© Bild: Ars Electronica, rubra, Campus-Ausstellung

Smarte Küchen und verspielte Barcode-Scanner

ARS ELECTRONICA: CAMPUS
05.09.2010

Seit 2001 präsentieren sich auf der Ars Electronica unter dem Label Campus renommierte Medienkunst- und Designfakultäten aus Europa, Asien und den USA. Nach dem Media Lab des Massachusetts Institute of Technology und der Universität Tokio in den letzten beiden Jahren präsentiert sich heuer der Fachbereich Media Arts and Sciences der Fachhochschule Darmstadt und das Cork Institute of Technology aus Irland unter dem Titel "Expanded Interface". Ein Lokalaugenschein.

Betritt man die 250 Meter lange Produktionshalle in Bau 2 der historischen Austria Tabakwerke weht einem neben dem Geruch getrockneter Tabakblätter Clubmusik entgegen. Auf einer Metallbox neben dem Eingang stehen zwei Aschenbecher. Daneben sind zwei Zigarettenschachteln und einige lose Zigaretten platziert.

Die Installation entpuppt sich als Interface, mit dem man ein DJ-Set steuern kann. Hinter jeder Einkerbung des Aschenbechers und in den Zigarettenschachteln stecken Fotosensoren, die Lichtintensität messen, erklärt Christian Losert, der gemeinsam mit Paul Schengenber den Synthesizer, die "Ziggybox" gebastelt hat. Öffnet und schließt man die Zigarettenschachteln, kann man dadurch die Töne modulieren.

Action Cooking

Neben dem Zigarettensynthesizer oder einem mit GPS aufgetuneten Blindenstock findet sich eine interaktive Küchenoberfläche unter den Exponaten. Die nach dem fünften Geschmackssinn Umami benannte Touchscreen-Platte erkennt Lebensmittel und schlägt aus der Datenbank die passenden Rezepte vor, sagt Mischa Korn, einer der Entwickler der smarten Arbeitsplatte. Obendrein werden dabei noch etwaige Allergien, Vorlieben und die Vorratslage der Benutzer berücksichtigt. Das System leitet die Zubereitung der Gerichte und die einzelnen Arbeitsschritte an. Auf fettige Fingerabdrücke oder verschüttetes Wasser ist der Prototyp allerdings noch nicht geeicht, muss Mischa Korn zugeben.

Schöner Stromsparen

Ästhetisch und konzeptionell beeindruckt auch die Arbeit "Ambient Knowledge" des irischen Studenten Alan Meany. In Plastikobjekte eingearbeitete Leuchtdioden zeigen mittels verschiedener Farben in Echtzeit den Energieverbrauch von unterschiedlichen Häusern in seiner Heimatstadt Dublin an - von Grün über Blau bis Dunkelrot. Mittels Transformator und Wechselstrom-Spannungsumwandler generiert Meany Signale, die proportional zur Spannung und Stromstärke sind. Das Interface versorgt die Nutzer mit Informationen, ohne besondere Aufmerksamkeit oder zusätzliche Interaktion einzufordern und könnte als Energieinformationsanzeige häuslichen Bereich eingesetzt werden.

Playful Interfaces

Seit Jahren sind die Studierenden des Studiengangs Interface Cultures der Linzer Kunstuniversität Stammgäste in der Campus-Reihe. Unter dem Motto "Playful Interfaces" gehen sie spielerisch an die Gestaltung der Mensch-Computer-Schnittstelle heran. So gibt es neben dem klassischen Ausstellungsbereich ein Open Lab, in dem Studierende Einblicke in noch nicht fertige Arbeiten bieten und eine kleine Gamehölle, in der man sich an Videospielen mit vollem Körpereinsatz ausprobieren kann.

Bei der besonders bei Kindern sehr beliebten Installation "Shopping in 1 minute" geht es darum, so schnell wie möglich die Etiketten auf Plastikbehältern mit einem Barcode-Scanner auszulesen. Die Scores werden dabei auf Thermopapier ausgedruckt, fast genauso wie im Supermarkt. Der schnellste Kassier gewinnt.

"Die Leute lieben das Spiel", sagt die estnische Medienkünstlerin Varvara Guljajeva. "Wie man sieht, besteht es nur aus einem Einkaufswagen mit einer Leuchttafel, wie man sie von den Arcade-Spielen aus den 1980er Jahren kennt. Die Herausforderung bestand für uns darin, keinen Bildschirm zu verwenden und obendrein auch etwas über unsere Gesellschaft auszusagen."

Handschuh mit Puls

Für den Kurator und Mitarbeiter am Institut für Interface Cultures, Georg Russegger, ist der Zugang der Studierenden, Technologien genauer unter die Lupe zu nehmen und sie oftmals nicht gar zu ernst zu nehmen, der rote Faden der Ausstellung.

"Oftmals wird eine Technologie, die eigentlich noch nicht sehr ausgereift ist, als neu und großartig an die Gesellschaft vermittelt. Als Künstler hat man hier vielleicht eine Sonderrolle. Dadurch, dass man sich schon etwas früher damit auseinandersetzt, kann man überzogene Erwartungen ein wenig relativieren."

In der Halle nebenan haben es sich die beiden Künstlerinnen Vesela Mihaylova und Myrissini Antoniou in einer 60er-Jahre-Wohnzimmerkulisse gemütlich gemacht. Sie sitzen auf einem grünen Sofa und flicken mit Nadel und Faden zwei mit Sensoren und Kabeln ausgestattete Gartenhandschuhe. Die zwei Grafikerinnen präsentieren schmunzelnd ihre sogenannten Glovatrones, Handschuhe, die den Pulsschlag einer Person auf eine andere übertragen können und so die Präsenz eines Menschen fühlbar machen sollen. Doch kann Technik menschliche Nähe wirklich ersetzen? Die beiden Mediendesignerinnen sind skeptisch. "Natürlich können uns Technologien in vielen Bereichen das Leben vereinfachen. Doch manche Dinge können und sollen sie uns nicht abnehmen."

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(Anna Masoner)