© Fotolia/BlueOrange Studio, Vater und Sohn spielen Videospiel

OnLive: Spielen ohne teure Hardware

Cloud-Gaming
20.08.2010

Arbeiten in der Serverwolke ist ein heißes Thema - die verteilte Rechenkraft soll es in Zukunft aber auch ermöglichen, mit sehr geringem Hardwareeinsatz Videospiele zu spielen. In den USA bietet OnLive seit knapp zwei Monaten ein entsprechendes Service an, 2011 soll OnLive nach Europa kommen. Vor allem Telekomunternehmen interessieren sich für die bandbreitenintensive Anwendung und investieren offenbar kräftig.

OnLive ist eine Gaming-Plattform, die Games-on-Demand über das Internet anbietet. Die Spiele können gekauft oder gemietet werden und werden mittels eines kleinen Plug-ins direkt im Browser genutzt. Die gesamte Software läuft dabei auf den Servern von OnLive, die Bilder werden in den OnLive-Datenzentren komprimiert, übertragen und dann beim Nutzer wieder dekomprimiert - in Echtzeit und ohne den Einsatz besonders leistungsfähiger Hardware.

Bei einer Demonstration im Rahmen der Entwicklerkonferenz GDC im Vorfeld der deutschen Spielemesse Gamescom demonstrierte Tom Dubois, bei OnLive zuständig für Content, den Service live - und konnte damit durchaus überzeugen: Obwohl "nur" über eine WLAN-Verbindung angebunden, wurden die Bilder schnell geladen.

Ob es im Laufe einer längeren Nutzung zu spielbehindernden Verzögerungen kommt, kann mangels unmittelbarer Tests vorerst nicht beurteilt werden. Die Software lief außerdem auf einem eigenen Testserver in Deutschland ohne zusätzliche Last. ORF.at hat Dubois zu den Vorteilen des Cloud-Gamings und weiteren Plänen von OnLive befragt.

ORF.at: Welche Spiele bieten Sie auf OnLive an, und wie war die Resonanz?

Dubois: Grundsätzlich gibt es bei uns alle Arten von Spielen. Wir haben eine Reihe großer Titel, wie "Assassin's Creed", "F.E.A.R. 2: Project Origin" oder "Kane & Lynch 2: Dog Days", aber auch Spiele von kleinen, unabhängigen Studios wie "World of Goo" sowie Casual Games. Familienspiele werden folgen. Die Resonanz war gut, wir hatten viele Vorregistrierungen, die Beta lief eine ganze Weile, und nach dem Start haben wir die Leute nach und nach in den Normalbetrieb aufgenommen. Wir haben noch keine offiziellen Zahlen bekanntgegeben, aber unsere Erwartungen wurden übertroffen, und wir sind sehr zufrieden.

ORF.at: Was kostet Ihr Service?

Dubois: Der Service kostet fünf Dollar pro Monat, ist aber derzeit in den USA für die ersten zwölf Monate gratis, da der Provider AT&T die Anfangskosten übernommen hat. Die Spiele kosten extra: Man kann sie, wie bei anderen digitalen Vertriebssystemen, kaufen oder für ein paar Tage mieten. Drei Tage Miete kosten durchschnittlich sieben bis acht Dollar.

ORF.at: Ich kann die Spiele aber nicht herunterladen, die Software bleibt immer auf ihren Servern. Was passiert, wenn Sie OnLive einmal einstellen?

Dubois: OnLive ist mit Steam vergleichbar, man braucht einen aktiven Account, um die Spiele zu nutzen. Wenn Sie ihren Account deaktivieren, bewahren wir ihre Daten noch eine ganze Weile auf und Sie können später wieder alle Spielstände und Inhalte weiternutzen, wenn Sie den Account wieder aktivieren. Herunterladen können Sie die Inhalte aber nicht, es bleibt alles in unserem System.

ORF.at: Was brauche ich technisch für die Nutzung, wie schnell muss etwa meine Internetanbindung sein? Sie haben den Service hier über WLAN demonstriert, wie weit kann das System runterskalieren?

Dubois: Zum Start wollten wir sicherstellen, dass die Nutzer keinerlei Probleme haben und verlangten daher eine Fünf-MBit-Leitung (Download). Die Anforderungen an den PC oder Mac selbst sind nicht hoch: Es reicht, wenn das Gerät Videos abspielen kann, Netbooks können den Service also auch nutzen. Für die Nutzung am Fernseher bauen wir gerade ein eigenes Gerät, die sogenannte Micro-Console, die dieses Jahr auf den Markt kommen soll. Wir empfehlen zwar eine Kabelverbindung, testen aber auch schon eine ganze Weile drahtlose Verbindungen. Das Herzstück unserer Technologie ist ein Videocodec mit sehr niedriger Latenzzeit, der seit rund sieben Jahren entwickelt wird. Unser Firmengründer hat für Apple Quicktime entwickelt und ist seit vielen Jahren Experte für Videokomprimierung. Unser Codec kann sich sehr schnell an unterschiedliche Verbindungsgeschwindigkeiten anpassen und kodiert die Videos in Echtzeit schnell und in hoher Qualität. Darauf sind wir sehr stolz. Grundsätzlich können wir bis 1,5 MBits runtergehen, das reicht für eine Standardauflösung von 640 mal 480 Pixel. Mit fünf MBit/s bekommen sie eine HD-Auflösung von 720p, wir schauen uns aber auch 1.080p und höher an, dafür brauchen wir dann allerdings mehr Bandbreite. Der Kunde kann sich also aussuchen, welche Auflösung er haben will beziehungsweise kann.

