© Audiogalaxy/Screenshot: ORF.at, Screenshot der Beta von Audiogalaxy.com

Audiogalaxy bereit für zweiten Anlauf

MUSIK
01.06.2010

Audiogalaxy hat als eine der innovativsten und beliebtesten Musiktauschbörsen gegolten. Jetzt arbeitet Audiogalaxy-Gründer Michael Merhej an einem Comeback, das besonders für Fans kleinerer Indie-Bands attraktiv sein soll. Die erhoffte Unterstützung der Musikindustrie blieb jedoch bisher aus, auch wenn Audiogalaxy und Warner Music hinter den Kulissen zusammenarbeiten.

Ehemalige Nutzer der Musiktauschbörse Audiogalaxy.com reiben sich in diesen Tagen verwundert die Augen. Die Website des einstigen Napster-Konkurrenten sah acht lange Jahre nahezu unverändert aus. Doch nun planen die Macher des Systems einen Neustart. Auf der neuen Beta-Subdomain der Site heißt es: "Audiogalaxy kommt 2010 zu einer Universität in deiner Nähe." Die Website verspricht zudem "alle Musik, die du je haben wolltest", in der Form kopierschutzfreier MP3s.

Nutzer können sich schon jetzt auf Beta.audiogalaxy.com anmelden, P2P-Software für PCs und Macs herunterladen und einen riesigen Index von Musikdateien durchstöbern, der neben bekannten Pophits auch Indie-Perlen, Remixe und Mash-ups bietet. Dazu gibt es Gruppen, einen Web-basierten Musikplayer und eine Funktion zum Vormerken von Downloads, die gerade nicht verfügbar sind. Audiogalaxy Beta ist in vielfacher Hinsicht wie eine generalüberholte Version der ursprünglichen Tauschbörse - mit einem Unterschied: Herunterladen kann man sich auf der neuen Website bisher noch nichts.

Die Nischentauschbörse

Die Originalversion von Audiogalaxy war vor knapp zehn Jahren eine der beliebtesten Napster-Alternativen. Im Gegensatz zu Shawn Fannings Tauschbörse kombinierte Audiogalaxy ein schlankes P2P-Programm mit einer Web-basierten Suchmaschine - ein Konzept, das später von BitTorrent und zahlreichen Torrent-Websites aufgenommen wurde.

Audiogalaxy legte zudem einen riesigen Index aller jemals über das System zum Tausch angebotenen Songs an. Nutzer konnten sich damit rare Tracks zum Download vormerken. Wenn dann ein anderer Nutzer mit dem entsprechenden Song auf der Festplatte einloggte, startete der Dateitransfer automatisch. Damit war es Audiogalaxy möglich, musikalische Nischen wie kaum eine andere Tauschbörse zu bedienen.

Folgeprojekt von Microsoft gekauft

Die Musikindustrie machte dem Tauschtreiben schließlich mit einer Klage ein Ende, und Audiogalaxy stellte im Juni 2002 den Betrieb ein. Firmengründer Merhej nutzte in den Folgejahren Audiogalaxys P2P-Technologie, um den Dateisynchronisationsdienst Foldershare aufzubauen. Foldershare wurde Ende 2005 von Microsoft aufgekauft, Merhej verließ das Unternehmen zwei Jahre später.

Seit zwei Jahren arbeitet Merhej jetzt bereits an einer Wiedergeburt Audiogalaxys. Er kooperiert dazu mit dem Musikindustrieveteranen Jim Griffin, der Anfang 2008 von Warner Music angestellt wurde, um Modelle für legalen Musiktausch zu entwickeln. Griffin gründete dazu Choruss, eine Art Verwertungsgesellschaft für P2P-Tausch.

Unterstützung von Warner Music

Seine Idee: Nutzer sollen für den Tausch von Musik ein kleines monatliches Entgelt zahlen, das Choruss dann an die Rechteinhaber weiterleitet. Erste Feldtests dafür sollten an US-Universitäten stattfinden. Über Details hielten sich Griffin und seine Partner jedoch lange bedeckt.

Mittlerweile steht immerhin eines fest: Audiogalaxy war von Anfang an als Technologiepartner mit an Bord. "Choruss und Audiogalaxy arbeiten bereits seit Jahren zusammen", erklärte Griffin dazu auf Anfrage von ORF.at. Ein Teil der Arbeit von Choruss basiere auf Entwicklungen von Merhej, so Griffin, der denn auch glaubt, dass diese Zusammenarbeit bald Früchte tragen könnte. Choruss habe eine anfängliche Testphase abgeschlossen und sei jetzt bereit, Modelle für lizenzierten P2P-Tausch umzusetzen. Ein Start des Angebots sei bereits im Herbst möglich.

Die Lizenzen fehlen

Spricht man mit Merhej, dann hört sich das allerdings etwas anders an. Der Audiogalaxy-Gründer weiß zu berichten, dass man die neue Audiogalaxy-Site einer Reihe von US-Universitäten vorgeführt habe, um die Möglichkeiten eines legalen Tauschdiensts zu zeigen. Pläne für den Start eines solchen Angebots liegen derzeit jedoch auf Eis, da die Lizenzierungsverhandlungen mit den großen Plattenfirmen letztlich ergebnislos blieben.

Merhej hat noch nicht ganz aufgegeben, dass er Audiogalaxy eines Tages mit Lizenzen der Plattenfirmen eine zweite Chance geben kann, doch bis dahin könne es noch dauern. "Vielleicht ein Jahr, vielleicht drei Jahre", sagte Merhej. Chrouss sei derzeit nicht mehr als "eine Vision, ein Endziel, eine Art, über derartige Dinge nachzudenken", so Merhej.

Mit P2P direkt zum Kunden

Gleichzeitig glaubt er jedoch, dass es langfristig zu einem lizenzierten P2P-Dienst keine Alternative gibt. Die Kataloge von Diensten wie iTunes und Rhapsody seien zwangsläufig immer begrenzt. "Dort wird man keine kleine College-Band finden", so Merhej. Das sei nur mit Diensten möglich, bei denen Endnutzer direkt Songs zum Tausch anbieten könnten. Doch die Musikindustrie habe sich noch nicht dazu durchgerungen, so etwas zu erlauben.

Merhej will deshalb in den nächsten Wochen die Betasite von Audiogalaxy vorläufig wieder vom Netz nehmen. Stattdessen werde es von seiner Firma bald ein neues Angebot geben, das Handynutzern Zugriff auf Musik auf dem eigenen PC gebe. Dazu brauche er dann auch keine Lizenzen, so Merhej.

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(Janko Röttgers)