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Vorratsdatenspeicherung: Kritik und Prüfung

KONTROLLE
27.07.2010

Auch der jüngste Versuch von Infrastrukturministerin Doris Bures (SPÖ), die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung umzusetzen, stößt seitens Datenschützern, Verbänden, Grünen und BZÖ auf Kritik. Das Justizministerium kündigte an, den jüngsten Entwurf für die Umsetzung nun genau prüfen zu wollen.

Am Grundrechtseingriff der Datenaufzeichnung ohne Verdacht ändere sich dabei nichts, hieß es am Dienstag etwa seitens der Arge Daten. Nicht zufrieden sind auch die Grünen, das BZÖ und die Ärztekammer.

"Das Ganze ist natürlich gut gemeint", sagte Arge-Daten-Leiter Hans Zeger zur APA. "Da klingt mit, dass es eigentlich nicht gut gemacht ist." Praktikabel wäre seiner Ansicht nach nur, von der verdachtsunabhängigen Datenspeicherung völlig abzugehen. "Das ist auch die einzig langfristig grundrechtlich vertretbare Vorgangsweise", sagte er. Die geplante Ausnahmeliste für Berufsgeheimnisträger sei zwar grundsätzlich positiv, aber unpraktikabel und bei weitem nicht ausreichend.

Evaluierung auf EU-Ebene

Zeger hält eine grundrechtskonforme Umsetzung der betreffenden EU-Richtlinie gar nicht für möglich. Dementsprechend hofft er auf die im September erwartete Evaluierung auf EU-Ebene, die - so die Hoffnung des Datenschützers - einen Schwenk zur verdachtsabhängigen Speicherung bringen könnte. Er glaube nicht, dass Österreich vor dieser Stellungnahme der EU-Kommission tätig werden sollte, meinte Zeger.

Auch für die Telekommunikationssprecherin der Grünen, Gabriela Moser, ist der jüngste Bures-Vorstoß "in einem schlechten Zeitpunkt ein unnötiger Schritt in die falsche Richtung". Österreich solle weiterhin auf diese "grundrechtswidrige Massenüberwachung" verzichten, so die Grüne.

Kritik von Grünen und BZÖ

Für Albert Steinhauser, Justizsprecher der Grünen im Nationalrat, stecken die Probleme auch im Detail. So würde die Polizei ohne richterliche Genehmigung in bestimmten Fällen Zugriff auf Vorratsdaten bekommen. Auch für "nicht schwere Straftaten" solle der Zugriff ermöglicht werden, Richter könnten auch bei leichteren Delikten Zugriff auf die Vorratsdaten anordnen. Dabei sei die Richtlinie ursprünglich zur Bekämpfung von Schwerstkriminalität und Terrorismus gedacht gewesen. Steinhauser sieht durch die pauschale Speicherung weiterhin rechtsstaatliche Grundprinzipien verletzt.

BZÖ-Justizsprecher Ewald Stadler erteilte dem "Überwachungsentwurf" ebenfalls eine Absage. Er forderte die Bundesregierung zum "Boykott des Datenstriptease" gegenüber der EU auf, das wäre "ein deutliches Zeichen gegen den Überwachungsstaat und seine Auswüchse".

Ärzte: Daten bleiben gespeichert

Skeptisch ist man auch in der Ärztekammer, wo man auf das ärztliche Berufsgeheimnis pocht. Eine Robinsonliste sei nur eine "halbe Lösung", die Daten blieben trotzdem gespeichert. Missbrauch zum Nachteil der Patienten sei zu befürchten, so ein Sprecher in einer ersten Reaktion.

Ähnliche Befürchtungen hegt man in der Journalistengewerkschaft. Die im Entwurf festgelegte Wahrung des Redaktionsgeheimnisses sei ein richtiger Ansatz, es gelte aber insgesamt den Schutz der freien Meinungsäußerung für alle Staatsbürger im Auge zu behalten, so Vorsitzender Franz C. Bauer.

