Data Retention lässt viele Fragen offen

18.01.2007

Die EU-Richtlinie zur Datenspeicherpflicht im Telefonie- und Internet-Bereich ist laut dem Verband der heimischen Internet-Provider [ISPA] technisch "vollkommener Schwachsinn". Die Umsetzung könnte die österreichische Volkswirtschaft bis zu 700 Mio. Euro im Jahr kosten.

In Hinblick auf die Umsetzung der EU-Richtlinie zur Speicherung von Telefonie-Verkehrsdaten [Data Retention], die im Februar 2006 abgesegnet wurde und bis September 2007 auch in Österreich in einem ersten Schritt umgesetzt werden muss, sind noch einige Fragen offen.

Weil in Österreich eine anlasslose Datensammlung solcher Art bis dato gesetzlich verboten ist, stehen die Juristen im Justizministerium vor einem inhaltlichen Spagat. Und bei den Telekoms und Internet-Service-Providern gibt es ob der technischen Umsetzung einige Unklarheiten, wie ISPA-Präsident Roland Türke im Gespräch mit ORF.at erläutert.

"Die Rahmenrichtlinie, so wie sie jetzt dasteht, ist nicht umzusetzen. Das ist technisch vollkommener Schwachsinn. Da wird etwa gesagt, man soll jeden Verbindungsversuch mit einem Mail-Server abspeichern. Wenn ich ein Push-Mail habe, ist das alle 30 Sekunden - das wären Terabytes an Daten."

Machbarkeitsstudie beauftragt

Die ISPA habe nun die Uni Wien mit einer Machbarkeitsstudie beauftragt, um die Umsetzung auch in einen wirtschaftlichen Kontext zu stellen. Schließlich koste das Österreich Türke zufolge ein paar Hundert Millionen Euro, wenn zu viel in die Richtlinie hineininterpretiert würde.

"Wir sind daran interessiert, eine Lösung zu finden, die effizient ist. Wir versuchen erstens zu interpretieren, was der Sinn der Rahmenrichtlinie ist, und dass es zweitens Grundrechte zu verteidigen gibt im Internet. Drittens müssen wir auch drauf schauen, dass die Daten nicht missbräuchlich verwendet werden. SWIFT in Belgien war da ein gutes Beispiel - so darf es nicht passieren, dass alles nach Amerika geschickt wird und die scannen das durch", so Türke.

Bis 2008 muss die EU-Richtlinie zur Speicherpflicht von Telefonie-Verkehrsdaten in Österreich umgesetzt werden. Das macht die jetzt schon komplizierte Rechtslage noch verworrener, dazu sind beim EuGH Nichtigkeitsklagen gegen die Richtlinie anhängig.

Bis zu 700 Mio. Euro für Österreich?

Die Frage nach einer Kostenschätzung für Österreich beantwortet Türke mit einem Beispiel: "In Frankreich hat man die Kosten für einen Provider mit einer Million Kunden auf 225 bis 250 Millionen Euro errechnet, wobei das nur die Datenerfassung betrifft."

Dazu käme dann noch ein Tool für das Data Mining und eine Datenbankstruktur. Diese Parameter seien aber noch nicht definiert worden, auch nicht wie die Daten aufgezeichnet und in welchem Format sie gespeichert werden sollen.

Das Worst Case Scenario

"Im schlimmsten Fall sind das 500 bis 700 Mio. Euro für Österreich, für die Volkswirtschaft. Und das bei einer Effektivität von geschätzten fünf Prozent erbringen. Weil Spam schon einmal 80 Prozent wegnimmt und die ganzen Umgehungsmöglichkeiten wie etwa Webmail fressen auch noch einmal was auf", schätzt Türke. Aus Sicht der Provider müssten die Kosten für die Umsetzung von der öffentlichen Hand bezahlt werden.

Auch die deutsche Internet-Wirtschaft befürchtet durch die neu in Kraft getretene Ergänzung des Terrorismusbekämpfungsgesetzes eine enorme Belastung.

TKG-Entwurf im April

Fix geregelt sei derzeit nur die Umsetzung für die Telefonie. Die ISPA werde demnächst ein Positionspapier vorlegen, das auf die technischen Details eingeht und ein paar juristische Eckpunkte beschreibt.

"Geplant ist, dass der erste Entwurf des TKG [Telekommunikationsgesetz] im April rausgeht und wir hoffen dass das Internet vorerst einmal rausgenommen wird", erklärt Türke den Zeitplan. Seiner Meinung nach bestehe die Gefahr, dass das Medium Internet ruiniert werde, wenn man bei der Umsetzung übertreibe.

Inhaltsdaten als nächster Schritt

Vor allem könnte die Speicherung der Log-Daten nur der erste Schritt sein. Wie Türke ausführt deute nämlich einiges darauf hin, dass in einem nächsten Schritt sehr wohl auch Inhaltsdaten gespeichert werden könnten.

9.000 Bürger wollen Verfassungsbeschwerde gegen das EU-Überwachungsprojekt einreichen.

(futurezone | Nayla Haddad)