Gallo-Bericht: Angriff auf Konsumentenrechte
Anfang nächster Woche wird der Rechtsausschuss des Europäischen Parlaments (JURI) über den Gallo-Bericht abstimmen, der sich mit der Zukunft des Rechts auf geistiges Eigentum befasst. In den Vorverhandlungen konnten sich die Konservativen mit ihrer harten Linie durchsetzen, nachdem sie die anfangs schwankenden Liberalen für sich gewonnen hatten. Bürgerrechtler sehen darin einen Anschlag auf die Grundrechte der Konsumenten.
Die französische Konservative Marielle Gallo hatte den Bericht auf eigene Initiative verfasst. Sie spricht sich darin für eine repressivere Gangart in Sachen Urheberrecht aus: Provider sollen ihre Kunden überwachen und bei etwaigen Verstößen abmahnen. Der Hintergrund: Die EU arbeitet derzeit an einer Reform des Urheberrechts für den digitalen Binnenmarkt, wie die zuständige Kommissarin Neelie Kroes zuletzt anlässlich der Präsentation der "Digitalen Agenda" der Union unterstrich.
Gallos Vorstellungen entsprechen dabei, so eine Analyse der europäischen Bürgerrechtsinitiative La Quadrature du Net, denen der Unterhaltungsindustrie, die seit Jahren versucht, die Nutzung von urheberrechtlich geschützten Dateien strafrechtlich und nicht wie bisher zivilrechtlich zu behandeln. Gallo gehört der Partei UMP des französischen Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy an, der in seiner Heimat bereits die Wünsche der Medienindustrie nach einem Gesetz zur Abschaltung der Internet-Anschlüsse mutmaßlicher Filesharer erfüllt hat.
Unterstützung für ACTA
In der ursprünglichen Berichtsfassung ging Gallo sogar so weit, die umstrittenen ACTA-Verhandlungen zu unterstützen, die selbst seitens der Industrie als gefährlich kritisiert wurden. Außerdem fordert sie, im Kampf gegen Filesharing außergerichtliche Maßnahmen zu erlauben - und mit dem Verzicht auf einen richterlichen Beschluss sämtliche Rechtsgarantien für einen fairen Prozess zu umgehen.
Bis vor kurzem stemmten sich nicht nur die Sozialdemokraten und die Grünen, sondern auch die Liberalen gegen den Gallo-Bericht.
Das hat sich jetzt geändert: Die wirtschaftsfreundlichen Liberalen im federführenden JURI-Ausschuss haben sich der Position von Gallo angeschlossen - offenbar ohne auf einen Kompromiss mit dem bürgerrechtsaffinen Parteiflügel Wert zu legen. Die grüne Abgeordnete Eva Lichtenberger sagte gegenüber ORF.at, sie rechne damit, dass der Ausschuss sich nächste Woche für den Bericht aussprechen wird. Dieser wird den Abgeordneten erst am Montag in einer konsolidierten Fassung vorliegen.
Zukunft des Urheberrechts
Für Jeremie Zimmermann, Sprecher von La Quadrature du Net, steht fest, dass die Abgeordneten nächste Woche den Kurs für die Zukunft des Urheberrechts und der Internet-Politik im Europäischen Parlament festzurren werden. "Solange die Gesetzgebung versucht, die Nutzung der Technik über eine längst obsolete Vorstellung des Urheberrechts zu torpedieren, werden sie eine Wiederbelebung der Kreativindustrie verhindern und unsere fundamentalen Freiheiten verletzen", sagte Zimmermann.
Lichtenberger zeigte sich enttäuscht: "Wir haben lange mit Marielle Gallo verhandelt, aber dabei lediglich kleine Umformulierungen erreicht." Ihr ging es unter anderem darum auszuschließen, dass auf die ACTA-Verhandlungen vorgegriffen wird. Außerdem setzte sie sich dafür ein, Konsumenten die Erstellung einer Privatkopie zu erlauben, da diese sonst die von ihnen gekauften Werke nicht geräteübergreifend nutzen könnten.
Harte Linie der Industrie
"Die jetzt vorgesehene Regelung ist gegenüber den Konsumenten sehr unfair", sagte Lichtenberger. Gleichwohl musste sie einräumen: "Einen Kompromiss haben wir nicht erzielen können." Auch die sozialdemokratische Abgeordnete Evelyn Regner bestätigte: "Es gab keine wesentlichen Änderungen am Text." Gallo sei "stur" geblieben, meinten beide Abgeordnete, und sei auf die vorgetragenen Argumente in keiner Weise eingegangen. Dabei gelang es ihr dennoch, die Lücken zwischen den Konservativen und Liberalen zu schließen.
Hinter der kompromisslosen Linie von Gallo steht nach dem Eindruck von Lichtenberger eine "Phalanx der Rechteinhaber". Diese sei aber nicht unbedingt identisch mit der Haltung der Künstler. Sie wisse aus Gesprächen mit österreichischen Filmemachern, Kameraleuten und Autoren, dass diese sich durchaus für das Recht an einer Privatkopie aussprechen. Die Verträge, die diese mit den Produzenten abschließen, würden keine Umsatzbeteiligungen vorsehen. Etwaige Erlöse gingen daher ausschließlich an die Produzenten. "Die Künstler wollen die knallharte Linie der Hardliner nicht, weil sie an die Verbraucher denken", sagte Lichtenberger.
Reminiszenz an Software-Patente
Die Hoffnung will Lichtenberger allerdings nicht so schnell aufgeben: Sie setzt darauf, dass das Plenum wie bereits in der Debatte über die Software-Patente zu einer anderen Haltung als die entsprechenden Fachausschüsse kommen wird. Dafür sei es jedoch notwendig, so viele Abgeordnete wie möglich über die letztlich verbraucherfeindliche Politik, die der Gallo-Bericht verfolge, zu informieren.