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Blogger experimentieren mit Bezahlsystemen

MICROPAYMENT
08.07.2010

Online-Bezahlsysteme wie Flattr und Kachingle ermöglichen die unkomplizierte Vergütung von Inhalten im Netz. Auch österreichische Blogger experimentieren mit den Micropayment-Diensten auf freiwilliger Basis. Den seit kurzem verfügbaren Angeboten schreiben sie durchaus Potenzial zu.

Noch sind die Einnahmen bescheiden. "Mit Kachingle habe ich bisher rund 13 Euro verdient", sagt der Salzburger Unternehmensberater und Blogger (politik.netzkompetenz.at) David Röthler. Andere österreichische Nutzer der seit kurzem verfügbaren Online-Bezahldienste Kachingle und Flattr erzählen von ähnlichen Summen. Max Kossatz, Autor des Blogs "Wissen belastet", hat über beide Dienste zusammen bisher im Schnitt sechs Euro pro Monat eingenommen. Luca Hammer ("Alltag Medienzukunft") spricht von rund zwölf Euro monatlich, und Robert Harm von Webtermine.at beziffert die bisherigen Einnahmen aus Kachingle und Flattr nach zweimonatiger Nutzung auf etwas mehr als 20 Euro.

Im Vergleich dazu berichteten große deutsche Blogs von Flattr-Einnahmen von mehr als 500 Euro für den Juni. Reich werden auch deren Betreiber damit vermutlich auf absehbare Zeit nicht. Das Experimentieren mit den Bezahldiensten auf freiwilliger Basis finden viele Blogger jedoch spannend. Die Angebote stünden noch ganz am Anfang, meint etwa Hammer: "Ich glaube, dass sich diese Dienste noch weiter durchsetzen werden."

Mehr zum Thema:

~ Link: Kachingle: Crowdfunding für Netzinhalte (../http://www.fuzo-archiv.at/?id=1650280v2) ~

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Im Aufbau

Sowohl Flattr als auch Kachingle befinden sich noch im Aufbau und sind erst seit wenigen Monaten verfügbar. Flattr kann derzeit nur über Einladung genutzt werden. Der offizielle Start werde voraussichtlich in ein oder zwei Monaten erfolgen, teilte Flattr-Gründer Peter Sunde auf Anfrage von ORF.at mit: "Wir wollen sichergehen, dass alles passt." Das 2009 gegründete Kachingle zahlte im März die ersten Beträge an teilnehmende Blogger aus. Deren Anzahl ist noch überschaubar.

Beide Dienste ermöglichen es ihren Nutzern, Geld an Websites ihrer Wahl zu verteilen. Die User zahlen einen monatlichen Fixbetrag ein und können danach bestimmen, wer wie viel davon bekommt.

Nutzer verteilen Geld

Dazu muss bei Kachingle ein auf der entsprechenden Website integrierter Button - Kachingle nennt ihn "Medaillon" - gedrückt werden. Der Verteilschlüssel errechnet sich danach aus der Anzahl der Besuche des spendenwilligen Nutzers. Auch bei Flattr werden die eingezahlten Beträge mittels Button verteilt. Je häufiger der Flattr-Button auf teilnehmenden Websites gedrückt wird, desto mehr Geld erhalten die Betreiber.

Während Flattr auch Spenden für einzelne Postings und Artikel zulässt, kann bei Kachingle nur für das Gesamtangebot gespendet werden. Dafür können die Betreiber der teilnehmenden Websites sehen, wer ihnen Geld zukommen ließ. Auf Wunsch sind aber auch anonyme Spenden möglich. Beide Angebote behalten einen gewissen Prozentsatz der von den Nutzern eingezahlten Gelder ein. Bei Flattr betragen die Gebühren zehn Prozent, Kachingle verrechnet 15 Prozent für sein Service.

"Reputationsaufbau"

Kachingle spreche vor allem Stammleser an, Flattr eigne sich für Gelegenheitsbesucher, meint Harm. Bei Kachingle gehe es auch um den Reputationsaufbau, so Röthler. Die Transparenz gehöre bei einem Spendenmodell im Web dazu: "Ich zeige meinen Freunden, dass mir dieses Blog etwas wert ist, da zahle ich auch dafür."

An den Diensten stört ihn, dass die Buttons nicht in den RSS-Feed eingebunden werden können: "Der Feed wird weit häufiger gelesen als das Blog selbst."

"Gegenpol zur 'Kultur-Flatrate'"

"Kachingle ist ehrlicher, man sieht, wie oft eine Seite besucht wird", sagt Kossatz. Dass die Medienwelt mit Diensten wie Flattr und Kachingle revolutioniert wird, glaubt er nicht. Vor allem für kleinere Seiten sieht der Berater und Blogger aber durchaus das Potenzial, damit Einnahmen zu erzielen. "Die Hostingkosten kann es hereinbringen. Ich habe mit Google-Werbung weitaus weniger Geld verdient."

