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Hulu: Expansion im Minenfeld

NEO-TV
24.07.2010

Der populäre US-amerikanische Web-TV-Dienst Hulu versucht sich an einem Bezahlangebot, will aber gleichzeitig kein Kabel-TV-Konkurrent sein. Fusionsgelüste zwischen NBC Universal und dem Kabelnetzbetreiber Comcast drohen das Projekt zu zerreiben. Eine internationale Expansion scheint derzeit ausgeschlossen zu sein.

Zur Person:

Janko Röttgers ist Experte für digitale Medien und arbeitet als Redakteur des Onlinemagazins Newteevee.com in San Francisco.

In den nächsten Wochen wird er im Rahmen der futurezone.ORF.at-Serie "Neo-TV" von der schönen neuen Onlinefernsehwelt berichten. Die Artikelübersicht ist unter der folgenden Adresse abrufbar:

Anfang des Jahres hieß es für Jason Kilar: Haare ab! Der CEO des in Los Angeles ansässigen Web-TV-Anbieters Hulu.com hatte seinen Mitarbeitern im letzten Jahr versprochen, dass sie ihm den Kopf scheren dürften, wenn die Firma ihr Umsatzziel übertreffe. "Ich dachte mir, ich sei auf der sicheren Seite, weil es ein aggressives Ziel war", erklärte Kilar dazu gegenüber USA Today. Als die Zahlen dann intern vorlagen, war die Begegnung mit dem Rasierer allerdings unabwendbar.

Beim Unterhaltungsriesen Viacom zeigte man sich jedoch wenig beeindruckt von Kilars Stunt. Der Konzern, dem unter anderen der Musiksender MTV und der Kabel-TV-Kanal Comedy Central gehören, kündigte im März kurzerhand die Zusammenarbeit mit Hulu auf. Innerhalb weniger Wochen verschwanden damit Jon Stewarts "Daily Show", der "Colbert Report" und eine Reihe weiterer Erfolgsshows aus Hulus Onlineangebot. Zur Begründung hieß es dazu von Viacom lapidar, Hulu habe einfach nicht genug Geld eingebracht.

Hulus Videos sind nur für US-Internetnutzer abrufbar. Über eine internationale Expansion des Dienstes wird bereits seit zwei Jahren spekuliert, doch Ableger außerhalb des englischen Sprachraums sind derzeit eher unwahrscheinlich.

Vielversprechender Start

Hulu wurde Anfang 2007 als Joint-Venture der beiden Hollywood-Giganten NBC Universal und Fox gegründet, um Fernsehprogramme kostenlos und werbefinanziert im Netz verfügbar zu machen. Blogger und Branchenkenner waren anfangs skeptisch, doch Hulu überzeugte sie schnell mit einer soliden Webpräsenz und einem stetig wachsenden Katalog von Film- und Fernsehtiteln.

Als die Plattform im Oktober 2007 den geschlossenen Betatest begann, war das Angebot auf Inhalte der beiden Gründungsfirmen beschränkt. Mittlerweile hält man mehrere Tausend Shows und Spielfilme von mehr als 225 Anbietern zum Abruf bereit. Die neuesten Folgen von Erfolgsshows wie "Dr. House", den "Simpsons" und "Desperate Housewives" finden sich bereits am Tag nach ihrer Fernsehausstrahlung bei Hulu, und die Werbeblöcke sind deutlich kürzer als im klassischen Fernsehen.

1,1 Milliarden Videos im Mai

Kostenloses Fernsehen im Netz: Das kommt an. Hulus Nutzer schauten sich im Mai 1,1 Milliarden Videos an. Über Finanzen schwieg sich die Firma lange Zeit aus, doch Kilar ließ die "New York Times" kürzlich wissen, wie viel ihm seine Haare wert waren: Mehr als 100 Millionen US-Dollar setzte Hulu demnach im letzten Jahr um. Dieses Jahr wolle man diese Nummer bereits im Sommer erreichen.

Rechteinhaber bekommen von diesem Kuchen zwischen 50 und 70 Prozent, doch manchem ist das nicht genug. So befürchten Vertreter von Fernsehsendern, dass Hulu mit seinen kostenlosen Streams zu Umsatzeinbrüchen im Geschäft mit TV-Show-DVDs führen könnte. Die Plattform möchte solchen Sorgen mit einem neuen Angebot namens Hulu Plus begegnen, mit dem man Nutzer seit Ende Juni erstmals zur Kasse bittet.

