Sonarflow: Klangbasierte Musikempfehlungen
Das Wiener Start-up Spectralmind hat mit Sonarflow eine Musikempfehlungssoftware für Online-Stores entwickelt, die auf einer akustischen Audioanalyse beruht. Diese wird durch eine visuelle Schnittstelle ergänzt, die die klangliche Nähe von Musikstücken semantisch anordnet. Durch klangbasierte Empfehlungen sollen Nutzer ihr Interesse für Musik wiederentdecken.
Spectralmind heißt das junge Unternehmen von den drei Gründern Thomas Lidy, Johann Waldherr und Wolfgang Jochum. Das Team beschäftigte sich schon seit mehreren Jahren mit der Analyse von Audiomaterial und der semantischen Beschreibung von Musikinhalten. Es entstanden dabei im Rahmen von Projekten an der Technischen Universität (TU) Wien zahlreiche Software-Prototypen.
"Die haben zwar gut funktioniert, aber Forschungsprototypen sind in der Regel nicht einsetzbar. Wir wollten daraus ein Produkt machen, das man auch tatsächlich verwenden kann", beschreibt Lidy die Motivation für die Gründung des Unternehmens im Jahr 2008.
Klanganalyse soll Indiekünstlern helfen
Mit Sonarflow entwickelten die Uniabsolventen eine Musikempfehlungssoftware für Online-Shops und Content-Provider von Audioinhalten. "Unser Empfehlungssystem ist dabei objektiver als bisherige Lösungen, weil wir den Klang direkt mit dem Nutzer matchen", so Lidy.
Das unterscheidet Sonarflow etwa von dem US-Musikempfehlungssystem Pandora und die Genius-Funktion von Apple, die ebenfalls automatisierte Playlists erstellt, die stilistisch zusammenpassen sollen. Die Funktion ist in iTunes ab Version 8 integriert, und dabei werden im Gegensatz zu Sonarflow die Metainformationen von Musikstücken aus der Mediendatenbank analysiert sowie die Einkaufsstatistik aus dem Apple Store ausgewertet.
"Empfehlungssysteme, die auf einer Analyse der Einkaufsstatistik beruhen, empfehlen immer wieder bereits bekannte Songs und Künstler weiter. Die Künstler, die nie gekauft werden, werden nie empfohlen, weil sie das statistische Modell sie nicht erfasst. Da kann man mit klanglicher Analyse ansetzen", meint Lidy. Das sei auch für Online-Shops ein Mehrwert, weil Artikel, die nicht gekauft werden, nur unnötig Platz beanspruchen würden. "Das ist zwar im digitalen Bereich weniger dramatisch wie bei physischen Gütern, aber auch ein digitales Archiv kostet."
Spectralmind wurde mit Hilfe und Fördergeldern des Universitären Gründerservices (INiTS) gegründet. INiTS bietet seit dem Jahr 2002 Beratung und Unterstützung für Jungunternehmern mit innovativen Ideen.
"Nutzer entdecken Interesse für Musik neu"
Doch das ist nicht der einzige Vorteil, den Lidy in einer Analyse der Musikstücke sieht.
"Wenn den Nutzern statt den Charthits auch zu ihnen passende Independent-Künstler empfohlen werden, setzen sich die Nutzer automatisch wieder mehr mit Musik auseinander. Sie entdecken dadurch ihr Interesse für Musik neu, und das wirkt sich auch auf ihr Kaufverhalten aus", gab sich Lidy überzeugt. Zudem kommen Indiekünstler und unbekannte Bands vermehrt zu einer erweiterten Hörerschaft.
Das Audioanalyse-Verfahren, das bei Sonarflow eingesetzt wird, untersucht die Aspekte Rhythmus, Klangfarbe und Struktur und fasst diese in einem Modell zusammen. Doch auch Tempo und die Melodie fließen bis zu einem gewissen Grad mit ein. "Die Melodie wird beispielsweise über die Veränderungen in der Klangfarbe und den verschiedenen Frequenzbändern erfasst", erklärt Lidy. Dieses Mischverfahren wurde an der TU Wien erforscht und entwickelt und für das Unternehmen weiterentwickelt, optimiert und verbessert.
"Natürlich wird auch berücksichtigt, dass bei verschiedenen Musikrichtungen unterschiedliche Aspekte wichtig sind. Bei elektronischer Musik und lateinamerikanischen Tänzen ist etwa der Rhythmus die stärkste Komponente, um Stile voneinander zu unterscheiden", ergänzt Lidy.
Auch für Millionenarchive geeignet
Die Algorithmen, die die Vorgänge berechnen, wurden dabei auch auf Schnelligkeit optimiert. "Ein drei Minuten langer Song wird typischerweise von unserer Software in einer halben Sekunde analysiert. Das ist recht flott und auch Millionenarchive sind nach ein paar Tagen, bei einer entsprechenden Serverleistung in wenigen Stunden, abgearbeitet", so Lidy. Das sei etwa 30-mal schneller als beim universitären Prototyp.