Anwälte für Abwarten

Auch der Österreichische Rechtsanwaltskammertag (ÖRAK) rät bei der Umsetzung der EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung zur Zurückhaltung. Man solle die angekündigte Evaluierung abwarten, sagte ÖRAK-Präsident Gerhard Benn-Ibler am Dienstag auf APA-Anfrage. Seiner Ansicht nach ist in der EU ein Umdenken in dieser Frage bemerkbar.

Der nun von Verkehrsministerin Bures vorgelegte Entwurf bringe sicherlich Verbesserungen gegenüber den zuvor geplanten Änderungen des Telekommunikationsgesetzes. "Aber es stellt sich schon die Frage, ob so ein Entwurf überhaupt noch sinnvoll ist, auch wenn eine Verurteilung Österreichs und anderer Länder (vor dem EuGH, Anm.) droht", sagte er. "Wir sind hier in Verzug, aber es wird nichts passieren, wenn wir uns weiter Zeit lassen bei diesem Umfeld."

Justizministerium prüft Vorschlag

Das Justizministerium will den Ball wieder ins Infrastrukturministerium zurückspielen. Das Telekommunikationsgesetz falle "eindeutig in den Zuständigkeitsbereich der Verkehrsministerin", hieß es am Dienstag in einer Mitteilung aus dem Haus von Claudia Bandion-Ortner. Bures hatte am Montag darauf hingewiesen, dass Justiz- und Innenministerium nun in der Strafprozessordnung festlegen müssten, ab welchen Straftaten die Informationen aus der Data-Retention verwendet werden dürfen.

Das Justizministerium will die Data-Retention nicht nur gegen Schwerstkriminalität und Terrorismus einsetzen, sondern auch gegen "Internetbetrügereien", wie es in der Mitteilung heißt. Man werde den vorliegenden Text des Entwurfs nun "in Ruhe bewerten". Die Umsetzung der Data-Retention-Richtlinie dürfe "nicht zu einer Einschränkung der bisherigen Ermittlungsmaßnahmen führen".

SPÖ: EU-Evaluierungsbericht abwarten

Johann Maier, Datenschutzexperte der SPÖ-Fraktion im Nationalrat, unterstützte in einer Aussendung vom Dienstag den Plan von Infrastrukturministerin Bures, mit dem Beschluss des Gesetzes das Ergebnis der laufenden Prüfung der Data-Retention-Richtlinie durch die EU-Kommission abzuwarten. Im Rahmen dieser Prüfung könnten sich noch Änderungen ergeben. Er forderte Justiz- und Innenressort dazu auf, "ihre vorläufigen Vorstellungen zur Novelle der Strafprozessordnung und des Sicherheitspolizeigesetzes (...) bekanntzugeben".

Beim weiteren Vorgehen sei der sehr kritische Bericht der Artikel-29-Gruppe der EU-Datenschützer zu berücksichtigen. Maier: "Sie betrachten die Vorratsdatenspeicherung als gescheitert, darüber hinaus kann aus ihrer Sicht derzeit in Anbetracht der unvertretbaren Kosten und des Aufwandes kein wirklicher Nutzen nachgewiesen werden. Zu Recht wird daher die Vorratsdatenspeicherung als nicht verhältnismäßig und nicht vereinbar mit der Europäischen Grundrechtecharta gesehen. Es fehlt bisher der Nachweis, dass die Vorratsdatenspeicherung einen besseren Schutz vor Kriminalität bringt. Das gilt auch für die Internetkriminalität."

Maier verweist auf Deutschland, wo die Aufklärungsquote bei der Internetkriminalität auch nach Einführung der Vorratsdatenspeicherung nicht gestiegen sei. Statt der pauschalen Data-Retention sei die Einführung eines Quick-Freeze-Verfahrens wie in den USA zur gezielten Verfolgung von Straftaten sinnvoller.

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(APA/futurezone)