E3: Nintendo-Renaissance und Social Games
Die Branche hatte sie eigentlich schon abgeschrieben. Nun ist klar: Die Electronic Entertainment Expo (E3) ist wieder da. Auf der US-Messe wurden die wichtigsten Trends für die Spieleindustrie vorgegeben. So stellt sich Nintendo mit der Mobilkonsole 3DS neu auf, und der Trend zu Social Games im Netz wird verstärkt fortgesetzt. Eine Analyse von Anatol Locker.
Zwei Jahre lang regierten Business-Langeweile und leere Hallen in Los Angeles, nun verbreitet die E3-Messe, die am Donnerstag zu Ende gegangen ist, erneut Aufbruchsstimmung. Als wollten die USA ein Signal geben: Bei uns werden die Hits vorgestellt - nicht in Europa.
Die Games-Konzerne klingelten mit Worten, bis den Zuhörern die Ohren sausten. Was Nintendo, Sony und Microsoft auf ihren Pressekonferenzen 2010 ankündigten, klang so, als habe man Gaming neu erfunden. Dabei war alles schon bekannt. Sonys Move, Microsofts Kinect alias Projekt Natal, Nintendos 3DS - alles bereits monatelang im Vorfeld der Messe angekündigt.
Die Bewegungssteuerungen Move (pro Controller ab 49,99 US-Dollar) und Kinect (wohl um 149 US-Dollar) konnten ihre Versprechen weitgehend einlösen - die Technik ist verfügbar und funktioniert zufriedenstellend. Den Hardwareherstellern sollen die neuen Add-ons die Lebensdauer der Konsolengeneration verlängern. Wohl aus diesem Grund präsentierte Microsoft eine "neue" Xbox 360, die sich nur durch Klavierlack-Look im Alienware-Design vom Original unterscheidet.
Hardware: Branchenhoffnung Mobil Gaming
Nun kommt's drauf an, was EA, UBI-Soft, Activision, Rockstar Games, Konami, Bethesda und andere Entwicklerstudios 2010/2011 aus den neuen Technologien herausholen. In die Falle, nur Casual-Spiele wie für Wii zu entwickeln, werden die wenigsten Spielehersteller tappen. Denn Käufer, die sich für dieses Genre interessieren, besitzen bereits eine Wii - und sind der simplen Spielinhalte überdrüssig.
Dass die PSP dieses Jahr keine Neuauflage, sondern lediglich ein lebensverlängerndes Marketingbudget bekam, kann man verschmerzen - bis Ende des Jahres sollen 70 Spiele erscheinen, von denen ein Drittel beachtenswert aussieht.
Die Überraschung lieferte Nintendo: Während 3-D-Spiele aufgrund der hohen Hardware-Anforderungen vorerst eine kleine Nische ansprechen, landete Nintendos mit dem brillenlosen 3DS einen Coup. Die Minikonsole dürfte die meistfotografierte Hardware der Messe sein. Der 3-D-Effekt hinterließ bei Fachjournalisten einen exzellenten ersten Eindruck. Das Interesse der Dritthersteller ist sehr doch. Das Interesse in Foren ebenso.
Software: Wer soll das alles spielen?
Bei so viel Hardware wurden auf den Pressekonferenzen Blockbuster, deren Vorzüge sonst in epischer Breite ausgewalzt werden, in einem Nebensatz angekündigt.
2010/2011 verspricht ein exzellenter Jahrgang für Spiele-Connaisseurs zu werden. Die Masse an großen, aufwendig produzierten Spieletiteln ist beeindruckend. "Portal 2", "Fable III", "Dead Space 2", "Gears of War 3", "Halo: Reach", "Mafia II", "Assassins Creed: Brotherhood", "Epic Mickey", "Twisted Metal", "Homefront", "Tron: Evolution", "Zelda: Skyward Sword", "Fallout New Vegas", "Gran Turismo 5" - all diese Namen zaubern Vielspielern ein breites Vorfreude-Grinsen ins Gesicht.
Turnusmäßig reaktiviert die Games-Branche auch ihre klassischen Spielemarken, die teilweise in der Versenkung verschwunden waren. Eine Frischzellenkur bekommen "Civilisation", "Kid Icarus", "Golden Sun", "Kirby", "Donkey Kong Country", "Rayman", "Metal Gear Solid" und "X-Com". Gamer stehen ab Weihnachten vor einem Luxusproblem: Wann soll man das alles spielen?
Kein Spiel ohne "Freund"
Nach dem gigantischen Erfolg des Newcomers "Farmville" erwacht die Industrie aus ihrem Schlaf und setzt vermehrt auf Social Gaming. Kaum ein Spiel, das nicht eine Facebook-Anbindung, eine Community, automatische Freundeslisten oder einen Leveldesigner mit Online-Features bietet.
Das Rennspiel "Need for Speed: Hot Pursuit" beispielsweise hält den Spieler über Fortschritte seiner Freunde auf dem Laufenden, meldet neue Bestzeiten und Herausforderungen. Und der Spielebaukasten "Little Big Planet 2" wurde um Funktionen erweitert, mit denen man einfach eigene Spiele bauen und an seine Freunde verteilen kann.
Auch die Hardware hält nach virtuellen Freunden Ausschau: Nintendos 3DS merkt sich die Games des Spielers. Es scannt automatisch die Umgebung, um neue Spielpartner oder Spielgegenstände zu finden - sogar, wenn sich das System im Schlafmodus befindet.
(Anatol Locker)