Ein Bezahlangebot mit Werbung

Wer knapp zehn Dollar pro Monat bezahlt, bekommt dafür Zugriff auf alle jemals veröffentlichten Folgen von "Grey's Anatomy", "Heroes", "The Office" und anderen populären Shows. Nicht zahlenden Nutzern bietet die Site dagegen oft nur eine Handvoll Episoden einer Show an. Hulu-Plus-Nutzer können zudem auch per iPad, iPhone und Playstation 3 auf die Website zugreifen. Auch für TVs von Samsung gibt es bereits eine Hulu-Plus-Applikation, Unterstützung für die Xbox und weitere Endgeräte ist für die nächsten Monate geplant.

Bisher gibt es Hulu Plus nur als Betatest für eingeladene Nutzer, doch die Reaktionen auf das Angebot sind eher gemischt. Vielen Nutzern stößt es übel auf, dass sie trotz der monatlichen Gebühr weiterhin Werbung zu sehen bekommen. Verwirrend ist zudem, dass Hulu-Plus-Nutzer auf dem iPad und der Playstation 3 keinen Zugriff auf zahlreiche Inhalte der kostenlosen Hulu-Webversion haben. Der Grund für diese Diskrepanz: Hulus Verträge mit Rechteinhabern sind nur für das Anzeigen von Inhalten auf Computern. Für andere Endgeräte muss die Firma im Rahmen ihres Plus-Angebots separate Lizenzvereinbarungen schließen.

Das Web und das Wohnzimmer

Diese Unterscheidung zwischen Web-TV auf dem PC und Internetapplikationen auf Mobiltelefonen und Fernsehern ist tief verwurzelt in Hollywoods DNA. Hulus Financiers sind es gewohnt, Filme und Fernsehserien innerhalb sogenannter Fenster zu veröffentlichen. Ein Film kommt erst ins Kino, dann auf DVDs, dann ins Bezahlfernsehen und schließlich ins kostenlose TV-Programm. Das Web ist nach dieser Logik einfach nur ein weiteres Fenster - ein Markt, der separat von Fernseher und Wohnzimmer bedient wird.

Doch diese Logik deckt sich nicht mit den Plänen anderer Web-TV-Vorreiter. So veröffentlicht Google im Herbst gemeinsam mit Sony und Logitech die ersten Google-TV-Produkte, mit denen man die Grenzen zwischen TV-Inhalten und Webvideo verwischen will. Konflikte sind dabei programmiert.

Knoten in der Verwertungskette

Während einer ersten Präsentation der Plattform führten Google-Mitarbeiter im Mai vor, dass sich mit Google TV auch Hulus Katalog durchsuchen lässt. Auf mehrfache Nachfrage von Pressevertretern musste Googles Vizepräsident Vic Gundotra jedoch schließlich zugeben, nicht garantieren zu können, dass sich Hulus Inhalte auch tatsächlich mit Google TV abspielen lassen werden. Diese Entscheidung liege letztlich bei den Rechteinhabern, so Gundotra.

Ob Hulu diese Grenzen zwischen Web-TV und Internet-Video auf dem Fernseher langfristig aufrechterhalten kann, bleibt fraglich. Google TV basiert auf dem Open-Source-Betriebssystem Android. Damit dürfte es nur eine Frage der Zeit sein, bis Entwickler eine Applikation programmieren, die den Zugriff auf die Webversion des Angebots ermöglicht. Und wer seinen PC an den Fernseher anschließt, kann schon jetzt kostenlos anschauen, was zahlenden Hulu-Plus-Nutzern verwehrt bleibt.

Keine Konkurrenz zu Kabel

Erfolgversprechender könnten dagegen exklusive Inhalte für das Bezahlangebot sein. Viele US-Fernsehzuschauer zahlen ihren Kabelnetzbetreibern saftige Aufpreise für Pay-TV-Sender wie Showtime und HBO. Wenn sich Hulu die Rechte für einige dieser Inhalte sichern könnte, wäre das sicher nicht wenigen Zuschauern zehn Dollar pro Monat wert.

Hulu-CEO Kilar hatte jedoch erst kürzlich wieder beteuert, dass seine Firma kein Konkurrenzangebot zum Kabelfernsehen sein will. Solche Versprechen kommen nicht von ungefähr. Hulu-Miteigentümer NBC Universal strebt derzeit eine Fusion mit Comcast an - einer Firma, die unter anderem der größte Anbieter von Kabelfernsehen in den USA ist. Zwar hat Comcast gerade diese Woche vor US-Wettbewerbshütern beteuert, dass man Internetvideo-Angebote nicht als Konkurrenz betrachtet.

Doch Kilar weiß, dass er es sich mit Comcast nicht verscherzen darf. Würde er Hulu als direkte Konkurrenz zum Bezahlfernsehen positionieren, dann könnte ihn das weit mehr kosten als nur seine Haare.

(Janko Röttgers)