E-Voting: Mehr Vertrauen durch Kontrolle
Im Zentrum der diesjährigen Expertenkonferenz EVOTE2010, die vom Kompetenzzentrum e-voting.cc in Bregenz veranstaltet wird, stehen diesmal die Themen Transparenz und Überprüfbarkeit. Auf der Konferenz sollen auch Vorzüge und Probleme des E-Voting-Einsatzes bei der ÖH-Wahl 2009 zur Sprache kommen.
Am Montag hat e-voting.cc, das Kompetenzzentrum für elektronische Wahlen, in Wien eine Vorschau auf die Konferenz EVOTE2010 gegeben, die vom 21. bis zum 24. Juli in Bregenz stattfinden wird.
"E-Voting bleibt ein spannendes Thema", so Manuel Kripp, der nach der Konferenz die Leitung des Kompetenzzentrums übernehmen wird. Robert Krimmer, bisheriger Chef von e-voting.cc, wird Anfang August nach Warschau zu der unter anderem für Wahlbeobachtung verantwortlichen OSZE-Unterorganisation Office for Democratic Institutions and Human Rights (ODIHR) wechseln und dort den neu geschaffenen Posten des Senior Advisor on New Voting Technology übernehmen.
Kripp und Krimmer erwarten zur vierten Auflage ihrer internationalen Konferenz über 100 E-Voting-Experten aus 26 Ländern, darunter auch Donetta Davidson, Chefin der Election Assistance Commission (EAC) der USA, die dort unter anderem für die Zertifizierung von Wahlsystemen zuständig ist.
"Transparenz ist dabei ein zentrales Thema", so Kripp, "die Bürger sollen die Systeme verstehen." In Deutschland habe das Bundesverfassungsgericht beispielsweise die Überprüfbarkeit der Stimmenauszählung durch die Bürger zur Voraussetzung für den Einsatz elektronischer Wahlsysteme gemacht.
Vertreter von Organisationen, die E-Voting ablehnend gegenüberstehen, sind diesmal nicht im Vortragsprogramm aufgeführt. Das liege daran, dass von dieser Seite kein Vortrag zur wissenschaftlichen Vorprüfung eingesandt worden sei, so Kripp. Unter den Teilnehmern befänden sich trotzdem auch zahlreiche Kritiker. Neben dem Wissenschaftsministerium und dem Innenministerium als Partner habe man diesmal auch Sponsoren aus der Wirtschaft für die Veranstaltung gewinnen können, so Kripp, darunter die E-Voting-Systemanbieter Micromata und Scytl.
Eines der Themen auf dem diesjährigen Kongress ist die End-to-end Verification, also die Möglichkeit für den Bürger, die Abgabe der Stimme und deren korrekte Auszählung rückverfolgen zu können. Das könne durch Einführung von Prüfcodes erreicht werden, so Krimmer. Man könnte jeden Stimmzettel mit einer Seriennummer versehen und jede der darauf aufgeführten Wahloptionen mit einem eigenen einmaligen, per Zufallsverfahren generierten Prüfcode. Der Stimmzettel wäre dann mit einem abzutrennenden Abschnitt versehen, auf der die Seriennummer stehe und der Wähler seinen Prüfcode eintragen könne.
Vertrauen durch Kontrolle
Später könne der Wähler damit in einem öffentlichen Register nachsehen, ob der Seriennummer seines Wahlzettels der korrekte Prüfcode zugeordnet worden sei. Da der zufällig generierte Prüfcode keine Rückschlüsse über die gewählte Option zulasse, ließe sich so auch das Problem des Stimmenkaufs lösen, denn der Prüfcode sage nur dem Wähler selbst etwas und könne nicht als Quittung benutzt werden. "Das System kann auch bei Papierwahlen eingesetzt werden", so Krimmer, "man bräuchte dafür nur einen Scanner. So ließe sich das Vertrauen der Wähler in das Wahlsystem steigern. Allerdings ist in Österreich das Vertrauen in den korrekten Ablauf von Wahlen ohnehin sehr hoch."
