Beben in der Navibranche
Der Markt für Navigationslösungen ist durch die Smartphone-Revolution stark in Bewegung. Google hat eine vollwertige kostenlose Navigationssoftware für Android-Smartphones eingeführt, auch Nokia bietet eine eigene Lösung an. Die traditionelle Navigationsbranche wehrt sich mit eigenen kostenlosen Programmen und greift dabei auch auf Ideen aus dem Social Web zurück.
Google hat jetzt für Android-Smartphones die Navigation mit Google Maps und einer Sprachsuche für Deutschland, Österreich, Schweiz, Italien, Frankreich und Spanien freigeschaltet. Autofahrer können damit ihr Smartphone als vollwertiges Navigationsgerät verwenden.
Der Internet-Konzern wird den deutschsprachigen Markt allerdings nicht so schnell aufrollen können: Gewarnt von Googles Vorstoß auf dem US-amerikanischen Markt im November haben sich die Anbieter mit unterschiedlichen Ansätzen in Stellung gebracht: Nokia brachte bereits im Jänner seine Handy-Navigationslösung Ovi Maps kostenlos in 74 Ländern auf den Markt.
Aktuell sind 16 S-60-Nokia-Handys mit der Lösung ausgestattet. Seit Juni blendet Nokia zudem Tipps und Kommentare zu Hotels, Restaurants und anderen Örtlichkeiten aus der Qype-Community in das Kartenmaterial ein.
Freie Straßenkarten
Das Berliner Start-up Skobbler sorgte bereits im Herbst vergangenen Jahres für Wirbel, als es eine iPhone-Navigationsanwendung für wenige Euro auf den Markt brachte und seither 150.000-mal verkaufte.
Seit Anfang März greift Skobbler auf das freie Kartenmaterial von OpenStreetMap zurück; zuvor hatte Skobbler auf die Karten des Geodatenanbieters NavTeq - einer Nokia-Tochter - gesetzt. Die Daten von OpenStreetMap werden von Tausenden Freiwilligen gesammelt und stehen über eine Creative-Commons-Lizenz auch kommerziellen Anbietern zur Nutzung frei.
Über einen Rückkanal können Skobbler-Nutzer fehlerhafte Stellen an den Dienst melden. Dabei laufen die Bug-Meldungen von Skobbler übrigens nicht direkt auf OpenStreetMap ein, sondern ähnlich wie bei der Website OpenStreetBugs auf einer eigenen Website. Dort müssen sich dann die Freiwilligen von OpenStreetMap, die sich für einen bestimmten Kartenausschnitt verantwortlich fühlen, über die Fehler informieren. In Bälde sollen sie die Fehlermeldungen aber auch über einen RSS-Feed abonnieren können.
Lokalisierte Werbung
Skobbler will auch mit einer kostenlosen Android-App nachlegen. Künftige Einnahmen will Skobbler-Geschäftsführer Marcus Thielking dann über lokale Werbeeinblendungen verdienen, die über Werbevermarkter wie AdMob, QuattroWireless und Yoc vermittelt werden. Thielking sieht hier ein "extremes Potenzial".
Zum einen sind die Werbeeinnahmen im mobilen Bereich um ein Vielfaches höher als im Online-Bereich, zum anderen ist die Relevanz für die Nutzer eine andere. "Wenn ich weiß, dass es in 500 Meter Entfernung etwas zu einem Sonderpreis gibt, hat das eine andere Informationsqualität." Yoc etwa vermarktet Anzeigen, in denen Mercedes-Autohäuser auf Möglichkeiten für Testfahrten hinweisen - für Autofahrer, die auf der Suche nach einem neuen Gefährt sind, ein durchaus interessanter Hinweis.
Für Thielking steht fest: "Die Zeit für Navi-Apps im zweistelligen Euro-Bereich ist vorbei. Google macht vieles zu gut, als dass sich die Navigationshersteller noch deutlich absetzen können." Punkten könne man aber noch etwa mit offline verfügbaren Karten und qualitativ hochwertigen Verkehrsdaten. Auch Zusatzservices wie Kartenlayer seien noch interessant, doch hier bleibe abzuwarten, wie schnell Google nachlege.
Marktchancen mit Zusatzdiensten
Für den Navi-Hersteller TomTom brechen damit schwierige Zeiten an, da er mit eigenständigen Geräten bisher sein Geschäft machte. Entsprechend brachen die Aktien bereits nach der Nokia-Offensive ein. Doch das niederländische Unternehmen rüstete bereits nach: Nutzer können über einige Geräte Ziele ebenfalls bereits mit Google-Suche ausfindig machen.
TomTom setzt außerdem auf höherwertige Lösungen, so etwa auf die Entwicklung von Verkehrsservices wie IQ Routes und HD Traffic. Marketingmanager Hannes Albrecht meinte: "Bei der Weiterentwicklung von Navigationslösungen stehen bei uns nicht Werbe- und Marketinginteressen oder Informationen über das Kaufverhalten der Autofahrer im Vordergrund, sondern ausschließlich das Fahrverhalten der Autofahrer."
Albrecht hofft aber auch, dass die Google-Offensive Vorteile für TomTom hat, weil viele Menschen erstmals mit dem Thema mobile Navigation in Kontakt kommen: "Sobald diese Menschen aber mehr wollen, als nur irgendwie von A nach B zu kommen, werden sie schnell nach Navigationslösungen suchen, die einen echten Mehrwert bieten und sie dabei unterstützen, möglichst umweltschonend und kostengünstig zu fahren." Allerdings könnte sich die technikaffine Zielgruppe der Android- und Navi-Nutzer durchaus überlappen.
Google erstellt eigene Karten
Noch profitiert TomTom davon, dass Google in Europa das digitale Kartenmaterial der TomTom-Tochter Tele Atlas lizenziert. Doch auch diese Sicherheit könnte nicht lange halten: Mit seinem Street-View-Projekt hat Google bereits so viel Datenmaterial gesammelt, dass es in den USA schon eigene Karten erstellt hat.
Nicht von ungefähr hat Google WLAN-Standortdaten gesammelt, um die ungenauen GPS-Signale des Street-View-Autos zu präzisieren. Es ist also nur noch eine Frage der Zeit, bis Google auch in Europa mit eigenen Karten arbeiten und auf Zahlung von Lizenzgebühren verzichten kann.
Navigationsanbieter Navigon sieht hingegen optimistisch in die Zukunft: Gerhard Mayr, zuständig für das Handygeschäft bei Navigon, verweist auf das Angebot MobileNavigator, das für alle relevanten Smartphone-Plattformen optimiert ist und zudem offline jederzeit verfügbar ist.
Auch für das iPhone hat Navigon eine individualisierbare Navigationslösung entwickelt. Mayr zeigt sich daher betont gelassen: "Navigon blickt Googles Markteintritt entspannt entgegen." Er erwartet, dass Navigon auf dem neuen Markt für Smartphone-Navigation seinen Marktanteil sogar stärker ausbauen kann als andere Hersteller.
(Christiane Schulzki-Haddouti)