Firefox 4: Mozilla am Scheideweg
Die vierte Version des freien Browsers Firefox nähert sich der Fertigstellung. Die Software trifft dabei auf einen Markt, der ungleich schwieriger ist als noch beim Start von Firefox 3 im Juni 2008. Auf dem Browser-Markt stagniert der Anteil von Firefox, und Google, der wichtigste Mozilla-Finanzier, entwickelt mit Chrome ein Projekt, das den Open-Source-Browser auf ureigenstem Terrain angreift. Mozilla-Produktstratege Jay Sullivan stellte sich den Fragen von ORF.at zu den anstehenden Herausforde
Zur Person:
Jay Sullivan ist Vice President of Products bei Mozilla und verantwortlich für Produktstrategie und -management. Der Yale-Absolvent arbeitete vorher als Manager und Entwickler bei Oracle, Information Resources und Firefly Network. Seine Erfahrung als Mitgründer und Produktverantwortlicher bei dem auf Mobilanwendungen spezialisierten Unternehmen PocketThis brachte er auch 2007 bei seinem Einstand in der Mozilla-Entwicklungsabteilung ein, wo er für das Synchronisationsprojekt Weave verantwortlich zeichnete. Sullivan ist seit 2008 unter anderem für die Entwicklung der Mobilversionen von Firefox zuständig.
ORF.at: Was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Eigenschaften von Firefox 4? Wie soll sich das Programm von der neueren Konkurrenz wie Google Chrome absetzen?
Jay Sullivan: Unser Leben im Netz ist reichhaltiger und komplexer geworden. Man nutzt das Web von verschiedenen Computern und anderen Geräten aus, die Leute nutzen im Verlauf des Tages verschiedene Sites und Webanwendungen und erwarten dabei mehr Möglichkeiten als früher. Firefox 4 passt in diese Umgebung, er soll das Web bedienungsfreundlicher machen und gleichzeitig den Entwicklern ermöglichen, Websites mit mehr Funktionen bereitzustellen. Außerdem soll Firefox 4 schnell und sicher sein und die Privatsphäre der Nutzer schützen. Wir haben uns bei Firefox 4 darauf konzentriert, die Benutzeroberfläche bedienungsfreundlicher und schlanker zu machen, damit möglichst viel Bildschirmfläche zur Anzeige der Inhalte zur Verfügung steht. Die Nutzer können den Browser nun einfacher den eigenen Bedürfnissen anpassen und Zusatzprogramme schneller ausfindig machen und installieren. Mittlerweile gibt es über 100.000 Add-ons für Firefox. Mit Firefox 4 werden Add-ons eingeführt, nach deren Installation man den Browser nicht neu starten muss. Der Anwender kann seine Browser-Umgebung übergangslos über mehrere Plattformen hinweg nutzen, über eine verschlüsselte Verbindung den Verlauf seiner besuchten Sites (History) sowie Passwörter und Lesezeichen mit mehreren stationären Rechnern und Mobilgeräten synchronisieren, auch mit dem iPhone. Dem Endanwender werden zuallererst die Änderungen an der Benutzerschnittstelle auffallen. Die Tabs sind nun im Browser-Fenster ganz nach oben gewandert. Damit sind sie deutlicher sichtbar und besser zu bedienen, zudem macht diese Lösung mehr Platz für Inhalte frei. Mit den neuen App Tabs können die Nutzer Webanwendungen, die sie häufiger benötigen, schneller aufrufen. Nicht zuletzt ist Firefox auch in der neuen Version ein wichtiger Faktor bei der Weiterentwicklung freier Standards für das offene Web. Wir unterstützen den freien Videostandard WebM und arbeiten bei der Entwicklung von HTML5 mit.
Ein festes Erscheinungsdatum für Firefox 4 gibt es derzeit noch nicht. Gegenüber ORF.at teilte eine Sprecherin von Mozilla Europe mit, dass das Programm noch vor Ende des laufenden Jahres erscheinen werde.
ORF.at: Sie haben bereits die derzeit boomenden Mobilplattformen erwähnt. Was sind ihre nächsten Schritte auf diesem Markt, speziell was Android und iOS betrifft?
