Kein EU-Verbot von "Killerspielen"
In der EU wird es vorerst kein einheitliches Verbot von gewaltverherrlichenden Videospielen oder Videos geben. Diese Entscheidung bleibt den EU-Staaten überlassen. Das Thema ist aber noch nicht vom Tisch: Es soll eine "schwarze Liste" geben.
Es gehe nicht um ein "allgemeines Verbot", sagte EU-Justizkommissar Franco Frattini am Dienstag nach einem Treffen der europäischen Justizminister in Dresden.
Die EU-Kommission sieht keine Handhabe, rechtlich gegen Killerspiele vorzugehen. "Wir haben keine direkte Kompetenz und suchen sie auch nicht", sagte ein Sprecher von Frattini, der die Debatte in Dresden angeregt hatte.
EU verschafft sich Überblick
Nach Angaben der deutschen Justizministerin Brigitte Zypries verständigten sich die EU-Vertreter darauf, einen Überblick über die verschiedenen nationalen Regeln gegen die "Killerspiele" im Internet zu veröffentlichen.
Deutschland werde während seiner EU-Ratspräsidentschaft bis zum Sommer die Lage in allen 27 EU-Staaten analysieren, kündigte Zypries zum Abschluss des dreitägigen Treffens an. Alle Staaten sollen zudem verbotene Gewaltspiele an eine zentrale EU-Stelle melden.
"Schwarze Liste"
Nach Art einer "schwarzen Liste" könnte das Verbote in anderen Mitgliedsstaaten nach sich ziehen, erklärte Frattini. "Wir müssen darauf hinarbeiten, den Schutz von Kindern auf einem möglichst hohen Niveau zu harmonisieren."
Zypries unterstützte diesen Plan: "Ich denke, dass Herr Frattini mit diesem Ansatz Recht hat."
Die Debatte über "Killerspiele" war im vergangenen Jahr nach dem Amoklauf im deutschen Emsdetten hochgekocht. Dort hatte ein Schüler und Nutzer solcher Spiele mehrere Menschen verletzt und sich anschließend selbst getötet.
Lob für deutsches System
Frattini lobte das dreistufige Beurteilungssystem für solche Angebote in Deutschland. Zypries schloss künftige Änderungen dieses Vorgehens jedoch nicht aus. Deutschland habe mit seinen Verboten und Strafnormen gute Erfahrungen gemacht.
"Aber selbstverständlich werden wir uns in Deutschland auch dem europäischen Vergleich stellen, und vielleicht denke ich dann ja in einem halben Jahr anders darüber", so Zypries.
Kritik aus Österreich
Ihre frischgebackene österreichische Amtskollegin ist vom deutsche Modell weniger überzeugt. Eine Evaluation der bisherigen Erfahrungen damit zeige, dass die Erfolge "nicht berauschend" seien, erklärte ein Sprecher von Maria Berger [SPÖ].
Nun will Berger auch die Erfahrungen der anderen EU-Staaten auswerten lassen. Die EU-Initiative unterstütze man prinzipiell selbstverständlich, bekräftigte der Sprecher, das Strafrecht könne aber nicht die erste Wahl sein, wenn es in vielen Fällen "um Kinder geht, die noch nicht einmal strafmündig sind".
Vielmehr favorisiert die neue Justizministerin demnach "präventive Maßnahmen über den ganzen Bildungsbereich"
"Abschreckendes" Beispiel "Manhunt"
Bei dem Treffen zeigte Zypries einen zweiminütigen Auszug des in Deutschland verbotenen Spiels "Manhunt". Dabei muss der Spieler Mitglieder diverser Gangs auf möglichst brutale Art und Weise umbringen.
Frattinis Sprecher sagte, es hätten daraufhin alle EU-Minister bekundet, solche Spiele gehörten verboten. Frattini will zudem mit den europäischen Herstellern und Vertreibern über eine freiwillige Selbstkontrolle reden.
Er plädierte zudem für schärfere Kontrollen in den EU-Staaten, um den Verkauf an Minderjährige zu verhindern. Die deutschen Vorschriften hierzu hält Zypries für "ausreichend".
Auch in Österreich wurden Forderungen laut, den Verkauf von Spielen wie "Counterstrike" einzuschränken.
Gegner und Befürworter
Der spanische Justizminister Juan Fernando Lopez Aguilar erklärte, die EU müsse gegen die Anstachelung zu Hass und Gewalt unter Jugendlichen vorgehen: "Spanien ist bereit, jede Initiative der Kommission und der deutschen Präsidentschaft zu unterstützen", sagte der Minister.
Der luxemburgische Justizminister Luc Frieden sprach sich "als Minister und als Vater" für ein europäisches Vorgehen aus. "Es gibt so viele tolle Videospiele, dass man diese menschenunwürdigen Spiele einfach nicht braucht", sagte Frieden.
(dpa | AFP | APA)