehende Hardware integriert und in Feldversuchen getestet und bewertet würden. Für das Kommunikationsnetz im Straßenverkehr seien zwei verschiedene Einheiten angedacht: zum einen die On-Board-Unit (OBU), das Sender-Empfänger-System im Fahrzeug, und die Road-Side-Unit (RSU), das Sender-Empfänger-System am Straßenrand oder über der Fahrbahn.

Die Funktion der RSU sei es, "die Informationen von den Autos zu sammeln". Diese würden an eine Zentrale der Straßenbetreiber weitergeleitet, dort ausgewertet und analysiert. Danach werde die Information wieder - über die RSU - zurück an die Fahrzeuge gesendet.

Bestehende Fahrzeugsensoren nutzen

"Es gibt schon sehr viele Sensoren in den Autos, wie etwa für Glatteis auf der Fahrbahn." Das Fahrzeug sendet die Information an die RSU, die wiederum den nachfolgenden Verkehr warnen kann. "Der Fahrer bekommt dann die Warnung, dass in der nächsten Kurve Eis auf der Fahrbahn ist."

"In der ersten Ausbaustufe wird es wahrscheinlich nicht möglich sein, das gesamte Straßensystem damit auszustatten", meint Paier. Als erster Schritt sei eine Positionierung der RSUs an gefährlichen Knotenpunkten oder Kurven auf Autobahnen und Schnellstraßen sehr wahrscheinlich.

Generell gilt, je höher die Datenrate, desto geringer die Reichweite. Testmessungen mit der im Rahmen eines weiteren Projekts entwickelten CVIS-Box haben Reichweiten von etwa 700 Metern bei der niedrigsten Datenrate von drei MBit/s gebracht. Bei 27 MBit/s ging die Distanz auf 100 Meter zurück.

Mit Multi-Hop Reichweite vergrößern

Die RSUs würden vor allem zu Ausbaubeginn wichtig sein, wenn etwa nur eine begrenzte Anzahl an Fahrzeugen über einen kompatiblen Bordrechner verfügt. Nachdem es auch keine flächendeckende Abdeckung mit RSUs geben werde, sei generell eine Kombination beider Einheiten notwendig. Der Bordrechner diene nicht nur zum Informationsaustausch mit der RSU, sondern auch zur Kommunikation der Fahrzeuge untereinander. "Wenn ich außerhalb der Reichweite einer RSU bin, kann ich die Information der umliegenden Autos verwenden", so Paier.

Da jeder Sender nur über eine begrenzte Reichweite verfüge, könne der Bordcomputer dazu verwendet werden, den Senderadius zu erhöhen. "Mittels Multi-Hop über verschiedene Fahrzeuge können Informationen an nachkommende Autos weitergeleitet werden." Als Beispiel nennt Paier eine Stausituation auf der Autobahn. Fahrzeuge auf der Gegenfahrbahn könnten die Stauwarnung aufnehmen und an die entgegenkommenden Autos weitergeben.

"Lokale Landkarte" im Auto

Man denke auch darüber nach, dass jedes Fahrzeug seine "eigene lokale Landkarte generieren könnte, die einen Umgebungsbereich von etwa 100 Metern abdeckt, und alle im Umkreis befindlichen Fahrzeuge anzeigt", so Paier. Via GPS werde die Position des eigenen Fahrzeugs bestimmt und diese oder andere relevante Informationen, wie etwa über Geisterfahrer, an alle Autos in Empfangsreichweite weitergeleitet.

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EU fördert Funkstandard

Als Standard für die Fahrzeugkommunikation sei derzeit IEEE 802.11p vorgesehen. "Das ist eine Erweiterung der bekannten WLANs, wie es bei Laptops und PCs verwendet wird", erklärt Paier. Über die genaue Reichweite dieses Standards gebe es noch keine konkreten Kenntnisse. "Das ist sicherlich ein Punkt, der erst genauer erforscht werden wird."

Die EU-Kommission hat 2008 einen Frequenzbereich mit 30 MHz Bandbreite im 5,9-GHz-Band für intelligente Fahrzeugkommunikation (Intelligent Transport Systems, ITS) reserviert. Dieses ITS-Band soll für sicherheitsrelevante Übertragungen europaweit zur Verfügung stehen. "So wie es derzeit aussieht, wird sehr viel Erwartung in IEEE 802.11p gesetzt", meint Paier. Nachdem das Funkband reserviert worden sei, werde das aller Voraussicht nach der erste Standard sein, der für sicherheitsrelevante Anwendungen eingesetzt werde.