Die Software Sonarflow wurde jedoch auch um eine visuelle Komponente erweitert, die die mit Hilfe von Blasen ("Bubbles") den Bereich anzeigt, in dem sich ein Musikstück befindet. Dabei werden die Musikstücke allerdings nicht starr nach Genres geordnet, sondern nach klanglichen Zonen und ihrer musikalischen Ähnlichkeit. Bekannte Genrekategorien wie Rock, Alternative, House und Pop werden als Hinweispunkte zur Orientierung angezeigt, können in der visuellen Benutzeroberfläche jedoch miteinander überlappen.
"Lange und langweilige Listen von Musiktiteln sind aus gängigen digitalen Musikprogrammen bekannt. Wir finden, dass der Spaß des Musikkonsums bereits bei der Musikauswahl beginnen muss", so Lidy.
Betaversion online verfügbar
Sonarflow ist seit 31. Mai als offene Betaversion verfügbar. Die Flash-Applikation kann via Web-Browser getestet werden. Als Partner für den Test-Showcase, der die Musikinhalte zur Verfügung stellt, konnte das Wiener Unternehmen Zero Inch gewonnen werden. Auf Sonarflow können daher Ausschnitte von Musikstücken angehört und erforscht werden, die im Online-Shop von Zero Inch erhältlich sind.
Die Software soll zudem kontinuierlich erweitert werden, auch Social Features und die Integration von Social-Network-Diensten sei geplant, so Lidy. Als potenzielle Kunden für das System sieht Lidy zudem Mobilfunkanbieter, die selbst Online-Shops betreiben, aber auch Gerätehersteller wie Nokia und Content Delivery Networks, die Komplettlösungen von Shopsystemen anbieten.
Serie:
Im Rahmen der Serie "Start-up-Geschichten" berichtet futurezone.ORF.at in loser Folge über innovative Web- und IT-Unternehmen mit Österreich-Bezug.
Touchscreen-Oberflächen für visuelle Darstellung
In einem nächsten Schritt möchte sich Spectralmind zudem auf den mobilen Bereich konzentrieren. "Gerade der Trend zur Touch-Oberfläche kommt uns sehr entgegen", so Lidy. Als Nächstes sei daher eine Version für Android geplant. Bei Apples iPhone und iPad gäbe es allerdings eine technische Hürde. "Apple sperrt Audiodateien ab, wir können als Programmierer nicht darauf zugreifen. Im Gegensatz zu anderen Empfehlungssystemen benötigen wir jedoch den Zugriff auf das Klangmaterial", so Lidy. Man hoffe daher, dass man mit Apple eine Partnerschaft schließen könne.
Doch auch der Home-Entertainment-Bereich, etwa mit Set-up-Boxen und Network-Radios mit WLAN-Empfang, seien ein Zukunftsmarkt für das junge Unternehmen. "Statt mit einer Fernbedienung durch Menüs zu klicken, könnte man hier vieles über die grafische Interfaces und Touchscreen organisieren", so Lidy.
Software für Archivsuche
Doch Sonarflow ist nicht das einzige Produkt des Wiener Start-ups. Das Team will Business-Lösungen für die Bereiche Tonanalyse, Musikerkennung, Musikempfehlung und visuelle Browsing-Schnittstellen liefern. Zu Beginn der Gründungsphase entwickelten sie eine Software, die für Firmen, die im Medienbereich tätig sind, die Suche in Archiven erleichtern soll. "Unsere Software sortiert die Suchergebnisse nach Audioklängen. Damit lässt sich rasch das jeweils zur Stimmung passende Material finden", erklärt Lidy.
So wurde das Suchsystem von Spectralmind bereits in ein Produkt des kanadischen Unternehmens Soundminer integriert, das namhafte Fernseh- und Filmproduktionsstationen aus Hollywood als Kunden hat. "Gerade in den USA gibt es viele Audiobestände, die für Film- und Fernsehproduktionen lizenziert werden. Typischerweise kostet da ein Song nicht 99 Cent, sondern 250 Euro, um als Untermalung in Filmen und Serien verwendet zu werden", erzählt Lidy.
Die Software wird dabei ebenso wie Sonarflow nicht direkt an den Endkunden verkauft, sondern als White-Label-Produkt in existierende Software-Lösungen integriert. Spectralmind ist derzeit also vorwiegend ein Technologie-Anbieter für Business-Kunden. Die mittelfristige Vision des Teams rund um Lidy ist jedoch, mit ihren Lösungen allen musikinteressierten Nutzern neue Wege zur Musik zu bieten.
(futurezone/Barbara Wimmer)