© ALDE/Screenshot: ORF.at, Julian Assange

WikiLeaks-Gründer warnt vor Netzsperren

KONTROLLE
21.06.2010

Anlässlich einer Anhörung der liberalen Fraktion im EU-Parlament (ALDE) am Montag in Brüssel hat sich Julian Assange, Gründer der Whistleblower-Website WikiLeaks, nachdrücklich gegen die Einführung einer Netzsperren-Infrastruktur in der Europäischen Union ausgesprochen.

Mit dem Vorstoß von EU-Justizkommissarin Cecilia Malmström für eine Richtlinie, die alle EU-Staaten zur Einrichtung von Netzsperren gegen Kinderporno-Websites verpflichten würde, liefe Europa in Gefahr, ein unkontrollierbares geheimes Zensursystem einzurichten, so Assange.

Seine Organisation habe bereits die "schwarzen Listen" verschiedener Länder wie Australien, China und Thailand veröffentlicht.

Ausweitung der Listen

Im Fall Australien habe sich gezeigt, dass weniger als 32 Prozent der auf der "schwarzen Liste" der Medienbehörde aufgeführten Sites auch tatsächlich mit Inhalten zu tun hatten, die Menschen unter 18 Jahren bei sexuellen Handlungen zeigten. Die thailändische Sperrliste, die ebenfalls als Anti-Kinderporno-Liste eingeführt worden sei, habe über 1.000 Websites enthalten, auf denen Kritik am thailändischen Königshaus zu lesen sei.

Assange wies auf ein zentrales Problem der Sperrlisten hin: Diese müssten geheim von einer zentralen staatlichen Behörde geführt werden und damit außerhalb der gesellschaftlichen Kontrolle bleiben. "Das führt automatisch zur Ausweitung der Listen und zu Korruption", sagte er, "sogar in einer gefestigten Demokratie wie Australien. Die Sperrlisten würden in ganz Europa ein Echtzeit-Zensursystem einführen."

Polittricks mit Kinderpornos

Im Rahmen der Diskussion über Zensur und Selbstzensur, anlässlich derer auch Birgitta Jonsdottir, Sprecherin der Icelandic Modern Media Initiative (IMMI), über ihr Projekt referierte, wies Alexander Lambsdorff, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der ALDE, auf die Schriftliche Erklärung 29 hin, die von den konservativen Abgeordneten Tiziano Motti und Anna Zaborska eingebracht worden war.

In dieser Erklärung "zur Schaffung eines europäischen Frühwarnsystems gegen Pädophilie und sexuelle Belästigung" war die Aufforderung versteckt gewesen, die stark umstrittene Richtlinie über die Vorratsdatenspeicherung (Data-Retention) auch auf Suchmaschinenanfragen auszuweiten. Von der Richtlinie wurde dabei nur die Nummer (2006/24/EG) genannt, so dass ein Abgeordneter, der glaubte, eine Erklärung gegen Kinderpornos zu unterstützen, in Wirklichkeit damit die Ausweitung der Data-Retention forderte. Lambsdorff sagte, die ALDE habe diese Erklärung trotz des beispiellosen dafür betriebenen Werbeaufwands daher nicht unterstützt.

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