Die neuen Online-Bezahldienste seien auch ein guter Gegenpol zum Ruf nach einer "Kultur-Flatrate", so Kossatz. Bei einem solchen Modell könnten einzelne Angebote nicht bewertet werden. Flattr und Kachingle seien auch Zeichen eines neuen Medienkonsums: "Sie stehen für einen emanzipierten Zugang."

"Fixkosten abdecken"

Webtermine.at-Mitbetreiber Harm hofft, mit Hilfe der Bezahldienste künftig vielleicht die Fixkosten für den Betrieb der Website abdecken zu können: "Potenzial haben sie sicher, ich sehe darin aber eher die Möglichkeit eines Zusatzverdienstes."

Hammer wünscht sich, dass sein Blog einmal ein zusätzliches wirtschaftliches Standbein wird, und hofft auf Aufschlüsse aus den Experimenten mit den beiden Diensten: "Momentan haben noch sehr viele Leute Angst, online Geld auszugeben."

Die Online-Bezahldienste könnten nach Meinung der Blogger aber auch für Medienunternehmen interessant sein. "Dazu muss aber die User-Basis groß genug sein", meint Kossatz. Auch Röthler sagt: "Die Dienste sind noch experimentell, sie könnten aber in Zukunft zur Finanzierung von Journalismus im Internet beitragen."

Fast 1.000 Euro für die "taz" im Netz

Das Online-Angebot der Berliner Tageszeitung "taz" machte bereits erste, durchaus vielversprechende Erfahrungen mit Flattr. Seit Mai kommt der freiwillige Online-Bezahldienst dort zum Einsatz. Im Juni verzeichnete Taz.de Flattr-Einnahmen von rund 1.000 Euro. Da sich Flattr noch in der Betaphase befinde, sei das "ganze Potenzial" des Dienstes noch nicht zu sehen, meint Taz.de-Leiter Matthias Urbach.

"Die Einnahmen haben sich im Juni im Vergleich zum Mai verdreifacht", rechnet Urbach vor. "Wenn sich das so weiterentwickelt, wären wir bald in einem Bereich, in dem Flattr einen nennenswerten Beitrag zu unseren Einnahmen liefert."

"Wir wollen keine Bezahlbarrieren"

Flattr biete die Möglichkeit, dass Online-Leser etwas bezahlen, ohne dass dazu die Offenheit des Netzes eingeschränkt werde, meint Urbach: "Wir wollen unsere Texte nicht hinter Bezahlbarrieren verstecken."

Zur "taz" würden Dienste wie Flattr ideal passen. Das Online-Angebot der Berliner Zeitung sammelte bereits zuvor Spenden von seinen Lesern. Ein Tool, mit dem Leser mit geringem Aufwand einzelne Texte bezahlen könnten, habe jedoch gefehlt: "Dafür hatten wir nicht die Ressourcen." Auch die Printausgabe des genossenschaftlich organisierten Unternehmens bietet abgestufte Abomodelle, bei denen Leser freiwillig mehr bezahlen können.

"Freiwilligkeit für Medienunternehmen schwierig"

Skeptisch ist Urbach, ob sich Flattr auch bei anderen Medienunternehmen durchsetzen könne. Viele Verlage wollten für ihre Produkte einen bestimmten Preis erzielen, sagt der Taz.de-Leiter, das würden auch Entwicklungen bei Verlagsapplikationen für iPad und Co. zeigen: "Es fällt ihnen schwer, Freiwilligkeit hineinzubringen."

Für die Finanzierung von Blogs sei Flattr aber ein gutes Mittel, ist Urbach überzeugt. Das meint auch Robin Meyer-Lucht, Medienökonom, Strategieberater und Herausgeber des deutschen Autorenblogs Carta, das über Flattr und Kachingle im Juni rund 300 Euro einnahm.

Von Flattr lernen

Mit ihrer Freiweilligkeit würden die Bezahldienste besser zu Blogs als zu klassischen Medienunternehmen passen, sagt Meyer-Lucht. Zumindest würden sie zeigen, dass die Rede von der "Gratiskultur im Internet" nicht auf alle Nutzer zutreffe: "Die Nutzer haben ein Interesse mitzubestimmen, welche Inhalte produziert werden - und daher sind sie auch bereit, durch Spenden ihre Wertschätzung auszudrücken."

Die Verlage könnten von Flattr und Kachingle auch lernen, dass Modelle für Bezahlinhalte nur über ein gemeinsames Vergütungs- und Abrechnungsmodell funktionieren würden, analysiert Meyer-Lucht: "Bei vielen Medienunternehmen mangelt es an der Bereitschaft, publikationsübergreifend zusammenzuarbeiten."

Die Refinanzierung von Inhalten im Internet sei "sehr schwierig", so der Carta-Herausgeber. Flattr und Kachingle seien erste Annäherungsversuche an ein zukünftiges Modell: "Wir müssen einfach durch viele Experimente herausfinden, wie wir die Angebote im Netz nachhaltig refinanziert bekommen."

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(futurezone/Patrick Dax)