Profile in Social Networks vererben
Soziale Netzwerke erfreuen sich nach wie vor großer Beliebtheit. Doch nur wenige Nutzer denken bei ihren Aktivitäten auf Facebook, MySpace & Co auch daran, ihre Zugriffsdaten für die Verwendung durch berechtigte Dritte sicher zu deponieren. Bei einem plötzlichen Todesfall bleibt damit oft ein verwaistes Profil zurück. ORF.at hat sich auf die Suche nach Lösungswegen begeben, wie Hinterbliebene den digitalen Nachlass regeln können.
"Ich finde es makaber, dass Verstorbene auf Social-Web-Diensten für immer weiterleben", schreibt ein Nutzer von ORF.at, der unmittelbar nach einem Begräbnis das Profil des Verstorbenen auf Facebook entdeckte. Familie und Freunde reagieren oft sehr unterschiedlich auf dieses vermeintlich "ewige Leben" im Netz. Kaum einer weiß Bescheid, welche Rechte Hinterbliebene haben und was beispielsweise zu tun ist, wenn der Verstorbene die Login-Daten für sein Profil nirgends notiert hat.
"Eine gesetzliche Regelung des 'Online-Ablebens' gibt es nicht. Nutzerprofile in Netzwerken sind höchstpersönliche Rechte, die mit dem Tod enden", erklärte der Salzburger Richter und Internet-Rechtsexperte Franz Schmidbauer gegenüber ORF.at.
Regelungen für Todesfälle auch ohne Gesetz
Viele Soziale Netzwerke haben mittlerweile Regelungen getroffen, wie sie mit den Todesfällen ihrer Mitglieder umgehen - und was für Möglichkeiten Angehörige haben, mit der digitalen Identität der Verstorbenen umzugehen. ORF.at hat auf Anfrage von Facebook, Xing, MySpace und der VZ-Gruppe Antworten auf die Frage des digitalen Nachlasses bekommen. Der Microblogging-Dienst Twitter hat nicht auf die Anfrage reagiert.
Wenn Facebook darüber informiert wird, dass ein Nutzer gestorben ist, so wird der Account aufrechterhalten und erhält einen speziellen Erinnerungsstatus, damit es Freunden und der Familie ermöglicht wird, auf einer Pinnwand Kommentare, Wünsche und Nachrichten zu hinterlassen, um gemeinsam zu trauern und sich auszutauschen. Im Erinnerungsmodus wird zudem die Statusanzeige des Verstorbenen entfernt und das Profil wird aus allen Gruppen, denen er angehört hat, entfernt.
Die Privatsphäreeinstellung werde zudem auf den "Nur Freunde"-Modus gesetzt, hieß es auf Anfrage von ORF.at. Der Account könne jedoch auch auf Wunsch der Familie gelöscht werden, dazu werde allerdings ein Nachweis benötigt, teilte die Agentur, die Facebook im deutschsprachigen Raum vertritt, mit. Wie lange ein derartiger Prozess dauere, konnte Facebook nicht beantworten. Die dafür notwendige Kontaktaufnahme erfolgt per Online-Formular.
Facebook-Formular nur für Nutzer
Dieses Formular konnte bei einem Test von ORF.at jedoch nur dann aufgerufen werden, wenn der Hinterbliebene selbst mit einem Nutzernamen bei Facebook eingeloggt ist. Zur Identifikation des Profils wird zudem der vollständige Name des Verstorbenen, das Geburtsdatum sowie eine "E-Mail-Adresse, die wahrscheinlich zur Anmeldung verwendet wurde", verlangt. Als Sterbenachweis soll laut Formular eine Todesanzeige oder ein Nachrichtenartikel dienen. Hier stellt sich die Frage, ob hier nicht etwa die Kopie einer Sterbeurkunde einem Missbrauch des Formulars erfolgreicher vorbeugen würde.
Auch beim US-Netzwerk MySpace können Hinterbliebene beantragen, dass das Nutzerprofil gelöscht wird. "Wir hören jedoch oft von Familien, dass das Nutzerprofil nützlich ist, damit Freunde von Verstorbenen miteinander in Verbindung bleiben können und sich gegenseitig bei der Trauerarbeit helfen", so eine MySpace-Sprecherin. Wie mit dem MySpace-Profil umgegangen wird, werde von Fall zu Fall individuell geregelt, so eine MySpace-Sprecherin.
MySpace: Keine Weitergabe von Login-Daten
Die Login-Daten würden jedoch aus Rücksicht der Privatsphäre des (verstorbenen) Nutzers nicht weitergegeben, hieß es. Die Kontaktaufnahme erfolge in diesem Fall, wie bei anderen "Problemen", über das Hilfeformular, welches sich im Menüpunkt Frequently Asked Questions (FAQ) relativ rasch auffinden lässt. Das Formular ist zudem in deutscher Sprache verfügbar.
Ähnlich geht auch das Business-Netzwerk Xing mit solchen Anfragen um. "Wir geben grundsätzlich keine personenbezogenen Daten an Dritte weiter, dazu verpflichten wir uns auch in unseren Datenschutzbestimmungen. Unser Mitgliederservice kann jedoch Profile von Verstorbenen löschen, wenn ein entsprechender Nachweis vorliegt", so Xing-Sprecher Marc-Sven Kopka gegenüber ORF.at.