Um den ersten großen Einsatz eines E-Voting-Systems in Österreich, nämlich jenen bei der ÖH-Wahl 2009, wird es auch auf der Konferenz in Bregenz gehen. Robert Krimmer, der das Wissenschaftsministerium bei der Einführung des Systems beraten hat, wird über die gemachten Erfahrungen berichten, auch zu den Angriffen auf das System wird es einen Vortrag geben.
E-Voting bei der ÖH-Wahl
Aus Sicht von e-voting.cc war der Einsatz des E-Voting-Systems bei der ÖH-Wahl ein Erfolg. Robert Krimmer zeigte sich auf Anfrage von ORF.at auch der jüngsten Beschwerde der Grünen gegenüber skeptisch, die am 1. Juli am Verfassungsgerichtshof eingereicht wurde. "Das ist politisches Geplänkel", so Krimmer, "der Klagereigen wird sicher weitergehen. Die ersten Beschwerden hat der VfGH bereits abgewiesen. Traditionell ist er in Fragen, die Selbstverwaltungskörperschaften betreffen, immer liberaler als bei jenen, in denen es um Gebietskörperschaften geht."
Für Manuel Kripp hat es beim ÖH-E-Voting schwerwiegende Probleme gegeben. Zunächst seien nicht alle relevanten Gruppen in den Plan eingebunden worden, man habe das E-Voting-System gegen den Widerstand der ÖH durchgesetzt. Außerdem habe man zu wenig Zeit gehabt, das System zu entwickeln und die Interessensgruppen auf dessen Einsatz vorzubereiten. Bei einem vergleichbar komplexen E-Voting-Vorhaben in Norwegen habe man sich fünf Jahre Zeit gelassen.
Problem Code-Einsicht
Robert Krimmer sieht darüber hinaus die mangelnde Verbreitung der Bürgerkarte als Problem für E-Voting in Österreich. Das könne sich jedoch mit dem neuen TAN-basierten System ändern, das seit Jahreswechsel als Ergänzung zum Bürgerkartensystem angeboten wird. Kritik an der mangelnden Transparenz der E-Voting-Systeme lässt Krimmer gelten.
Die Hersteller der Wahlsysteme würden langsam umdenken und ihren Quellcode zur Einsicht freigeben. Krimmer: "Das wird immer weniger ein Problem." Er räumt aber auch ein, dass die Quellcode-Einsicht des bei der ÖH-Wahl verwendeten Systems des spanischen Herstellers Scytl "nicht optimal" gelaufen sei, die Prüfung durch Experten und Laien sei zu stark eingeschränkt gewesen, hier müsse man in Zukunft "offener herangehen".
E-Voting-Kritiker wie die Informatiker Peter Purgathofer und Barbara Ondrisek hatten dagegen protestiert, dass ihnen als Experten nur im Rahmen einer eintägigen Veranstaltung am 8. März Einblick in den Quellcode der digitalen Wahlurne gewährt worden war. Komplexer Code sei in einer so kurzen Zeit nicht zu prüfen, so ihre Kritik.
E-Voting in Österreich
Das Ende für E-Voting in Österreich sehen Krimmer und Kripp nicht gekommen, auch wenn Wissenschaftsministerin Beatrice Karl den Einsatz von E-Voting bei der nächsten ÖH-Wahl ausgeschlossen hat. Krimmer sieht einen wachsenden Bedarf nach E-Voting-Systemen: "Wir erleben einen Übergang von der territorialen zur globalen Gesellschaft, daher brauchen wir Werkzeuge für die transnationale Demokratie."
Ein Schritt in diese Richtung sei das geplante EU-Volksbegehren, das Bürgern ermöglichen werde, Themen auf die Agenda der EU zu setzen. Wenn die Bürger über elektronische Wahlsysteme auf EU-Ebene mitreden könnten, würden sie sich bald fragen, warum ihnen diese Option auf nationaler Ebene fehlte. Aber auch die alltäglichen und teilweise banalen Votings im Netz, beispielsweise im Rahmen von Casting-Shows im Fernsehen, würden die Stimmabgabe über das Internet zur Gewohnheit machen.
So erwarten die Experten von e-voting.cc einen weiteren Einsatz eines E-Voting-Systems in Österreich in etwa zehn Jahren.
(futurezone/Günter Hack)