© Wikileaks/Screenshot: ORF.at, Standbild aus dem Wikileaks-Video

Bericht: "Collateral Murder"-Zuträger verhaftet

GEHEIMNISSE
07.06.2010

Wie das US-Magazin "Wired" am Sonntag (Ortszeit) berichtet hat, haben die US-Behörden einen Experten des Geheimdiensts der US-Armee verhaftet. Der 22-jährige Bradley Manning aus Potomac im US-Bundesstaat Maryland soll Videomaterial an die Whistleblower-Website Wikileaks weitergegeben haben. Wikileaks hat daraufhin "Wired" scharf angegriffen.

Unter dem Material soll sich auch das im April von Wikileaks unter dem Titel "Collateral Murder" veröffentlichte Video befunden haben, auf dem zu sehen ist, wie im Juli 2007 Zivilisten, darunter zwei unbewaffnete Reuters-Angestellte, in Bagdad von einer US-Hubschrauberbesatzung getötet wurden.

Interne Daten an Wikileaks übermittelt

Laut Angaben seiner Familie gegenüber "Wired" soll Manning derzeit in Kuwait festgehalten werden, es sei noch keine Anklage gegen ihn erhoben worden. Laut dem Magazin gab Manning gegenüber dem "ehemaligen Computer-Hacker" Adrian Lamo im Rahmen eines Chats zu, das "Collateral Murder"-Video an Wikileaks übermittelt zu haben. Der Mann habe daraufhin die Behörden informiert. Manning habe Lamo kontaktiert, nachdem in "Wired" ein Artikel über diesen erschienen sei. Lamo übermittelte die Mails und Chat-Protokolle auch an die "Wired"-Redaktion.

Manning soll auch weitere Daten an Wikileaks übermittelt haben, darunter ein Video, das einen Luftangriff der US-Streitkräfte auf den afghanischen Ort Garani am 4. Mai 2009 zeigt, in dessen Rahmen nach Angaben der afghanischen Behörden mindestens 140 Zivilisten ums Leben gekommen sind.

Auch ein Army-Dokument, in dem Wikileaks als Sicherheitsrisiko bezeichnet wurde, soll von Manning an die Organisation übermittelt worden sein. Manning habe auch rund 260.000 als geheim eingestufte Nachrichten von US-Diplomaten abgefangen und diese als "beinahe kriminelle Absprachen" bezeichnet. Ob Wikileaks letztere Daten bereits erhalten habe, sei nicht gesichert, so "Wired".

Status unbekannt

Bisher haben weder das US-Außenministerium noch das FBI die "Wired"-Meldung bestätigt. Auch die US-Armee selbst sagte in einer ersten Reaktion, man wisse noch nichts von einer Verhaftung. "Wired" bezieht seine Kenntnis der Verhaftung von Lamo, dem FBI-Agenten bei einem Treffen am 27. Mai gesagt haben sollen, dass Manning vom Army-Geheimdienst im Irak in Gewahrsam genommen worden sei.

Lamo selbst habe an Wikileaks gespendet und halte die Website für wertvoll. Die Übermittlung der Nachrichten aus dem diplomatischen Dienst habe ihn aber zum Handeln bewogen. Manning habe mit seinen Aktionen das Leben von US-Soldaten und die Sicherheit der Vereinigten Staaten gefährden können.

Manning war seit 2007 Soldat und hatte Zugriff auf zwei interne Netzwerke des Verteidigungs- und Außenministeriums. Das nach dem Standard AES-256 verschlüsselte Zip-File des Hubschraubervideos soll er aus einem Verzeichnis entnommen haben, wo es von den Offizieren abgelegt worden war, die den Fall der getöteten Reuters-Korrespondenten untersucht hatten.

Reaktion von Wikileaks

Die Betreiber von Wikileaks reagierten am Montag über ihren offiziellen Account auf dem Kurznachrichtendienst Twitter auf den "Wired"-Artikel. Man untersuche die Behauptungen, hieß es, und man erinnere Quellen daran, ausschließlich mit Wikileaks über ihre Daten zu sprechen. Man könne den Bericht nicht bestätigen, da man niemals persönliche Informationen von Informanten sammle. Wenn Manning tatsächlich der Zuträger des Bagdad-Videos sein sollte, dann sei er ein Nationalheld, so Wikileaks.

Die im "Wired"-Bericht erwähnten geheimen 260.000 Nachrichten aus dem Kommunikationssystem des US-Außenministeriums habe man, soweit man sehen könne, nicht erhalten. Die "Washington Post" habe das "Collateral Murder"-Video über ein Jahr lang zur Verfügung gehabt und dieses nicht veröffentlicht.

In einem Tweet greifen die Wikileaks-Macher den für "Wired" arbeitenden Ex-Cracker Kevin Poulsen und dessen Informanten Lamo direkt hart an. Diese seien "notorische Verbrecher, Informanten und Manipulateure", vor denen sich Journalisten hüten sollten.

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