© Reuters/Heinz-Peter Bader, Bwin-Logo auf Hausdach

Nach Fusion verlässt bwin Wiener Börse

KONZERNE
29.07.2010

Nach dem Zusammenschluss des österreichischen börsennotierten Onlinesportwettenanbieters bwin und der britischen PartyGaming wird bwin die Wiener Börse verlassen. Wie viele Arbeitsplätze in Österreich verloren gehen, ist noch unklar. Börsenvorstand Heinrich Schaller bedauert den Abgang.

Nach mehr als einem Jahr zäher Verhandlungen ist es fix: Der österreichische börsennotierte Onlinesportwettenanbieter bwin und die britische PartyGaming schließen sich zusammen. Die beiden Unternehmen gründen eine neue Gesellschaft mit Sitz auf Gibraltar, die an der Londoner Stock Exchange - "wahrscheinlich" auch im Leitindex FTSE 100 - notieren wird.

Ein möglicher Mitarbeiterabbau in Wien werde sich "nicht dramatisch abspielen", so Norbert Teufelberger. Weil die neue Holding-Gesellschaft ihren Sitz in Gibraltar haben wird, werde es jedoch "die ein oder andere Einsparung geben". Die Synergien, die sich aus dem rund 2,5 Mrd. Euro schweren Deal ergeben, seien aber "nicht unbedingt Mitarbeitersynergien".

Aktien legten zu

An der Börse sorgte der Merger offenbar für Überraschung, hatte es doch zuletzt so ausgesehen, als ob der eigentlich seit langem erwartete Deal doch noch platzen könnte. In Wien wurden die bwin-Aktien kurzzeitig vom Handel ausgesetzt, schon vor der Ad-hoc-Meldung war der Kurs um zwölf Prozent hochgesprungen. Nach der Handelswiederaufnahme schnellten die Papiere gegenüber dem Vortagesschluss sogar um bis zu 27 Prozent nach oben. Möglicherweise interessiert sich auch die heimische Finanzmarktaufsicht (FMA) für die großen Kursbewegungen der bwin-Aktie: "Wir sehen uns alle Auffälligkeiten an", hieß es bei der Behörde.

Die in London notierte PartyGaming-Aktie wurde nicht ausgesetzt, hat aber heute bisher um rund 21 Prozent zugelegt.

Gemeinsamer Nettospielertrag von 682 Mio. Euro

Das neue Unternehmen, eine Gesellschaft nach Europäischem Recht (SE) mit noch unbekanntem Namen, wird laut Eigenangaben der weltweit größte - börsennotierte - Anbieter von Onlinespielen. Als noch größer werde etwa Pokerstar geschätzt, der zusätzlich über ein Echtgeldglücksspielangebot für US-Kunden verfüge, sagte bwin-Investor-Relations-Boss Konrad Sveceny.

Bwin und PartyGaming kommen gemeinsam auf einen Nettospieletrag von 682 Millionen Euro und ein Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) von 196 Millionen Euro, teilte PartyGaming mit. Die jährlichen Synergien wurden mit rund 55 Millionen Euro beziffert, davon davon etwa 42 Millionen Euro aus Kosteneinsparungen und 13 Millionen Euro aus Cross-Selling-Umsätzen.

Verpflichtung von Kernaktionären

Bwin wird an der neuen Gesellschaft 51,6 Prozent halten und PartyGaming 48,4 Prozent. Ein Pflichtangebot nach österreichischem Übernahmegesetz muss laut Sveceny nicht gestellt werden, da es sich um eine Verschmelzung handle. Die Kernaktionäre beider Gesellschaften haben sich bereits verpflichtet, in den jeweiligen außerordentlichen Hauptversammlungen, die für das erste Quartal 2011 geplant sind, zuzustimmen. Bei bwin sind das die New Media and Gaming Holding, der bwin-Aufsichtsrat Hannes Androsch sowie dessen Androsch Privatstiftung, die gemeinsam über 14,4 Prozent des Kapitals verfügen.

Bei PartyGaming müssen 28 Prozent der Aktionäre dem Merger zustimmen, nämlich die Emerald Bay, die Stinson Ridge, PartyGaming-CEO Jim Ryan sowie der Finanzchef Martin Weigold.

Bwin-Eigentümr sollen für eine Aktie 12,23 "New-PartyGaming"-Papiere bekommen. Eine Barabfindung wäre laut Sveceny maximal für 25 Prozent der Aktionäre möglich, da dem Deal mindestens 75 Prozent der jeweiligen Eigentümer zustimmen müssen.

Marken bleiben erhalten

Die beiden Marken PartyGaming und bwin bleiben erhalten und sollen entsprechend regional positioniert werden. Zuerst will sich das Unternehmen auf die Integration konzentrieren, dann auf die "europäische Konsolidierung und die Öffnung der nationalen Märkte", etwa in Frankreich oder in Dänemark, sagte Bodner. Sveceny: "Akquisitionen sind durchaus möglich. Wir schauen uns die verbleibenden Mitbewerber an." Auch in den Bereich Social Media will die neue Gesellschaft mit Übernahmen vordringen.

Für die Wiener Börse wurde der Deal hingegen als ein schwarzer Tag gesehen. "Man muss zur Kenntnis nehmen, dass die Wiener Börse austrocknet", konstatierte Kleinaktionärsvertreter Wilhelm Rasinger. Börsenvorstand Heinrich Schaller jedenfalls bedauert den Abgang, will aber mit dem Unternehmen noch über ein Zweitlisting in Wien sprechen.

Mit der Wiener Börse hat bwin noch keine Gespräche über ein Zweitlisting geführt. Teufelberger will das vorerst einmal mit PartyGaming besprechen. "Es gibt Pros und Cons."

Steuernachforderung von sechs Millionen Euro

Bwin sieht zudem den Standort Österreich durch eine "politische Weisung" bei einem Steuerbescheid "versauert", wie Co-Vorstand Manfred Bodner vor Journalisten sagte. Bwin wurde erst kürzlich mit einer Steuernachforderung von mehr als sechs Millionen Euro konfrontiert. Die Finanz ist der Ansicht, dass bwin wegen seiner Serverfarmen in Österreich von 2002 bis 2004 umsatzsteuerpflichtig wurde, bwin hingegen argumentierte, seinen Sitz in Gibraltar zu haben, und erhob Einspruch.

Wenn nötig, werde man die Causa bis in den höchste Instanz durchfechten, so Bodner. "Unsere Berater haben uns immer wieder versichert, wir sind im Recht." Doch "offensichtlich auf politischen Druck" sei dann trotzdem ein Bescheid verhängt worden - nach dreieinhalbjähriger Prüfung. Beim Konkurrenten bet-at-home habe man genau das Gegenteil, nämlich im Sinne des Unternehmens entschieden, echauffierte sich der bwin-Co-CEO.

"Hätte man sich anders verhalten", wäre die Standortfrage "vielleicht anders ausgegangen", pflichtete ihm sein Kollege Teufelberger bei.

Seitens der Wettbewerbshüter erwarten sich Bodner und Teufelberger "überhaupt keine Widerstände", immerhin sei der Marktanteil in manchen Ländern im niedrigen zwei- oder einstelligen Bereich.

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(APA)