© AP/Dean Fosdick, IPhone Applikationen

Web-Apps für Smartphones auf dem Vormarsch

MOBILE ANWENDUNGEN
17.08.2010

Für Softwareentwickler von mobilen Anwendungen ist es oft zeit- und kostenintensiv, native Apps, also interne Anwendungen für mehrere verschiedene Plattformen wie iOS, Android, Symbian und BlackBerry, zu programmieren. Auf der Suche nach einer Zukunftslösung rücken Web-Apps immer häufiger in den Blickpunkt. Manche Entwickler sind gar der Meinung, dass die plattformunabhängigen Anwendungen bereits in wenigen Jahren den App-Markt dominieren werden.

Laut einer GfK-Studie vom Frühjahr 2010 nutzen in Österreich bereits 2,1 Millionen Österreicher, also 32 Prozent der österreichischen Handykunden, Smartphones. Diese laden im Schnitt drei bis vier Apps pro Monat herunter.

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Der Markt für Apps wächst rasant. Nach einer Einschätzung des Beratungsunternehmens Booz & Company erreicht das Geschäft mit mobilen Anwendungen bis 2013 ein weltweites jährliches Umsatzvolumen von 17 Milliarden Euro.

In Apples App Store standen im Juli etwa 200.000 Apps zum Download zur Verfügung, in Googles Android Market waren es im August bereits 105.000 Apps, monatlich sollen etwa 18.000 neue Anwendungen dazu kommen.

App-Hype sorgt für Unübersichtlichkeit

Doch durch die steigende Zahl an kleinen, internen Anwendungen für Mobiltelefone "sieht man oft die Bäume vor lauter Wald nicht mehr", meint Peter Steinberger, Informatik-Student und Entwickler fürs iOS aus Wien. Sowohl der Android Market als auch Apples App Store würden zwar über Kategorien verfügen, doch diese würden bei der Flut an neuen Anwendungen nicht mehr ausreichen und an Schärfe verlieren. "Auf lange Sicht muss man die Apps wieder besser finden", so Peter Steinberger.

Mobilfunker gegen Apple

Nicht nur Entwickler klagen über die Fragmentierung der mobilen Plattformen, sondern auch Telekommunikationsunternehmen - freilich aber aus anderen Gründen.

So wurde im Juli 2010 mit der Wholesale Applications Community (WAC) eine globale Allianz von Telekommunikationsunternehmen gegründet, dessen Ziel es ist, als "ein Bindeglied zwischen Entwickler von Apps und Kunden" zu fungieren.

Im November sollen die ersten Spezifikationen und Software Development Kits der WAC veröffentlicht werden. Das Regelwerk wird auf HTML5 und das Software Developer Kit wird auf den W3C-Standards basieren, teilte die WAC Ende Juli mit.

Beim Geschäftsmodell der WAC erfolgt die Abrechnung von kostenpflichtigen Apps nicht über App-Stores, sondern direkt über die Rechnung der Mobilfunkanbieter.

Dass durch eine weiter anwachsende Masse an Apps eine marginal gehaltene Kategorisierung zum Problem werden könnte, ist allerdings nur eine der Entwickler-Sorgen, die vor allem Apple, der Vorreiter des App Store-Konzepts, ernst nehmen sollte. Zwar sei von Booz & Company für den App Store für dieses Jahr ein Umsatz von 2,3 Milliarden Euro prognostiziert worden, aber trotz allem schauen immer mehr Unternehmen darauf, dass ihr Angebot als App auf möglichst vielen Mobilplattformen vertreten ist - nicht nur im App Store. Das iPhone als Plattform ist vielen Kunden einfach nicht mehr genug.

"Kunden wollen auf allen Plattformen vertreten sein"

"Es gibt Kunden, bei denen hat der Chef ein iPhone, die Mitarbeiter aber BlackBerry- und Android-Geräte", erzählt etwa Mario Breid, CEO der troii Software GmbH, die mit timr eine mobile Zeiterfassungslösung für verschiedene Plattformen wie Android, iOS und BlackBerry anbietet.

"Doch die Entwicklung von nativen Apps für alle Plattformen ist schwierig und kostenintensiv. Auch der Zutritt zu den Stores kostet Geld. Langfristig bietet sich für uns daher die Entwicklung von einer Web App an. Das würde zusätzliche Vereinfachungen mit sich bringen", so Breid.

Web-Apps als Zukunftslösung

Auch Thomas Schranz, ein unabhängiger Software-Entwickler aus Wien, sieht Web Apps als eine plattformunabhängige Lösung, die künftig - in zwei bis drei Jahren - den Markt dominieren wird: "Der große Vorteil ist, dass Web-Apps auf mehreren Plattformen funktionieren. Das verursacht bedeutend weniger Aufwand als für jede Plattform eine eigene App zu schreiben."