Jay Sullivan: Mozilla entwickelt derzeit Firefox für die Android-Plattform. Wir verwenden dabei dieselbe Browser-Engine, die auch bei den Desktop-Versionen von Firefox zum Einsatz kommt. Damit erreichen wir die größtmögliche Kompatibilität mit bestehenden Websites, wir verbinden sie aber mit einer Benutzerschnittstelle, die für berührungssensible Bildschirme optimiert ist. Firefox für Android wird Tabs nutzen, die gängigen Add-ons unterstützen und sich mit Firefox auf dem Desktop synchronisieren lassen. Was das iPhone angeht, so haben wir kürzlich Firefox Home veröffentlicht, ein Programm, mit dem der Nutzer die Browser-History, die Lesezeichen und die offenen Tabs mit seinem Desktop-Rechner abgleichen kann. Allerdings haben wir derzeit nicht vor, Firefox vollständig auf das iPhone zu portieren.
ORF.at: Durch den Erfolg von Apples iOS-Plattform scheinen viele Entwickler ihren Schwerpunkt von Open Source hin zum Programmieren geschlossener Mobiltelefon-Apps verlagert zu haben. Gibt es diesen Trend aus Ihrer Sicht auch? Beeinträchtigt er die Entwicklung von Mozilla-Produkten wie Firefox oder Thunderbird?
Jay Sullivan: In Wirklichkeit ist Open Source so beliebt wie nie zuvor. Die Zahl der Personen, die zu Mozilla-Projekten beitragen - sei es Firefox selbst oder Add-ons dafür - wächst weiterhin. Allerdings zeigen viele Entwickler Interesse an einem App-ähnlichen Modell für das Web, das ihnen ermöglichen würde, für ihre Arbeit Geld lukrieren zu können. Sie wollen dabei aber nicht das Entwickeln fürs Web aufgeben und stattdessen Software für proprietäre Systeme schreiben, die mit jeweils eigenen Programmiersprachen und Entwicklungsumgebungen sowie intransparenten Überprüfungsprozessen daherkommen und deren Reichweite beim Publikum eingeschränkt ist. Ein zentraler Aspekt des gemeinnützigen Auftrags von Mozilla besteht darin, die Webentwickler darin zu unterstützen, Websites und Apps zu schreiben, die nicht an einen bestimmten Browser gebunden sind, sondern auf allen Systemen funktionieren. Wir untersuchen derzeit, wie ein offener Online-Store für Web-Apps aussehen müsste, um das nachhaltige Funktionieren des offenen Webs als einer leicht zugänglichen Plattform für Innovationen sicherzustellen.
ORF.at: In jüngster Zeit sind die Marktanteile von Firefox auf dem Browser-Weltmarkt laut Net Applications zurückgegangen. Firefox scheint gegenüber Google Chrome und Safari zu verlieren. Wie kann Mozilla diesen Trend umkehren?
Jay Sullivan: Früher ist dieser Markt von einem einzigen Akteur bestimmt worden, heute ist er ein Spielfeld für Innovationen, das vom Wettbewerb geprägt ist. Dass dem so ist, ist direkt auf die Arbeit der Teams von Mozilla und Firefox zurückzuführen. Wir wachsen mit dem Web. Mozilla ist voller Energie und Innovationen und bewegt sich schnell. Wenn es uns gelingt, den Nutzern weiterhin ein gutes Produkt zu bieten und das Web zu einer besseren Umgebung für Entwickler zu machen, dann werden wir keine Schwierigkeiten haben.
ORF.at: Mozillas wichtigster Unterstützer heißt Google. 2011 wird das Kooperationsabkommen mit Google, über das sich Mozilla größtenteils finanziert, ablaufen. Nun arbeitet Google an Chrome und Chrome OS, was Mozilla in die Zwickmühle bringt. Könnte Mozilla ohne Google überleben?
Jay Sullivan: Wir entwickeln unsere Produkte im Rahmen offener Prozesse, die mit dem Suchabkommen mit Google nichts zu tun haben. Mozilla hat sich darauf konzentriert, über partizipatorische Abläufe offene und beliebte Produkte herzustellen, und auf dieser Grundlage dann einen Einkommensstrom zu generieren, mit dem wir diese Arbeit unterstützen können. Um uns nachhaltig finanzieren zu können, werden wir uns natürlich darum kümmern, die Einkommensquellen mit der Zeit zu diversifizieren. Wir werden weiterhin großartige Produkte schaffen, die die Menschen dabei unterstützen, den Reichtum des Internets zu genießen, und wir vertrauen darauf, dass wir auf dieser Grundlage die richtigen Quellen für eine breiter aufgestellte Finanzierung erschließen können werden.
~ Link: Mozilla sammelt Crowdsourcing-Ideen (../http://www.fuzo-archiv.at/?id=1650380v2) ~
(futurezone/Günter Hack)