Justizausschuss verabschiedet Gallo-Bericht
Der Justizausschuss (JURI) des EU-Parlaments hat am Dienstag wie erwartet den Initiativbericht der konservativen französischen Abgeordneten Marielle Gallo (EVP) zur Durchsetzung geistiger Eigentumsrechte auf dem EU-Binnenmarkt verabschiedet. Die Grünen befürchten eine Beeinträchtigung der Konsumentenrechte und wollen einen Alternativvorschlag erarbeiten.
"Der Gallo-Bericht wurde mit den Stimmen der Mehrheit aus EVP und Teilen der Liberalen gegen die Stimmen der Grünen, der Sozialdemokraten und der Linken verabschiedet", so die grüne Europaabgeordnete Eva Lichtenberger auf Anfrage von ORF.at. "Die Liberalen sind allerdings nicht mehr geschlossen der Ansicht, dass man auf Teufel komm raus auf die Verfolgung privater Filesharer setzen sollte. Vier Mitglieder der Liberalen haben sich enthalten." 13 Ausschussmitglieder stimmten für den Bericht, acht dagegen.
Gallo ist Parteigängerin des französischen Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy, der in seinem Heimatland bereits die Wünsche der Medienindustrie nach einem Gesetz erfüllt hat, nach dem mutmaßlichen Filesharern der Zugang zum Netz gekappt werden darf.
Ihr Initiativbericht hat zwar keinen gesetzgebenden Charakter, aber wenn er im Plenum verabschiedet wird, gilt er als Meinungsäußerung der Parlamentsmehrheit und könnte die Kommission zur erneuten Vorlage der derzeit im Rat eingefrorenen Richtlinie IPRED2 zur Verschärfung der Maßnahmen gegen die Verletzungen geistiger Eigentumsreichte bewegen, wie die französische Bürgerrechtsorganisation La Quadrature du Net befürchtet.
"Geisel Filesharing"
Während etwa der Anfang 2009 noch im alten EU-Parlament mit großer Mehrheit verabschiedete Bericht des sozialdemokratischen Abgeordneten Stavros Lambrinides noch die Erarbeitung einer Grundrechtecharta für das Netz vorsah, will Gallo über die "Balance zwischen freiem Zugang zum Internet und Maßnahmen zur Bekämpfung dieser Geisel (Filesharing, Anm.)" diskutieren.
Laut Gallo ist es nicht ausreichend, erst einmal ein EU-weites legales Angebot auf dem digitalen Medienmarkt zu schaffen, die Medienpiraterie sei ein größeres Problem als das unzureichende legale Angebot an digitalen Medien, heißt es im ersten Entwurf des Berichts. Die Pressemitteilung der Konservativen vom Dienstag lässt wenig Kompromissbereitschaft erkennen: Man habe "Sozialistische Versuche" gestoppt, "die Existenz der Online-Piraterie zu verneinen", man wolle aber auch nicht "Teenager ins Gefängnis werfen" oder eine EU-Version der französischen Kontrollbehörde HADOPI installieren.
Alternative Resolution geplant
Gallos Kritiker sehen das freilich anders. Lichtenberger sieht es unter anderem als problematisch an, dass im Gallo-Bericht Produktfälschungen und Privatkopien von Mediendateien undifferenziert in einen Topf geworfen werden.
"Ich finde es auch traurig, dass Gallo die jüngste Position der EU-Kommission nicht berücksichtigt, die erst einmal verlässliche Daten über Medienpiraterie erheben will, bevor sie weitere Maßnahmen dagegen in Erwägung ziehen möchte", so Lichtenberger. "Marielle Gallo will einfach die Strafmaßnahmen aus der gescheiterten IPRED2-Richtlinie zur Durchsetzung des geistigen Eigentums wieder auf den Tisch der Kommission bringen, und zwar ohne klar formulierte Ausnahmen für die Privatkopie. Außerdem sind ihre Forderungen für den Aufbau einer EU-Beobachtungsstelle für Piraterie ein klarer Rückgriff auf die Forderungen des ACTA-Abkommens."
Laut Bericht der französischen Wochenzeitung "Nouvel Observateur" soll das Gallo-Papier am 17. Juni ins Plenum kommen. Laut Blogeintrag des schwedischen Piratenpartei-Abgeordneten Christian Engström, der JURI-Ausschussmitglied ist, sei es aber auch möglich, dass die Abstimmung auf die Woche des 5. Juli und damit die letzte Sitzung in Strassburg vor der Parlaments-Sommerpause verschoben werde.
Lichtenberger: "Die Mehrheitsverhältnisse im Plenum sehen anders aus. Der Justizausschuss besteht eher aus Hardlinern. Für das Plenum werden wir keine Änderungsvorschläge vorbereiten, sondern eine alternative Resolution. Darin wollen wir die Komplexe Produktfälschung und Copyright klar trennen."
Kritik von Bürgerrechtlern
Die französische Bürgerrechtsorganisation La Quadrature du Net, die gegen Internet-Zensur kämpft, kritisierte das Abstimmungsergebnis scharf. Die Copyright-Dogmatiker hätten eine Schlacht gewonnen, aber nicht den Krieg, heißt es in einer Mitteilung der Organisation vom Dienstag. Die liberale Fraktion, die in der Vergangenheit für die Bürgerrechte eingetreten sei, habe sich diesmal für die Kooperation mit der Medienindustrie entschieden.
Der Gallo-Bericht habe zwar keinen gesetzgebenden Charakter, aber wenn das Parlament ihn verabschiede, zeige das, dass "die starke Lobby einiger anachronistischer Industrien" die Volksvertretung beeinflussen könne. Denn wenn das geschehe, würde der französische EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier - auch er Mitglied der Sarkozy-Partei UMP - die umstrittene IPRED2-Richtlinie zur Kriminalisierung jeder Form von Rechteverletzung wieder vorlegen können.