Chertoff nimmt Presse in die Pflicht

20.01.2007

In einer Rede vor US-Zeitungsjournalisten scherzt US-Heimatschutzminister Michael Chertoff über das Automated Targeting System zur Bewertung von Flugpassagieren. Unterdessen räumen seine Untergebenen die Passagierüberwachungsprogramme auf.

US-Heimatschutzminister Michael Chertoff hielt am Donnerstag in Washington D.C. eine Rede vor dem Verband der US-Zeitungsjournalisten.

Chertoff versuchte in der betont locker gehaltenen Ansprache, den anwesenden Journalisten ihre Rolle im US-Heimatschutz zuzuweisen.

"Es gehört zu den Aufgaben der Presse, amerikanische Werte zu verteidigen", sagte Chertoff. "Gleichzeitig sollte die Presse die Regierung kontrollieren, denn unsere Regierung kann nicht auf jedes Problem eine Antwort haben und muss manchmal an die Grenzen ihrer Macht und ihre Versäumnisse erinnert werden."

Medien als Panikmacher

Chertoff warf den US-Medien einen verantwortungslosen Umgang mit Informationen über Terrordrohungen vor. Anstatt das Heimatschutzministerium die Bedrohungslage professionell filtern zu lassen, würden zahlreiche Medien die Bevölkerung mit durchgesickerten und wertlosen Informationen unnötig in Panik versetzen.

Als Beispiel brachte Chertoff die Information über eine drohende politisch motivierte Denial-of-Service-Attacke gegen die IT-Infrastruktur wichtiger US-Finanzdienstleister. Sein Ministerium habe die Information in Expertenkreisen prüfen lassen, dabei aber gleichzeitig betont, dass es die Drohung für unglaubwürdig hielte. "Die Massenmedien haben die Geschichte sofort hochgespielt", beschwerte sich Chertoff.

Auch eine angebliche Anschlagsdrohung gegen Football-Stadien, die irgendwo in einem Internet-Forum aufgetaucht sei, wäre von den Medien aufgeblasen worden. "Die Fernsehsender taten so, als handle es sich um den zweiten 11. September", sagte der Heimatschutzminister. "Dabei taucht im Internet viel auf, wenn der Tag lang ist."

Sicherheitsexperte Dave Farber kritisierte seinerseits im Gespräch mit ORF.at die Kommunikationspolitik des Heimatschutzministeriums.

In der anschließenden Frage-Antwort-Runde brachte Chertoff von sich aus den Fall des Automated Targeting Systems [ATS] als Beispiel für aus seiner Sicht fehlgeleitete Berichterstattung.

Das US-Heimatschutzministerium betreibt schon seit vier Jahren ein geheimes Programm, das jeden in die USA Reisenden nach seinem Bedrohungspotenzial bewertet.

"Hosen runtergelassen"

"Wenn du willst, dass etwas geheim bleibt, dann halte eine Rede darüber", scherzte Chertoff: Das ATS existiere schon seit zehn Jahren und er selbst habe schon zahlreiche öffentliche Reden über das System gehalten. Erst als es im Amtsblatt "Federal Register" erschienen sei, hätten es Journalisten entdeckt und als "geheimes Regierungsprogramm" verkauft.

Chertoff: "Ich habe quasi meine Hosen runtergelassen, um auf das Programm aufmerksam zu machen und es hat niemanden interessiert." Beim ATS handle es sich um ein System, für das der Heimatschutz "einige Datenfelder" von den Fluglinien einsammle, um an den Grenzen "einige Leute ausfindig machen zu können, denen wir gerne einige Fragen stellen würden."

Die US-Bürgerrechtsorganisation Electronic Frontier Foundation [EFF] und die Nachrichtenagentur Reuters hatten im November 2006 auf ATS aufmerksam gemacht und dabei festgestellt, dass das System von den Behörden als Überprüfungsroutine für Frachtstücke getarnt war. Die EFF bleibt bei ihrer Darstellung der Sachlage.

Listen ausmisten

Am vergangenen Donnerstag gab unterdessen Kip Hawley, Direktor der Transportation Security Administration [TSA] vor dem US-Kongress in Washington zu Protokoll, dass seine Behörde die berüchtigte "No-Fly-Liste" überarbeiten werde. Die TSA ist dem Heimatschutzministerium unterstellt.

Laut der US-Bürgerrechtsorganisation ACLU enthält die Liste bis zu 350.000 Datensätze über Personen, die nicht in die USA einreisen dürfen oder sich zusätzlichen Sicherheitskontrollen unterziehen müssen. Prominentestes Opfer dieser geheimen Liste dürfte wohl der Liedermacher Yusuf Islam sein, dem 2004 ohne weitere Erklärungen die Einreise in die Vereinigten Staaten verweigert worden war.

TRIP

Ebenfalls am Donnerstag kündigte das Heimatschutzministerium an, ein System namens DHS Traveler Redress Inquiry Program [DHS TRIP] zum 20. Februar dieses Jahres verfügbar machen zu wollen. TRIP soll als Anlaufstelle für Beschwerden von Reisenden dienen, die ins mittlerweile recht engmaschige Netz der US-Passagierüberwachungssysteme geraten sind.

Reisende, die glauben, wiederholt auf Grund falscher Informationen in den Datenbanken des Heimatschutzministeriums zu Unrecht von US-Behörden festgehalten und Kontrollen unterzogen worden zu sein, sollen sich beim TRIP beschweren und auch den Verlauf ihrer Beschwerde online nachvollziehen können.

(futurezone | AP)