Für Kunden sei es zudem kostengünstiger, weil das Segment an Entwicklern, die eine Web-App programmieren können, wesentlich größer sei. Diese würden zudem darauf drängen, auf möglichst vielen Plattformen präsent zu sein.

"Es ist verrückt, für so viele verschiedene Plattformen programmieren zu müssen. Die Webtechnologie ist mit HTML5 mittlerweile so weit fortgeschritten, dass sich die meisten Apps, bei denen es darum geht, Inhalte darzustellen oder Benutzerinteraktionen durchzuführen, problemlos als Web-App umsetzen lassen", so Schranz.

Noch gibt es Restriktionen

Hauptsächlich grafik- oder rechenintensive 3-D-Games seien derzeit noch nicht als Web App umsetzbar, meint Schranz. Auch gäbe es noch Restriktionen beim Zugriff auf bestimmte Hardwareelemente. Google habe allerdings für die nahe Zukunft eine Programmierschnittstelle angekündigt, mit der sich auch bei HTML5-Apps die Spracherkennungsfunktion nützen lässt. Immer mehr Plattformbetreiber würden zudem Entwicklern über Java-Script zusätzliche Zugriffsrechte zur Verfügung stellen, die bisher nativen Apps vorbehalten waren.

Open Source Framework für Web Apps

Mit dem Open Source Framework "PhoneGap" lassen sich zudem etwa mobile Apps in HTML, CSS und JavaScript basteln, die dennoch Kernfeatures von iOS, Android, Palm, Symbian oder BlackBerry ausnutzen. Das Programmiergerüst ermöglicht es somit vor allem Web-Entwicklern, auch mobile Apps zu gestalten. Eine Alternative hierzu ist etwa die kommerzielle Software-Lösung "Sencha", die speziell auf die Touch-Oberfläche von Smartphones fokussiert ist.

Auch die bei Apps immer wichtiger werdende "Offline-Verfügbarkeit" sei durch HTML5 mittlerweile gegeben, da Web Apps Daten mit Hilfe von relationalen Datenbanken und Key-Value Stores lokal abspeichern können, erklärt Schranz.

Derzeit gäbe es noch nicht viele, gut umgesetzte HTML5-Apps, ein gutes Beispiel für Schranz sei momentan Googles mobile YouTube-App. "Die Bildqualität der Videos ist im Vergleich mit der nativen App auf dem iPhone besser", meint er. Auch dass bei der Suche im Web die Ergebnisse praktisch sofort angezeigt werden, sei ein Vorteil.

Während für Schranz praktisch die Vorteile von webbasierten Apps überwiegen, glaubt iOS-Entwickler Steinberger weiterhin vorerst an den Erfolg von nativen Apps: "Die Handhabung für den Nutzer ist einfach noch nicht gleich gut. Bei nativen Apps hat man schnellere Response-Zeiten und auch die Bedienbarkeit ist einfach besser."

App-Stores als Zwischenlösung?

Einer der größten Nachteile von Web Apps bisher ist allerdings, dass es derzeit noch keinen Store gibt, in dem die Anwendungen von Nutzern gefunden werden können. Als Zwischenlösung lassen sich Web Apps, etwa mit Hilfe des Frameworks "PhoneGap", relativ einfach App-Store-tauglich machen.

"Bei unserem Projekt cookd haben wir eine native App für Android geschrieben, die im Prinzip aber eine Web App darstellt", erklärt Schranz. Dasselbe sei im Prinzip auch für den App Store oder die BlackBerry App World möglich.

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Eine Alternative, die sich bei Erfolg auch langfristig durchsetzen könnte, sollte allerdings im Oktober auf den Markt kommen. Google hat auf seiner Entwicklerkonferenz I/O im Mai diesen Jahres den Chrome Web Store angekündigt, der in Googles Browser Chrome, dem kommenden Betriebsystem Chrome OS und allen HTML5-fähigen Browsern funktionieren soll.

Im Chrome Web Store sollen alle Web Apps gesammelt und auch von Nutzern bewertet werden können. Zudem soll es auch möglich sein, kostenpflichtige Web Apps auf eine einfache Art und Weise (mit einem "One-Click-System") zu beziehen.

Mit der Verbreitung von mobilen HTML5- und Web Apps könnten daher die momentan erfolgreichen, plattformengebundenen App-Stores langfristig betrachtet wieder in der Bedeutungslosigkeit versinken.

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(futurezone/Barbara Wimmer)