Die Hampelkonsole: Feinmotorik war gestern
Mit Microsofts neuem Spielesystem Kinect soll der Couch-Potato endlich dynamisch werden und Streichelzoo-Ausflüge zu zahmen Kuscheltigern unternehmen. Dabei ist an dem System nicht nur der Name irgendwie merkwürdig. Mit Milo hat es auch einen virtuellen kleinen Bruder zu bieten.
Mitspielen ist, wenn man rumfuchtelt. Das machen Fußballfans vor der Glotze (Bier hilft), das machen kleine Kinder, wenn sie auch mitspielen wollen (Tränen helfen), und das machen Besitzer einer Fuchtelkonsole. Denn Feinmotorik war gestern. Der Trend geht zum Fuchteln und Fummeln.
Zum Weihnachtsgeschäft will Microsoft mit Kinect den Gamermarkt bewegen. Ohne Controller, nur mit der puren Anwesenheit eines vor sich hintaumelnden Couch Potatoes soll diese Wunderhardware verstehen, wie ein Spieler vor dem Bildschirm zum Beispiel ein virtuelles Schlauchboot steuern will. Und dann steuert es das Schlauchboot eben so. Blöd, wenn Mama mit dem Staubsauger zwischendurch läuft, vermutlich verliert das Flussgefährt dann sofort Luft und geht unter. Danke, Mama.
Aber Actionspiele sollen da gar nicht das Salz in der Suppe sein. Kinect packt den Tiger in die Box, zum Streicheln, Liebhaben und Kuscheln. Was man mit Raubtieren eben so macht. Das kennen wir alle vom Urlaub auf dem Bauernhof.
Und Kinect legt noch einen oben drauf. Milo ist ein virtueller Charakter, der mit seinen simulierten vier Jahren neugierig aus dem Bildschirm schaut und alles lernen will, was man ihm vormacht. Das muss schon irgendwie drollig sein und klingt ein bisschen nach "Mama, ich habe den Nachbarswicht geschrumpft und hinter einem LCD-Panel geparkt".
Aber halt. Märchenwelten, atomarer Erstschlag, Monte Carlo Racing oder meinetwegen auch "Shrek meets zweiter Weltkrieg", dafür waren diese Game-Konsolen mit Controller ganz brauchbar. Nichts ärgert die Mama ja so sehr wie D-Day im Wohnzimmer oder virtuelles Ungetier, das versucht, Papa aus dem Fernsehsessel zu fressen. Also simuliert man das besser mittels Computer. Aber warum, um Himmels Willen, soll ein vernünftig denkender Heranwachsender nun plötzlich Milo zeigen, wie man in der Nase popelt?
Willenlose Avatare, die alles machen, was man sagt, gibt es doch schon lange. Die heißen "jüngerer Bruder", werden von Mama und Papa in unregelmäßigen Abständen gezeugt und kosten höchstens mal die Hälfte der eigenen Nachspeise.
Außerdem kann man die richtig real verprügeln, wenn sie nicht parieren und muss sie nicht warmstarten. Notfalls gibt man die sehr effizient bei Mama ab, wenn sie gar nicht spuren. Versuch das mal mit Milo.
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(Harald Taglinger)