Entweder mehr oder schneller

Nachdem es vor allem um sicherheitsrelevante Anwendungen der Funktechnologie gehe, seien die Zuverlässigkeit und Zeitkomponente wichtig. "Entweder man überträgt mehr und schneller, oder sicherer", erklärt Paier, "beides zugleich geht nicht." Die Informationen müssten sehr zuverlässig ankommen, und das mit möglichst kurzer Verzögerung. "Wir bewegen uns hier im Millisekundenbereich", meint Paier.

Das Institut arbeite etwa daran, die Verzögerung so gering wie möglich zu halten. Bei WLAN prüfe der Sender immer, ob der Funkkanal frei sei oder nicht, denn es könne immer nur eine Nachricht im Kanal geschickt werden. Ist dieser besetzt, "dann wartet der Sender eine zufällige Zeit und probiert es noch einmal. Dadurch können lange Verzögerungen entstehen", so Paier. "Ist er noch immer belegt, bin ich dem Vorderen möglicherweise schon aufgefahren."

Verzerrungen und Verzögerungen

Auch die Geschwindigkeit sei ein großes Thema bei der Fahrzeugkommunikation. Sie bewirke vor allem, dass sich der Funkkanal sehr schnell ändere. Die gesendete Nachricht sei durch Verzerrungen, die Mehrwegeausbreitung oder Verzögerungen durch Reflexionen beeinflusst und könne so etwa mehrfach beim Empfänger ankommen. Seitens des Empfängers werde ein Funkkanal immer "geschätzt" und eine Entzerrung sei notwendig, um das Signal vollständig wiederherzustellen. Bei steigender Geschwindigkeit werde beides schwieriger.

Bei ersten Messungen in den Jahren 2007 und 2009 sei man etwa zu dem Ergebnis gekommen, dass "Verkehrsschilder extreme Reflektoren sind", so Paier. Vor allem deswegen weil bei 5,9 GHz die Wellenlänge mit circa sechs Zentimetern sehr klein sei. Je höher die Frequenz, desto kleiner die Wellenlänge. Verkehrsschilder mit etwa 40 Zentimeter Durchmesser würden deshalb sehr stark reflektieren.

Zu viele Autos überlasten Netz

"Wenn zwei Autos hintereinander herfahren und es befindet sich 50 Meter davor ein Schild, dann bekommt man eine sehr starke Reflexion, wenn ein Auto zum anderen sendet", erklärt Paier. Zum einen gebe es den direkten Pfad von Sender zum Empfänger und hinzu komme der zweite Pfad über den Reflektor. Das heißt, es gibt zwei Signalanteile, die bei geringen Distanzen miteinander interferieren und die Rekonstruktion im Empfänger erschweren. "Wenn ich den richtigen Algorithmus im Empfänger und Sender einplane, kann ich das Problem in den meisten Fällen lösen", so Paier.

Zu Problemen könne es auch kommen, wenn viele Fahrzeuge in einem kleinen Gebiet senden, wie etwa bei einem Stau. "Dann wird der Funkkanal relativ schnell überfüllt sein", meint Paier. Ein Lösungsansatz wäre, eine Leistungsregelung einzuführen. "Wenn ich mit niedrigerer Leistung sende, dann wird meine Reichweite geringer und das Gebiet, wo die Information empfangen wird, kann kleiner werden." Das System müsse in diesem Fall automatisch erkennen, wann die Reichweite zu reduzieren sei.

Verschiedene Einsatzmöglichkeiten

Neben den bereits erwähnten Einsatzszenarien sieht Paier verschiedene Möglichkeiten, die Fahrzeugkommunikation sinnvoll einzusetzen: "Wenn ich mich in der Stadt einer Kreuzung nähere und es kommt ein Einsatzfahrzeug im Querverkehr, dann könnte das System bereits vorher darauf hinweisen." Eine weitere Option wäre die Anzeige von Fahrzeugen im "toten Winkel" oder die RSU informiere heranrollende Autos über die Ampelphasen und in wie vielen Sekunden das Signal auf rot umspringe.

Die Gefahr, dass sich Fahrer in diesem Fall zu sehr auf die Technik verlassen würden, hält sich laut Paier in Grenzen. Der Lenker erhalte lediglich zusätzliche Informationen zur Situation. Rein technisch wäre es auch möglich, das Auto "selbst bremsen zu lassen". "Das würde natürlich auch rechtliche Probleme mit sich bringen, inwieweit das Fahrzeug die Kontrolle übernehmen soll", so der Wissenschaftler.

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(futurezone/Claudia Glechner)