IPad & Co.: Fernbedienung fürs Netzfernsehen
Tablet-Computer spielen beim Trend zum Web-TV eine zunehmend wichtige Rolle. Die Geräte eignen sich nicht nur zum Anschauen von Videos, sondern auch als Fernbedienung mit Touchscreen. Neben Apple stellen sich auch andere US-Megakonzerne dem Kampf um den zweiten Bildschirm im Wohnzimmer.
Zur Person:
Janko Röttgers ist Experte für digitale Medien und arbeitet als Redakteur des Onlinemagazins Newteevee.com in San Francisco.
Im Rahmen der futurezone.ORF.at-Serie "Neo-TV" berichtet er von der schönen neuen Onlinefernsehwelt. Die Artikelübersicht ist unter der folgenden Adresse abrufbar:
Der Telekomkonzern Verizon hatte diese Woche in den USA mit der Ankündigung für Aufsehen gesorgt, Kabelfernsehen ab Anfang nächsten Jahres direkt auf Apples iPad zu übertragen. Verizons Kabel-TV-Kunden sollen dann mit Hilfe einer iPad-Applikation auf Hunderte von TV-Kanälen zugreifen können.
Die Technologie zur Übertragung der TV-Programme auf das iPad sei bereits fertiggestellt, erklärten Firmenvertreter dazu am Dienstag während einer Presseveranstaltung in New York. Verizon will jedoch vor der Markteinführung des neuen Angebots erst das Einverständnis aller betroffenen TV-Kanäle einholen. Um Rechteinhabern die Entscheidung leichter zu machen, will Verizon die Nutzung der Applikation an eine Authentifizierung über die heimische Kabel-TV-Box koppeln. Nutzer können damit nur auf Livefernsehen auf ihrem iPad zugreifen, wenn sie zu Hause sind.
Apps und optimierte Websites
Verizon ist nicht die einzige Firma, die Apples iPad als Ersatz für den klassischen Fernseher entdeckt hat. Pünktlich zum US-Verkaufsstart des iPads erschien eine Anwendung des Videoanbieters Netflix, mit der zahlende Kunden auf rund 20.000 Filme und TV-Shows zugreifen können. Auch vom populären Web-TV-Dienst Hulu.com gibt es mittlerweile eine iPad-Applikation, und Videosites wie YouTube, Vimeo und Blip.tv haben ihre Angebote für das Tablet von Apple optimiert.
US-Fernsehsender arbeiten ebenfalls fleißig an speziellen Angeboten fürs iPad. Der zum Disney-Konzern gehörende Sender ABC setzt dazu auf eine eigene Applikation, der Konkurrent CBS auf eine iPad-optimierte Website. Und der Premium-Kinofilm-Kanal HBO kündigte Anfang dieser Woche an, seinen Abonnenten bald werbefreien Zugriff auf Eigenproduktionen wie "True Blood", "Entourage" und "Sex and the City" zu geben. Insgesamt will man 800 Stunden Video auf dem iPad verfügbar machen.
Endgerät für Digivideorecorder
Andere wollen sich nicht mit derart beschränkten Angeboten zufriedengeben. Der US-amerikanische Satelliten-TV-Anbieter Dish Network will seinen Kunden ab September die Möglichkeit bieten, Live-TV und aufgenommene Sendungen direkt von ihrem digitalen Videorecorder auf das iPad zu übertragen. Dabei wird es keine Rolle spielen, ob Nutzer daheim oder am anderen Ende der Welt sind.
Konflikte sind bei solchen Angeboten programmiert. Fernsehsender wollen sich das Recht, Inhalte online oder auf dem iPad anzuschauen, gerne extra bezahlen lassen. Firmen wie Dish und Verizon argumentieren dagegen, dass es sich bei dem iPad nur um eine Art zusätzlichen Fernseher handle, für den Zuschauer bereits ihre monatlichen Gebühren zahlten.
