© Bild: Ars Electronica, rubra, Tabakfabrik Linz

Arbeit in Zeiten der Krise

ARS ELECTRONICA
04.09.2010

Gemeinschaftsproduktion und Selbstversorgung: Bei der Messe und Diskussionsreihe "Neue Arbeit Neue Kultur" der Ars Electronica in Linz werden Modelle für eine neue Organisation der Arbeit und eine neue Wirtschaft erprobt. Dabei spielen auch neue Technologien und Fertigungsmethoden wie etwa 3-D-Drucker eine gewichtige Rolle.

"Sehr viel von der alten Arbeit wurde durch Globalisierung und Automatisierung abgeschafft", sagt der Philosoph und Gründer der Bewegung für Neue Arbeit, Frithjof Bergmann. "Wir müssen deshalb Arbeit völlig neu organisieren."

In der Linzer Tabakfabrik zeigen Bergmann und seine Mitstreiter im Rahmen der Ars Electronica noch bis Dienstag Möglichkeiten auf, wie sich Arbeit neu denken lässt und wie sich mit Hilfe neuer Technologien und gemeinschaftlicher Produktionsweisen Produkte selbst herstellen lassen.

Linz und Detroit

Bereits 1983 experimentierte Bergmann beim kriselnden US-Autobauer General Motors (GM) in Flint (US-Bundesstaat Michigan) mit Modellen neuer Arbeit. Für die 2002 aufgelassene Mc Gregor Library im nahegelegenen Detroit werden derzeit Konzepte für ein Zentrum für "Neue Arbeit" erdacht. Auf dem Gelände der 2009 geschlossenen Linzer Tabakfabrik wird nun temporär Ähnliches versucht.

Die Situation in Detroit, das vom Niedergang der Automobilindustrie und dem damit einhergehenden Arbeitsplatzverlust gezeichnet ist, habe Ähnlichkeiten mit Linz, meint Bergmann: "Mit dem riesengroßen Unterschied, dass Detroit in einem sehr fortgeschrittenen Stadium einer Entwicklung ist, die sich in Linz erst am Horizont andeutet."

"Spielen und Ausprobieren"

Ein Drittel Erwerbsarbeit, ein Drittel Selbstversorgung und ein Drittel Berufung, schlägt Bergmann als Alternative zum "auslaufenden Jobsystem" vor. Bei der Ausstellung "Neue Arbeit Neue Kultur" werden Bausteine für Bergmanns Modell präsentiert.

"Hier werden Ansätze zu einer radikal neuen von Grund auf anders strukturierten Wirtschaft gezeigt, man kann mit ihnen spielen, mann kann sie ausprobieren", sagt Bergmann: "Man kann sich eine Vorstellung davon machen, wie die nächste Wirtschaft, die nächste Art der Herstellung aussehen könnte."

Apfelbaum im Einkaufswagen

Begrüßt werden die Besucher von Sonnenblumen, Pflanzen und einem Apfelbaum, der aus einem Einkaufswagen ragt. "Die Frage ist, wie wir unsere Einkaufswägen in Zukunft füllen werden", erläutert Thomas Schneider, Kurator der Schau, die sich als "Mischung aus "Landwirtschaftsmesse und Performance" versteht. "Wir könnten etwa im urbanen Raum viel mehr für den Eigenbedarf anbauen."

Auch Algen und Wasserlinsen könnten Probleme der Nahrungsmittelversorgung lösen, so Schneider. Der oberösterreichische Unternehmer Johann Staudinger zeigt etwa ein Sauerstoffimplosionsverfahren zur kontrollierten Algenzucht.

"Wir müssen unsere Produkte auch nicht in großen Fabriken machen, wir können das in mobilen kleinen Werkstätten oder Stadtteilzentren produzieren", fährt Schneider fort. Er spricht von der "Renaissance der kleinen Werkstatt" - sie wird etwa in Entwürfen der Designer von Lucy D sichtbar werden, die auch in Linz zu sehen sind.

Dahinter zeichnet eine Scannermaschine Figuren auf, die in Datensätze umgewandelt und danach auf 3-D-Druckern ausgedruckt werden.

