© ORF.at/Nadja Igler, Spieler vor einem TV-Schirm

Kinect und Move: Die Erben von Nintendos Wii

GAMES
14.07.2010

Mit den Bewegungssteuerungen Kinect und Move rittern Microsoft und Sony ab Herbst um neue Zielgruppen, die bisher von Nintendos Wii versorgt wurden. Damit enden die Gemeinsamkeiten der zwei Systeme auch schon wieder, denn jedes hat seine eigene Technologie und vor allem unterschiedliche Einsatzgebiete. Sonys Move punktet mit Präzision, Microsofts Kinect mit Bewegungsfreiheit.

Als Nintendo 2006 seine Wii-Konsole auf den Markt brachte, traute die technisch hochgerüstete Konkurrenz von Microsoft und Sony dem neuartigen Spielkonzept mit Bewegungssteuerung wenig Erfolg zu. Knapp 71 Millionen verkaufte Wiis später (per Ende März 2010) wollen Sony und Microsoft nun ebenfalls ein Stück vom erfolgversprechenden Kuchen. Diese Woche zeigten die beiden Hersteller in Wien die finale Hardware sowie kommende Spieletitel, die im Herbst (Move am 15. September, Kinect im Laufe des Novembers) auf den österreichischen Markt kommen werden.

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Das Einsteigerpaket von Move (Kamera, Controller, Software-Demos und drei Titel aus dem PlayStation-Netzwerk) wird 59,90 Euro kosten, der Controller 39 Euro, der Navigationscontroller 29 Euro. Die Preise für Kinect (vorher "Project Natal") sollen wie der genaue Launch-Termin in den kommenden Wochen bekanntgegeben werden.

Weder Microsoft noch Sony versuchten zu verbergen, dass der Erfolg der Wii Anlass für die Entwicklung eigener Bewegungssteuerungen war. Beide Anbieter versicherten jedoch, dass ihr jeweiliges System einzigartig sei und Spielen in einer neuen Dimension ermögliche. Zumindest optisch haben die Hersteller recht: Sowohl Microsofts Xbox 360 als auch Sonys PlayStation 3 haben genug Rechenkapazität für eine optisch ansprechende und detailreiche Grafikdarstellung - ein Bereich, in dem Nintendos Wii nicht ganz so glänzen kann.

Microsoft setzt auf Kamera und Infrarot

Bei der Technik geht Microsoft neue, aber nicht völlig unbekannte Wege: Statt wie Sony (und Nintendo) dem Spieler Controller in die Hand zu drücken, wird bei Microsofts Kinect der Raum mit Hilfe einer Infrarotkamera gerastert, ein entsprechender Sensor nimmt die Informationen auf. Zusätzlich hat Kinect eine gewöhnliche Digitalkamera zur Erfassung der Spieler eingebaut. In Kombination mit den richtigen Algorithmen soll Kinect mit dieser Technik bis zu sechs Personen an ihrem Gesicht erkennen und automatisch dem richtigen Spielerprofil - so auf der Konsole gespeichert - zuordnen können. Zum Start im November ist diese Fähigkeit von Kinect allerdings auf zwei Personen beschränkt.

Wie Sonys Move (als Teil der PlayStation-Eye-Kamera) hat Microsofts Kinect eine Reihe von Mikrofonen in der Hardware integriert, die eine gute Soundqualität liefern. Sie sollen auch eine Steuerung des Microsoft-Dashboards über Sprache ermöglichen. Grundsätzlich sind beide Systeme rein über die Bewegungssteuerung bedienbar.

Sony misst die Lage mit Sensoren

Sony nutzt bei Move ebenfalls eine Kamera, wichtigster Gegenstand ist hier allerdings der Controller. Darin verbaut ist neben einem Beschleunigungssensor und einem Gyroskop auch ein Erdmagnetfeldsensor. Damit das System die Tiefe richtig erkennt, nimmt die Kamera die in bis zu 360 verschiedenen Farben leuchtende Kugel aus weichem Plastik auf, die am Ende des Controllers sitzt.

Aus der Größe der Kugel kann das System in Kombination mit den anderen Sensordaten, die via Bluetooth an die Konsole geschickt werden, den Abstand des Controllers zur Kamera errechnen (eine kleine Kugel im Bild bedeutet, dass der Controller weiter weg ist, eine große Kugel heißt, der Controller ist näher bei der Kamera). Auch hier braucht es die passenden Algorithmen, um aus der Fusion unterschiedlicher Sensoreninformationen die besten Daten herauszufiltern und richtig zu verarbeiten. Bis zu vier Move-Controller können an einer PlayStation 3 genutzt werden.

Voller Körpereinsatz bei Kinect

Jede Technologie habe ihre Vorteile, wie die Hersteller nicht müde werden zu betonen: Bei Microsoft kann sich der Spieler völlig losgelöst von der Hardware ganz dem Spielerlebnis widmen - alle Eingaben lassen sich allein über die Bewegungen des Körpers tätigen. Bei den gezeigten und getesteten Spielen wie "Kinect Adventures", "Kinect Sports" (beide Microsoft) und "Dance Central" (von Harmonix) heißt es Einsatz zeigen, denn es wird gelaufen, gehüpft, geboxt und getanzt.

