Wie WLAN in die Welt kam
Warum das drahtlose Internet seinen Siegeszug antreten konnte und weshalb eine Hollywood-Diva aus Österreich mindestens als romantische WLAN-Großtante durchgehen kann. Vic Hayes, "Vater des WLAN" und Ehrengast der jährlichen Konferenz freier Communities, die bis zum Sonntag im Techgate Wien gastierte, über die frühen Jahre des mobilen Internets.
"Die Entscheidung der FCC vom 24. Mai 1985 war ein Geschenk", so eröffnete Vic(tor) Hayes seine abendliche Keynote auf dem Wireless Summit, dem jährlichen Treffen der Betreiber freier WLAN-Netze, das heuer in Wien getagt hat und am Sonntag zu Ende ging.
Normalerweise ziehe sich der Weg vom Antrag auf Zuteilung irgendeines Frequenzspektrums bis zur möglichen Zuteilung desselben über Jahre. hin Man habe nach einem Wechsel an der Spitze der US-Regulationsbehörde FCC damals einfach die Gunst der Stunde nützen können, sagte er.
Hayes gilt allgemein als "Vater des Wireless LAN". Der Holländer war nicht nur Mitbegründer der Standardisierungsgruppe IEEE 802.11, aus der seither alle neuen Versionen des WLAN-Standards hervorgegangen sind. Von 1990 bis 2000 saß er diesem technischen Komitee auch vor.
"Vater des Wirless Lan": Vic Hayes
Vaterschaften, Enthusiasten
Und dann erklärte Hayes, der das Epithet "WLAN-Vater" bescheiden schmunzelnd hinnehmen muss, weil sein Name nun einmal überall in sämtlichen frühen WLAN-Standards steht, den im Wiener Techgate versammelten WLAN-Enthusiasten, wie es zu diesem folgenschweren Geschenk an die Welt gekommen war.
Erstmals hatte die US-Regulationsbehörde den Einsatz von Technologien genehmigt, die unter den Oberbegriff "Spread Spectrum" fallen. Dabei werden - verkürzt gesagt - Daten nicht über eine fixe Frequenz übetragen, sondern beide Stationen nutzen eine ganze Reihe von Kanälen abwechselnd bzw. parallel. Diese Art der Übertragung war, weil sie Schutz gegen Störungen (Jamming) ebenso wie gegen Abhören bot, bis 1981 in der Domäne der Militärs.
Mikrowellenherde beschweren sich nicht
Erstmals habe die FCC damals drei Frequenzbereiche unter völlig neuen Bedingungen zugewiesen als bei allen Vergaben davor, erzählte Hayes. Statt Spektrumseffizienz als oberstem Gebot oder gar einer Beschränkung auf bestimmte Übertragungsarten, was seit jeher die Regel war, gab es für diese ISM-Bänder (Industrie, Forschung, Medizin) kaum Beschränkungen. Wiederum verkürzt zusammengefasst: Die Hauptvorgabe der Behörde, dass die eingesetzten Geräte erkennen, wenn Kanäle besetzt sind, sie überspringt und damit Interferenzen vermeidet, war daher auch im vollen Interesse der Entwickler.
Vorgesehen war für die USA ein schmaler Bereich von 902 bis 928 MHZ, dazu kam noch ein 75 MHz breites Band zwischen 2,4 und 2,5 GHz dazu, denn da arbeiteten "nur Mikrowellenherde, von denen keine Beschwerden über Funkstörungen zu erwarten waren" sagte Hayes zum Gaudium der anwesenden alternativen Kommunalnetzbetreiber aus Wien, Athen und Barcelona.
Sogar das erst in den letzten paar Jahren genützte Band im 5-GHz-Bereich stand bereits 1985 in den Plänen der US-Regulationsbehörde.
Das Disruptive
Im schmälsten dieser drei Bänder (915 MHz) waren bis 1990 gerade einmal 25 verschiedene Endgeräte in den USA zugelassen, zum Teil handelte es sich um drahtlose Telefone, für Datenübertragung wurde in den Anfängen das proprietäre WaveLAN-Protokoll benützt, fast alle Firmen von damals seien heute vom Markt verschwunden, erzählte Hayes. Die WaveLAN-Datenraten waren bei Bandbreiten von einem MHz mit etwa 60 kBit/sec auch nicht eben berauschend.
Doch 1990 wurde die Technologie plötzlich "disruptiv". Der Chiphersteller Agere - damals noch Teil des Registrierkassenkonzern NCR, der seine Kassensysteme drahtlos vernetzen wollte - präsentierte das erste Endgerät mit einer Übertragungsrate von zwei Mbit/sec. Entwickelt wurde es freilich nicht in den USA, sondern in der holländischen Niederlassung von NCR, in der Vic Hayes seit 1974 in leitender Funktion als Techniker tätig war.