"Das Selbermachen ist das Schwierige"

Mit 3-D-Druckern, Lasercuttern und C&C-Fräsern arbeitet auch das Fab Lab an der RWTH Aachen, das ebenfalls bei der Schau vertreten ist. "Wir sind es gewohnt, Konsumenten zu sein", sagt Fab-Lab-Mitarbeiter Rene Bohne: "Das Selbermachen ist das Schwierige."

Einmal in der Woche hat die Hightech-Werkstatt Tag der offenen Tür. Jeder kann vorbeikommen und sich eigene Entwürfe auf 3-D-Druckern, Lasercuttern oder C&C-Fräsern fertigen zu lassen. Bohne erzählt etwa von einem kaputten Kühlschrankgriff, der durch ein Replikat aus dem 3-D-Drucker ersetzt werden konnte. Die Hersteller hätten kein Interesse, so etwas zu reparieren oder anzubieten, meint er: "Wir versuchen, den Leuten da zu helfen."

Lehrer und Hausfrauen würden ebenso die Möglichkeiten des Fab Lab nutzen wie Informatiker und Firmenbesitzer: "Unsere Besucher setzen sich aus allen Schichten und Berufen zusammen."

"Handwerk zum Kaufen"

Einen Tisch weiter präsentiert die im vergangenen Jahr gestartete Wiener Initiative Wienett ihr "Handwerk zum Kaufen". Die beiden Gründerinnen Martina Gruber und Anita Posch unterstützen mit einem Onlinemarktplatz und einem Geschäft im 15. Wiener Gemeindebezirk Handwerker und Designer beim Verkauf und bei der Vermarktung ihrer Produkte.

"Die Produkte müssen nachhaltig produziert sein", erläutert Gruber: "Wir nehmen auch nur Produkte von Kleinunternehmern." Im Sortiment finden sich etwa Taschen, Schreibwaren, Lampen, Möbel und Schmuck. Die Resonanz auf die Initiative sei sehr gut, sagt Posch, der wirtschaftliche Output sei jedoch noch gering. Finanziert wird Wienett deshalb noch von anderen Projekten der beiden Gründerinnen und von Förderungen.

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Ebenfalls in Linz vertreten ist das Wiener Start-up Garmz, das auf seiner Webplattform Jungdesignern die Möglichkeit gibt, ihre Entwürfe zu präsentieren. Was tatsächlich in Produktion geht, wird dann im Crowdsourcingverfahren von den Nutzern ausgewählt.

Solidarisches Handeln in der Kreativszene

Solidarisches Handeln in der Kreativszene will der Wiener Verlag Neue Arbeit fördern, der unter anderem mit der deutschen Übersetzung des Buches "The Class of the New" des britischen Sozialwissenschaftlers Richard Barbrook bei der Ausstellung präsent ist.

"Probleme lassen sich zusammen besser lösen", sagt Verlagsleiter Gerin Trautenberger: "Die Probleme, die Ich-AGs heute haben, werden in 50 Jahren den Großteil der Bevölkerung betreffen." Bei Veranstaltungen stellt der Verlag auch Projekte vor, die solidarisches Handeln unter Kreativen ermöglichen, wie zum Beispiel das Netzwerk gegen Armut der Caritas, das Austrian Fashion Net, ein Zusammenschluss von Modedesignern, und die Open-Source-Initiative osAlliance.

"Unterschiedliche Entwicklungen verbünden"

Weiter hinten im Raum präsentiert die oberösterreichische Firma inocon den Prototypen einer emissionsfreien Plasmaheizung, die nächstes Jahr auf den Markt kommen soll. Auch geothermale Energie ist bei der Schau ein gewichtiges Thema.

"Die Neue Arbeit sieht ihre Hauptaufgabe darin, den Tumult an unterschiedlichen Entwicklungen zu verbünden", erläutert Bergmann. Daraus solle eine Wirtschaft entstehen, die ökonomische Selbstständigkeit in Verbindung mit gemeinschaftlichen Produktionsweisen ermöglicht.

An der Notwendigkeit einer neuen Organisation von Arbeit zweifelt Bergmann nicht. "Auf uns kommt eine ganze Wucht an neuen Schwierigkeiten zu", so der Philosoph: "Was wir hinter uns haben, ist nicht die Krise, sondern eine erste Böe, der Orkan kommt noch."

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(futurezone/Patrick Dax)