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SWIFT: EU-Parlament pokert mit dem Rat

KONTROLLE
23.06.2010

Laut Zeitplan der EU-Kommission soll das Parlament noch im Juli über das revidierte SWIFT-Abkommen über den Transfer europäischer Finanztransaktionsdaten in die USA abstimmen. Damit dieser Plan noch einzuhalten ist, müssen sich Ministerrat und EU-Parlament in den kommenden Tagen einigen. Ein Spiel um die üblichen Kompromisse beginnt.

Im Vorfeld des Ministerratstreffens, das am Donnerstag in Luxemburg beginnt, spielt sich das Übliche ab, wenn ein heikles und noch dazu "transatlantisch sensibles" Thema wie SWIFT auf der Tagesordnung steht.

Das letzte von EU-Kommission und Ministerrat ausgehandelte Abkommen über die systematische Weitergabe großer (europäischer) Datenmengen aus der in Belgien ansässigen weltweiten Finanztransferzentrale SWIFT an die USA hatten die Parlamentarier im März gestoppt. Das geschah kraft der durch den Lissabon-Vertrag erweiterten Rechte des Europäischen Parlaments.

Über die Presseagenturen wird vor solchen Anlässen seitens von Rat und Kommission gern "signalisiert", dass ohnehin schon eine parlamentarische Mehrheit gefunden, beziehungsweise ein "Kompromiss" erreicht worden sei, die Quellenangaben sind dabei stets rar.

SWIFT unter "ferner liefen"

So auch vor dem Treffen der 27 Verkehrsminister am Donnerstag. Ebenfalls bezeichnenderweise hat der Ministerrat die Angelegenheit SWIFT nicht als Hauptpunkt, sondern unter "further information" auf der Tagesordnung so gut versteckt, wie es nur ging.

Die Weitergabe dieser europäischen Finanztransferdaten in "Bausch und Bogen" ("Bulk") an die USA und die mangelnden Aufsichtsmöglichkeiten durch Organe der EU sind nur zwei der umstrittenen Punkte des Vertrags.

Eine Umfrage von ORF.at bei österreichischen EU-Parlamentariern ergab freilich ein etwas anderes Bild, als die Agenturen am Mittwoch übermittelten. "Wir wollen eine von der EU autorisierte Supervision für diese Datenweitergabe, d?e jeden Vorgang überwacht und notfalls stoppen kann", sagte der Abgeordnete Ernst Strasser (EVP) zu ORF.at.

Reziprozität und Wirtschaftsspionage

Strasser, der für seine Fraktion für den Fall SWIFT zuständig ist, tritt auch gegen die En-gros-Weitergabe von Datensätzen ein und nennt "vollständige Reziprozität" als Ziel. Gemeint ist damit, dass die USA den Europäern auf Anfrage ebenfalls Datensätze von Finanztransfers in gleichem Ausmaß übermitteln müssen, was im derzeitigen Vertragswerk nur ansatzweise festgeschrieben ist. In der von EU-Justizkommissarin Cecilia Malmström vorgestellten Fassung hieß es, die USA könnten den Europäern auf deren Wunsch dabei helfen, eine eigene Version des Terrorist Finance Tracking Program (TFTP) aufzustellen.

Für Jörg Leichtfried (SPE) ist neben ungeklärten Rechtsschutzfragen auch die "Reziprozität nicht erkennbar", wobei überdies "ganz offen ist, wie es dabei mit Wirtschaftsspionage aussieht". Wie die Vorgänge rund um den Fall Airbus gegen Boeing ganz klar gezeigt habe, seien "die USA und Europa in wirtschaftlichen Fragen Konkurrenten", sagte Leichtfried.

"Nicht befriedigend und nicht brauchbar, weil nicht kompatibel mit der diesbezüglichen Resolution des Parlaments", sagte die Abgeordnete Eva Lichtenberger (Grüne) zu ORF.at.

"Wenn ich, um meine eigenen, persönlichen Daten einzusehen und gegebenenfalls zu korrigieren, den Klagsweg in den USA beschreiten muss, dann entspricht das nicht den Anforderungen der europäischen Datenschutzrichtlinie", so Lichtenberger.

Brüsseler "Spatzen"

Abzuwarten ist, ob der Ministerrat das Verhandlungspaket nochmals aufschnürt, um zumindest im Hauptkritikpunkt den Parlamentariern nachzugeben. So hatten es Brüsseler "Spatzen" am Mittwochnachmittag vom Justus-Lipsius-Gebäude des Ministerrats zu Brüssel zum nahen EU-Parlament hinübergepfiffen.

Donnerstag

Neben SWIFT steht auch die Verabschiedung des Luftfahrtabkommens "Open Skies" auf der Tagesordnung des Ministerrats.

Seit Beginn, der von den USA per einstweiligen Verfügungen auf dem Verwaltungsweg erzwungenen Datenweitergaben wurde - als einzige, zivile Kontrollinstanz - das US-Beratungsunternehmen Booz Allen Hamilton zugeschaltet, das etwa zwei Drittel seiner Umsätze mit dem militärisch-elektronischen Komplex der USA erzielt.

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(futurezone/Erich Moechel)