Die Kontaktaufnahme mit Xing erfolgt wie bei MySpace in der Regel über ein Kontaktformular. "Hinterbliebene, die sicherstellen wollen, dass das Profil eines Verstorbenen deaktiviert wird, können sich jederzeit per Mail oder auch telefonisch an unseren Kundenservice wenden", hieß es weiter.
VZ-Gruppe: Angehörige "erben" Nutzerprofile
Anders geregelt ist die Löschung bei der VZ-Gruppe, zu der die Portale schülerVZ, studiVZ und meinVZ gehören. "Bei Todesfällen setzen wir uns schnellstmöglich mit den Angehörigen in Verbindung, die das Profil erben und darüber entscheiden können, was mit dem Account und sämtlichen Inhalten und Fotos passieren soll", so Dirk Hensen, Head of Communications der VZ-Netzwerke.
"Das ist noch eine Gesetzeslücke", merkt Hensen an.
In Deutschland gebe es - wie in Österreich - keine gesetzliche Regelung im Erbrecht, die den Zugriff auf Profile in einem Sozialen Netzwerk von Angehörigen vorsehen. "Nach einer schnellen Überprüfung durch eine Kopie der Sterbeurkunde, die wir gesetzlich vornehmen müssen, werden die Login-Daten an die Angehörigen übermittelt", so Hensen. In Folge könne dann entschieden werden, ob das Profil bestehen bleibe oder gelöscht werden solle. Die Kontaktaufnahme erfolge dabei entweder über den "Melde-Button" innerhalb des Netzwerks, oder über eine E-Mail. Die VZ-Gruppe gab zudem an, in der Regel auf derartige Anliegen innerhalb von 48 Stunden zu reagieren.
Laut Franz Schmidbauer fällt ein Account bei einem Sozialen Netzwerk in Österreich normalerweise vom Gesetz her nicht in die Erbschaftsmasse, da dieser nicht als Vermögenswert anzusehen sei. "Domains hingegen fallen in die Erbschaft und der Erbe tritt in das Vertragsverhältnis mit der Registrierungsstelle ein oder kann die Domain kündigen oder bei Sedo versteigern", so Schmidbauer.
Zankl: Account erben nein, löschen ja
Wolfgang Zankl, Professor am Institut für Zivilrecht der Universität Wien, sieht die Rechtslage ähnlich. Die Weiternutzung von Sozialen Netzwerkprofilen falle in der Tat in den Bereich des höchstpersönlichen Lebensbereichs, so Zankl. Allerdings können Erben derartige Profile sehr wohl im Rahmen einer Universalsukzession löschen lassen, merkt Zankl an. "Andernfalls würden solche Profile mangels Löschungsberechtigter auch ewig weiterbestehen können, was widersinnig ist."
Falls Nutzer von Sozialen Netzwerken bereits vor ihrem Ableben ihre Online-Identität im Zuge eines Testaments regeln wollen, bestehe laut Schmidbauer zudem die Möglichkeit einer "Auflage" nach §709 ABGB. Dazu sei notwendig, dass derjenige die Zugangsdaten bekanntgebe, so Schmidbauer. "Mit einer Auflage kann ein Erblasser seine Erben und Legatare mit bestimmten Aufgaben beauftragen, wie etwa der Bekanntgabe des Todes auf Facebook in einer bestimmten Form und eine formlose Löschung des Nutzerprofiles", so Schmidbauer.
Aufbewahrung von Zugangsdaten
Für die Aufbewahrung von Passwörtern gibt es mittlerweile eigene Dienste im Netz. Davon haben sich mehrere, wie etwa Legacy Locker und VitalLock, auf die Aufbewahrung von Zugangsdaten von Online-Accounts für Hinterbliebene spezialisiert. Beim US-Dienst Legacy Locker bestimmt der Nutzer etwa einen oder mehrere Begünstigte, die im Fall seines Ablebens ein vorher zusammengestelltes Datenpaket erhalten. Beide Dienste können derzeit in Österreich allerdings aus rechtlichen Gründen nicht genutzt werden.
Seit wenigen Tagen gibt es mit My Webwill allerdings ein Web-Portal auf dem Markt, das auch in Österreich verfügbar ist. Bei dem aus Schweden stammenden Dienst, der sich derzeit noch im Betastadium befindet, können Nutzer selbst bestimmen, ob ihre Accounts im Todesfalle geschlossen, von auserwählten Personen weitergeführt, oder mit einer abschließenden Nachricht versehen werden sollen. Dazu werden Passwörter für derzeit bis zu 30 verschiedene Netzwerkdienste wie Facebook, Flickr, Wordpress und YouTube verschlüsselt gespeichert. Der Kunde wählt zudem zwei Personen aus, die My Webwill im Todesfall benachrichtigen und als Kontaktperson zur Verfügung stehen sollen. Der Dienst ist kostenpflichtig.
My Webwill beschreibt sich selbst mehr als "digitale Versicherung" anstelle eines "letzten digitalen Willens". Der dort angegebene Wunsch des Verstorbenen, was mit seinen Netzwerkprofilen nach seinem Tod passiert, ist zudem rechtlich nicht bindend.
(futurezone/Barbara Wimmer)