Billig ist oft gut genug
Der lachende Dritte bei diesem Streit ist Apple. Doch Steve Jobs könnte bald Konkurrenz von einer ganzen Reihe von neuen Tablet-PCs bekommen, die auf Googles Android-Betriebssystem basieren. In den vergangenen Monaten tauchten in Europa und den USA bereits verschiedene Varianten eines Sieben-Zoll-Tablets auf, die im Handel selten mehr als 150 Euro kosten - deutlich weniger als Apples 500 Euro teures iPad. "Für die breite Masse ist der Preis ein extrem wichtiger Faktor", glaubt Joe Born, CEO von Neuros Technology. Die billigen Android-Tablets werden deshalb seiner Meinung nach bald den Massenmarkt erobern.
Dass die erste Generation dieser Billig-Tablets nicht 100 Prozent ausgereift ist, weiß Born aus erster Erfahrung. Seine Firma hat sich als Hersteller Ubuntu-basierter Media Center-PCs einen Namen gemacht. Im August verkaufte Neuros jedoch erstmals auch in kleiner Stückzahl Android-Tablets. Man habe seinen Kunden damit die Möglichkeit bieten wollen, mit Tablet-PCs als Erweiterung des eigenen Media-Centers zu experimentieren. "Für uns sind diese Geräte Fernbedienungen", so Born. "Und dafür eignen sie sich prima."
Fernbedienung via Tablet
Die Idee dahinter ist simpel: Media-Center-Lösungen wie die von Neuros oder auch die kommende Web-TV-Hardware von Firmen wie Boxee oder Google bieten Zugriff auf Tausende von Videos von vielen verschiedenen Websites und Anbietern. Für Suche und Navigation eignet sich die klassische Fernbedienung nur bedingt. Und wenn Fernsehkonsumenten sich in Zukunft durch unzählige Google-TV-Suchergebnisse klicken, anstatt von einem Kanal zum anderen zu zappen, dann könnte dies beim gemeinschaftlichen Fernsehkonsum zu frustrierenden Pausen führen.
Gleichzeitig glaubt Born, dass Tablets langfristig auch als Alternative zum klassischen Fernseher fungieren werden. "Ich schau mir dazu gerne die Einrichtung eines Haushalts an", erklärt er. "Fürs Sofa braucht man einen großen TV-Bildschirm." Für den Nebenbeikonsum im Hobbykeller reiche dagegen ein kleines Tablet vollkommen aus.
Der richtige Ort für Widgets
Dem iPad und seinen billigen Android-Konkurrenten könnte in der neuen Web-TV-Welt noch eine weitere Rolle zukommen: TV-Hersteller arbeiten seit Jahren daran, ihre Geräte mit Widgets und Apps fit fürs Netzzeitalter zu machen. Fernseher mit Netzanschluss zeigen per Knopfdruck das aktuelle Wetter, Facebook-Updates und dergleichen mehr an. Born glaubt jedoch, dass Verbraucher gar nicht alles auf dem gleichen Bildschirm im Auge behalten wollen. "Diese Idee der Konvergenz ist ein Mythos", urteilt er. Es sei deutlich sinnvoller, soziale Widgets auf einen zweiten Bildschirm auszulagern, anstatt damit den Fernseher zuzupflastern.
Zustimmung bekommt er dafür von Marie-Jose Montpetit, die am renommierten Massachusetts Institute of Technology (MIT) die Zukunft des Fernsehens erforscht. In einem Interview mit dem "Technology Review" erklärte sie dazu kürzlich, dass soziale Endgeräte eine wichtige Rolle in dieser Zukunft spielen werden. "Wir werden mit den Inhalten auf unserem Fernseher interagieren, aber dafür ein anderes Endgerät nutzen", so Montpetit.
Internet und TV parallel
Vielen Fernsehzuschauern wird diese Idee bekannt vorkommen. Das US-Marktforschungsunternehmen Nielsen geht davon aus, dass mittlerweile 59 Prozent aller Zuschauer während des Fernsehens im Netz unterwegs sind. Der Laptop auf dem Schoß während des abendlichen Fernsehkonsums, komplett mit Twitter-Tratsch über das aktuell laufende Programm, gehört damit für viele längst zum Alltag.
John Gilles vom Tablet-PC-Designer Method Inc. glaubt jedoch, dass diese Notebooks früher oder später flachen Tablets weichen werden. "Es ist einfach ein komfortablerer Formfaktor", so Gilles.
(Janko Röttgers)