Freie WLAN-Netze in Europa
Die weltweit größten, bekannten öffentlichen WLAN-Netze befinden sich nicht in den USA, sondern in Europa. Führend dabei ist das katalanische GUIFI-Net rund um Barcelona, dahinter rangiert das freie Athener WLAN-Netz. In Österreich unterhält das Funkfeuer-Netz insgesamt mehr als 400 Knoten vornehmlich in Wien und Graz.
Die nächste Hürde
"Ich war überzeugt, dass wir als nächstes die 10 Mbit/sec schaffen würden, wie sie in den Computernetzen 1990 bereits üblich waren" sagte Hayes, der noch im selben Jahre zum Vorsitzenden der IEEE-Arbeitsgruppe gewählt worden war. Von da an ging es Schlag auf Schlag.
1991 gab die Europäische Konferenz der Post- und Fernmeldeadministrationen" (CEPT) den Betrieb im 2,4-GHz-Band frei, ab 1994 kamen die allerersten Endgeräte - lauter Prototypen - auf den Markt. Als der Basisstandard 802.11 im Jahre 1997 freigegeben wurde, war das öffentliche Interesse dafür so gut wie nicht vorhanden. "Wir haben damals hunderte Journalisten angeschrieben, nicht einer hat auch nur eine Zeile darüber gebracht. Es hat offenbar keiner was davon verstanden" erinnerte sich Hayes sehr amüsiert im Gespräch mit ORF.at.
802.11b hebt ab
Ab der Version 802.11b, die noch unter der Ägide von Hayes entstand, kam der inhärent-disruptive Charakter dieser Technologie auch in der Praxis zur Geltung: WLAN hob ab und ist aus dem Alltag seitdem nicht mehr wegzudenken.
Mittlerweile hatte die FCC nämlich die erlaubte Bandbreite pro "Hüpfkanal" von einem auf fünf MHz erhöht, das machte endlich Datenraten möglich, wie sie Hayes fast zehn Jahre davor prophezeit hatte: 802.11b erreichte 11 Mbit/sec.
Als Steve Jobs dann 1999 eines der neu herausgekommen MacBooks auf der Bühne mit sich herumtrug und zum Erstaunen des Publikums dabei völlig unverkabelt im Internet "surfte" - wie man damals zu sagen pflegte - war auch der ökonomische Durchbruch schon da.
Serienproduktion der Chips
Die massive Bestellung durch Apple hatte die Serienproduktion von WLAN-Chips kickgestartet, Intel setzte sein Schwergewicht ein, um anzuschieben. Wireless LAN trat seinen Siegeszug quer durch die rasant und immer bunter wachsende Welt der mobilen Kommunikationsgeräte an.
Da Väter bekanntlich ebensolche haben und natürlich stets Mütter, die dann zusammen "Großeltern" geheißen werden, so war die Frage von ORF.at an Vic Hayes, wer das Prinzip des "Kanalhüpfens" denn nun seiner Meinung erstmals und für welchen Zweck wirklich erfunden habe.
Technik, Romantik
Zur etwa gleichen Zeit, nämlich in den 30er und 40er Jahren, habe es mehrere technische Veröffentlichungen gegeben, die auf synchronem Frequenzwechsel basierten, er entscheide sich natürlich für die Romantischste davon, meinte Hayes.
"Kurzum: Erfunden hat das Prinzip auch eine Österreicherin, die Schauspielerin Hedy Lamarr. Die hat es von der Musik, den mechanischen Pianolas abgeleitet", sagte Hayes. Die solchermaßen mindestens zur Großtante des WLAN ernannte Hollywood-Diva, Emigrantin und Nazigegnerin Lamarr hatte mit einem befreundeten Avantgardekomponisten für ein Konzert 16 mit Lochkarten gesteuerte, mechanischen Klaviere synchronisiert.
Links
1942 wurde daraus ein Patent auf einen weitgehend störungsresistenten Funksteuerungsmechanismus von Torpedos. Ein durch Lochkartenmaschinen synchronisiertes "Frequenzhüpfmuster" machte so die analogen Funksteuerungsbefehle gegen Jamming durch den Gegner weniger anfällig. Theoretisch, denn eingesetzt wurde diese Art von "Spread Spectrum"-Kommunikation - Frequenzwechsel nach einem musikalisch-mechanischem Prinzip wenigstens offiziell so nie.
( futurezone/Erich Moechel)
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