ORF.at: Ihr Service ist für Telekommunikationsunternehmen besonders interessant, denn er erfordert hohe Bandbreiten und schafft damit bei den Kunden die entsprechende Nachfrage.

Dubois: In den USA gibt es zahlreiche Kombi-Angebote mit Telefon, Internet und TV, und viele Telekomfirmen fragen bei uns an, weil sie unseren Service als viertes Angebot gerne dazunehmen würden. AT&T hat bei uns investiert, ebenso die britische BT und Belgacom - sie alle würden gerne OnLive im Bündel mitanbieten. In dem Fall würde unsere Abogebühr dann über die Telekomrechnung abgerechnet werden.

ORF.at: Wie sieht es eigentlich mit der Skalierung aus?

Dubois: Wir beobachten derzeit die Kapazitäten genau und bauen unsere Datenzentren mit eigenen Clustern aus Spiele-PCs und Rechnern für spezielle Aufgaben laufend aus, mit Dell als Partner. Wir lernen laufend dazu, etwa wenn es um das Management von Spitzenzeiten geht. Wir sind vorsichtig und fügen erst dann wieder neue Nutzer hinzu, wenn wir genügend Serverleistung zur Verfügung haben. Es ist besser, die Leute warten ein wenig, als sie sind frustriert, weil der Service schlecht ist. ORF.at: Sie sind für die Inhalte auf der Plattform zuständig. Wie schwierig ist es, Inhalte zu bekommen?

Dubois: Gar nicht. Am Anfang sind zwar alle skeptisch und der Meinung, dass das nicht funktionieren kann, nach den Demos sind unsere Gesprächspartner aber begeistert. Es ist auch nicht schwer, ein Spiel für OnLive zu adaptieren, die PC-Version dauert üblicherweise drei Wochen. Wir müssen etwa das Spiel mit Stopp- und Startbefehlen in unseren Datenzentren steuerbar machen, die Auflösung anpassen können und im Gegenzug diese Option für den Nutzer abschalten. Wir entfernen üblicherweise auch den Kopierschutz, der die Software meist auf einen Nutzer oder einen Computer beschränkt, wir haben ja tausende Nutzer beziehungsweise tausende Maschinen pro Spiel. Wir nutzen einen eigenen netzwerkbasierten Kopierschutz, die Spiele laufen in unseren Datenzentren nur verschlüsselt. Im Prinzip ist das aber alles recht einfach. Wir unterstützen außerdem alle Eingabegeräte mit USB-Anschluss, egal ob Gitarren, Mikrofon oder Gamepad, alles, was am PC funktioniert.

ORF.at: Sie unterstützen also nur PC-Spiele?

Dubois: Man könnte auch ein Xbox-Spiel für OnLive adaptieren, dazu müsste man es zuerst auf einem PC nutzbar machen. Üblicherweise gibt es für viele Xbox-Spiele bereits PC-Versionen, auch wenn diese - noch - nicht veröffentlicht wurden. Manchmal werden die Spiele aus Angst vor unerlaubten Kopien nicht veröffentlicht. Auf OnLive gibt es das Problem nicht, die Hersteller können ihre Spiele über unseren Service ohne Angst vor unerlaubten Kopien zum Testen anbieten, damit reduzieren sich auch die Kosten für die diversen Tests enorm. Wir können die Spiele gezielt bestimmten Nutzergruppen für Betatests anbieten, ohne dass die Hersteller Angst haben müssen, dass die Spiele vor der eigentlichen Veröffentlichung unerlaubt verteilt werden. Ein weiterer Vorteil unseres Service ist, dass sie genau zuschauen können, wie die Spieler die Games nutzen, von überall auf der Welt. Diese Funktion können die Nutzer aber auch deaktivieren.

ORF.at: Wozu entwickeln Sie eine eigene Konsole?

Dubois: Unser eigentlicher Fokus ist der Fernseher im Wohnzimmer, aber nicht jedes Gerät kann mit einem Browser-Plug-in umgehen, daher entwickeln wir eigene Hardware. Die MicroConsole besteht im Prinzip aus einem Ethernet-Eingang und einem HDMI-Ausgang sowie diversen anderen Ports. Dazwischen liegt ein Chip, der den Videostream dekomprimiert. Das Gerät selbst unterstützt drahtlose Controller. Die Hardware ist sehr klein und könnte auch einfach direkt in einem Fernseher verbaut werden, es gibt keinen Ventilator und damit auch keinen Lärm.

ORF.at: Was ist mit anderen Geräten wie dem iPad oder dem iPhone?

Dubois: Wir haben ein Paar technische Demos gezeigt, bei denen wir den Service auf iPhones und iPads demonstriert haben. Bei vielen der Spiele gibt es allerdings ein Problem mit der Eingabe - ich könnte ihnen jetzt "Crysis" auf dem iPhone zeigen, aber eigentlich brauchen sie zehn Finger, um "Crysis" zu spielen.

ORF.at: Sie wollen OnLive nächstes Jahr in Europa anbieten. Gibt es schon ein Datum?

Dubois: Es gibt noch kein genaues Datum. Die letzte Investorenrunde bestand aus europäischen Telekomunternehmen, die ihrerseits an einem schnellen Start interessiert sind. Gemeinsam arbeiten wir nun daran, diese Pläne möglichst schnell umzusetzen.

ORF.at: Sehen die Konsolenhersteller Sie eigentlich als Konkurrenz?

Dubois: Ich weiß nicht, was die Konsolenhersteller von uns denken. Sie beobachten uns sicher, aber wir sind ein kleines Start-up-Unternehmen und noch ganz neu auf dem Markt. Im Moment lässt man uns einfach machen.

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(futurezone/Nadja Igler)