Tauss wegen Kinderpornobesitzes verurteilt

DEUTSCHLAND
28.05.2010

Der ehemalige deutsche SPD-Bundestagsabgeordnete Jörg Tauss ist wegen Besitzes von Kinderpornos zu einer Bewährungsstrafe von 15 Monaten verurteilt worden. Die Verteidigung prüft, Rechtsmittel gegen das Urteil einzulegen. Die Piratenpartei will ihn derzeit nicht aus ihren Reihen ausschließen.

Der 56-Jährige habe sich das kinderpornografische Material aus privatem Interesse beschafft, warf ihm das Karlsruher Landgericht am Freitag vor. Tauss hatte dagegen erklärt, das Material nur für dienstliche Zwecke besessen zu haben.

Die Bilder und Videos waren vor einem Jahr in der Berliner Wohnung von Tauss gefunden worden. Mit dem Urteil gilt er als vorbestraft. In seiner Pressemeldung betont das Gericht jedoch, dass es nicht festgestellt habe, dass "der Angeklagte die Taten aufgrund eines sexuellen Interesses" begangen habe. Dies sei aber für die Tatbestandsverwirklichung, sprich: den Besitz des Materials, nicht erforderlich gewesen.

Ermittlungen oder privates Interesse?

Die Strafkammer folgte mit dem Strafmaß weitgehend dem Antrag der Staatsanwaltschaft, sie sah aber von einer ebenfalls geforderten Geldstrafe ab. "Die Gesamtschau ergibt, dass Tauss nicht aus politischen Gründen und der ordnungsgemäßen Erfüllung seines Mandats, sondern aus privaten Gründen in der Kinderpornoszene virtuell unterwegs war", sagte der Vorsitzende Richter Udo Scholl. Im Urteil werden Tauss "mindestens 90 Fälle" vorgeworfen.

Der frühere Abgeordnete hatte den Besitz des Pornomaterials nie bestritten. Er hatte aber stets erklärt, das Material aus rein dienstlichem Interesse beschafft zu haben. Er habe die Szene kennenlernen wollen, die sich mittlerweile eher über das Handy als über das Internet austausche. Seine Verteidiger hatten daher einen Freispruch gefordert. Tauss war nach der Anklage 2009 von der SPD zur deutschen Piratenpartei gewechselt.

Angeklagter "durch Verfahren bestraft"

Der Richter betonte, Tauss habe sich als Abgeordneter nicht auf eine gesetzliche Ausnahmegenehmigung berufen können - auch nicht, weil er ein Experte für Internet-Themen und Kriminalität im Netz gewesen sei. "Es gelten die gleichen Befugnisse für alle Abgeordneten. Diese Statusgleichheit verbietet Sonderrechte für einzelne Abgeordnete", sagte Scholl. "Der Angeklagte wusste, dass das, was er tat, verboten war und dass für ihn keine Ausnahme galt."

Gegen den früheren SPD-Mann sprächen der lange Tatzeitraum, die Vielzahl und der erhebliche Umfang seiner Kontakte. Zugute müsse man ihm halten, dass er von Anfang an das objektive Geschehen zugegeben und dem Gericht erspart habe, alle Dateien begutachten zu müssen. Von einer härteren Strafe, einer Bewährungs- oder Geldauflage sah das Gericht ab. "Der Angeklagte ist durch das Verfahren bestraft, und zwar bestraft genug", sagte Scholl.

Tauss geht in Revision

Tauss folgte der Urteilsverkündung ruhig und gefasst. Danach sagte er: "Dies ist ein Urteil, mit dem ich nicht leben kann und nicht leben mag." Er habe sich einen Freispruch erhofft und werde nun in Revision gehen. Auf die Frage, was er als Nächstes machen werde, sagte Tauss: "Ich fahr' Fahrrad 'ne Woche lang."

Die verfassungsrechtliche Frage müsse geklärt werden, ob Abgeordnete ein besonderes dienstliches Interesse an solchem Material haben und es daher auch besitzen dürfen, so Tauss' Verteidiger Jan Mönikes. Auf seiner Website schreibt Mönikes, er prüfe nun, Rechtsmittel gegen das Urteil einzulegen. Das Gericht habe festgestellt, dass sein Mandant "kein irgendwie geartetes persönliches, sexuelles Interesse an der Verschaffung oder dem Besitz kinderpornographischen Materials" gehabt habe.

Kritik an Staatsanwaltschaft und Medien

Mönikes hatte am Donnerstag in seinem Schlussplädoyer der Staatsanwaltschaft vorgeworfen, den Fall demonstrativ an die Presse getragen und damit zu einer Vorverurteilung seines Mandanten beigetragen zu haben.

Die deutsche Piratenpartei warf in einer Aussendung vom Freitag Staatsanwaltschaft und Medien vor, mit dem Prozess gegen Tauss die "justizielle Begleitmusik für ein politisches Projekt, das ein Zensur-Instrumentarium schaffen und die Freiheitsrechte für alle Bürger einschränken sollte", gespielt zu haben. Gemeint ist damit der Streit über die Einführung von Web-Zugangssperren gegen Kinderpornos durch Einrichtung einer geheimen Sperrliste beim Bundeskriminalamt, die von der zuletzt abgewählten Großen Koalition auf den Weg gebracht worden war.

Piratenpartei wartet ab

Die Piratenpartei habe "allen Grund, darauf vertrauen zu können, dass Jörg Tauss nun auch die richtige Entscheidung für sich und die Piratenpartei treffen wird, soweit es um seine weitere politische Zukunft geht".

Ausschließen will die Partei ihr prominentestes Mitglied nicht. "Wir werden abwarten und keine Konsequenzen ziehen, bevor das Urteil rechtskräftig ist", sagte Parteisprecher Simon Lange am Freitag in Berlin.

Tauss selbst will seine Mitgliedschaft in der Piratenpartei vorerst ruhen lassen, wie er in seinem Weblog schreibt. Ob er die Partei "zu deren Schutz" verlassen wolle, mache er davon abhängig, wie die schriftliche Urteilsbegründung laute.

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(dpa/futurezone)