Auch bei "Your Shape Fitness Evolved" (Ubisoft) stehen einem schnell die Schweißperlen auf der Stirn, wenn das Programm einen etwa dazu auffordert, bei den Übungen die Knie höher hinaufzubringen. Das System zeigt dem Spieler umgehend an, ob er sich richtig bewegt und die Übungen korrekt durchführt - ein nicht zu unterschätzender Vorteil, denn der Benutzer kann sich schnell den Anforderungen anpassen.

Präzise Interaktion bei Move

Bei Sonys Move basiert die Interaktion bei den gezeigten Spielen rein auf den Controllern, obwohl Sony mit Eye Toy bereits einige Erfahrung im Bereich Bewegungserkennung mittels Kamera gesammelt hat. Das erklärte Senior Researcher Richard Marks beim Test gegenüber ORF.at damit, dass man nur mit einer Kamera nicht alle Anforderungen umsetzen könne - gerade im Bereich hoher Präzision und unterschiedlicher Eingabemöglichkeiten: "Es ist das Beste aus beiden Welten."

Bei den Spielen vor Ort bewies Move dann tatsächlich eine hohe Präzision - mit entsprechendem Schwierigkeitsgrad: Beim virtuellen Frisbeewerfen etwa hängt die Flugrichtung der Scheibe wie im echten Leben vom Neigungswinkel des Handgelenks beim Loslassen ab. Hier können kleinste Abweichungen enorme Unterschiede ausmachen. Auch beim Tischtennisspielen kommt es auf die passende Schlägerhaltung an, damit der Ball richtig fliegt.

Action vs. Genauigkeit

Marks zeigte bei der Präsentation noch eine Reihe technischer Demos, die das grundsätzliche Potenzial von Move durchaus eindrucksvoll darstellten, vor allem im Bereich Tiefe und genauer Manipulation von Gegenständen. In Kombination mit 3-D-Fernsehern sieht Marks darin die größte Stärke von Move. Hier kann Kinect vorerst nicht ganz mithalten, auch wenn an der zugrunde liegenden Software noch gearbeitet wird. Zwar macht die körperintensive Bewegung großen Spaß, die Eingabegenauigkeit ist für komplexere Spiele abseits der gezeigten Party- und Work-out-Spiele derzeit aber nicht ausreichend. Beim Bowling etwa reicht es, die Hand Richtung Bowlingkugel auszustrecken, damit der Avatar auf dem Schirm diese aufnimmt. Der Wurf selbst ist ebenfalls nicht ganz so präzise durchführbar.

Allerdings sind Partyspiele das erklärte Ziel Microsofts, denn der Xbox 360 wurde lange nachgesagt, mit ihrer Spielauswahl vor allem Männer anzusprechen und die Frauen zu vernachlässigen. "Wir haben etwas aufzuholen", gab dann auch der Produktverantwortliche Thomas Kritsch von Microsoft Österreich zu. Sony hat für Frauen, etwa mit "Singstar", zwar mehr zu bieten, doch auch Move soll vermehrt Casual Gamer und die weibliche Zielgruppe ansprechen.

Sony verliert nicht die bereits geübteren Spieler aus den Augen, "Heavy Rain" und "Soccom" etwa werden ebenfalls mit dem Move-Controller spielbar sein, in der Folge sollen noch weitere "große" Spiele wie etwa Action-Adventures per Move steuerbar sein. Inwieweit das wirklich zu einem intensiveren Spielerlebnis beiträgt, wird sich zeigen: In Wien war etwa "Heavy Rain" noch nicht richtig spielbar, obwohl der Patch zum Spiel im Oktober veröffentlicht werden soll. Für Kinect kündigte Microsoft das Autorennspiel "Forza" an.

Einstieg in eine neue Dimension der Virtualität

Trotz der (derzeit) noch höheren Ungenauigkeit könnte Kinect dafür ein guter Weg für einen breiteren Einstieg in eine virtuelle Realität im eigenen Wohnzimmer sein, da der Nutzer hier am wenigsten abgelenkt wird und die "Eingabe" beziehungsweise Interaktion im Vergleich zu den anderen Systemen am direktesten und natürlichsten ist. Hier muss man abwarten, was sich die Entwickler abseits der Partyspiele noch einfallen lassen - das gilt allerdings für beide Systeme.

Sowohl Kinect als auch Move machen Spaß - das macht aber Nintendos Wii auch. Microsoft und Sony werden sich ein paar gute (Software-)Gründe überlegen müssen, damit die Nutzer in zusätzliche Peripherie - die billiger ist als eine Wii - investieren oder ein ganzes System kaufen. Dafür sind die Xbox 360 und PlayStation 3 mit der Bewegungssteuerung breiter aufgestellt als Nintendos Wii, bei der mitunter ein Mangel an tiefer gehenden Spielen beklagt wird. Es bleibt abzuwarten, womit Nintendo auf Move und Kinect reagiert - der "Vitality Sensor" für die Wii hat sich abseits einer Ankündigung 2009 bisher noch nicht weiter materialisiert.

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(futurezone/Nadja Igler)