Musikkonzerne im Kopierschutzdilemma

22.01.2007

Auf der Musikmesse MIDEM in Cannes wird das Thema Digital Rights Management [DRM] kontroversiell diskutiert. Elektronikhersteller und Online-Musikanbieter sprechen sich gegen die Verwendung von DRM aus. Die Musikkonzerne geben sich zurückhaltend.

Auf einem Panel zum Thema DRM auf der MIDEM kam es am vergangenen Samstag beinahe zu Handgreiflichkeiten. Dabei standen einander Mitch Bainwol, der Chef des US-Musikindustrieverbandes RIAA, und Gary Shapiro von der Consumer Electronics Association [CEA] gegenüber.

"Konsumenten lehnen DRM ab"

Shapiro verwies darauf, dass Kopierschutztechnologien, die verhindern, dass Inhalte zwischen verschiedenen Geräten transferiert werden können, von einem Großteil der Konsumenten abgelehnt würden.

Die CEA klärt derzeit US-Konsumenten mit der Kampagne "digital freedom" über ihre Rechte im Umgang mit Inhalten auf.

"Personifizierung des Bösen"

Bainwol warf Shapiro daraufhin vor, er würde dabei mithelfen, den Respekt vor dem Urheberrecht zu untergraben, und die Musikindustrie wie eine Personifizierung des Bösen erscheinen lassen.

Shapiro konterte mit der Aussage, dass es wohl die Klagen der RIAA gegen Nutzer von Online-Tauschbörsen seien, denen die Musikindustrie dieses Image verdanke ["I don’t make you look evil - your lawsuits against old people around the country make you look evil"], berichtet das Branchen-Weblog Paidcontent.org. "Die haben wirklich gefetzt", meinte ein Beobachter gegenüber ORF.at.

"Strategie überdenken"

Aber auch die Betreiber von Online-Musikshops nehmen zunehmend eine ablehnende Haltung gegenüber Systemen zur digitalen Rechteverwaltung ein. Die Musikkonzerne müssten im Online-Musikhandel von Kopierschutzbeschränkungen durch DRM-Systeme absehen, um wieder auf den Wachstumspfad zurückzukehren, sagte RealNetworks-Chef Rob Glaser.

Die fehlende Interoperabilität der verschiedenen Musikformate sei das fundamentale Problem, meinte er gegenüber der "Financial Times". Glaser forderte die Musikkonzerne auf, ihre Strategie für Downloads aus dem Internet zu überdenken, berichtet die Zeitung.

Weil MP3-Files beliebig oft kopiert werden können, haben sich die vier großen Musikkonzerne Universal Music, EMI, Warner Music und Sony BMG bisher dem digitalen Musikformat verweigert. Stattdessen setzten sie auf den Verkauf von Musik-Files in kopiergeschützen Formaten, die untereinander nicht kompatibel sind und so häufig zu Frustrationen bei den Käufern von Online-Musik führten. So können etwa im Apple iTunes Music Store gekaufte Songs nur auf dem Apple-Player iPod abgespielt werden. MP3s sind hingegen nicht mit Kopierschutzbeschränkungen versehen und lassen sich auf fast allen erhältlichen digitalen Musik-Playern abspielen.

Digitale Wasserzeichen

Eine Lösung sieht Glaser in der Verwendung von digitalen Wasserzeichen bei Musik-Downloads. Die Files könnten auf allen erdenklichen Endgeräten angehört werden.

Im Falle eines Verstoßes gegen das Urheberrecht ließe sich jedoch der Käufer des Files zurückverfolgen und gegebenenfalls bestrafen, sagte Glaser der "Financial Times".

Musik-Downloads haben der Musikindustrie 2006 rund zwei Milliarden Dollar eingebracht - die sinkenden CD-Verkäufe konnten aber nicht wettgemacht werden. Der Gesamtmarkt sei im vergangenen Jahr leicht geschrumpft, sagte John Kennedy, der Chef des Branchenverbandes IFPI auf der Midem. Für 2007 rechnet Kennedy mit einem weiteren Umsatzrückgang in der Größenordnung von drei bis vier Prozent.

Musikkonzerne zurückhaltend

Die großen Musikkonzerne gaben sich auf der MIDEM zum Thema Kopierschutz zurückhaltend. Universal-Manager Rob Wells rechnet für 2007 mit Experimenten einiger Majors beim Verkauf von Musik-Files ohne Kopierschutz.

IFPI-Vertreter Geoff Taylor warnte unterdessen davor, mit dem Verkauf von MP3s "den Geist aus der Flasche zu lassen". Er rechnete damit, dass die Interoperabilität zwischen den verschiedenen Musikformaten schon bald gegeben sein werde. Er sei optimistisch, dass Kopierschutzsysteme dann auch auf die Akzeptanz der Konsumenten stoßen würden, sagte er bei einer Diskussionsveranstaltung auf der MIDEM.

Indies lizenzieren MP3s an MySpace

Martin Mills vom britischen Indie Beggars Group sieht derzeit durch den MP3-Verkauf einen Wettbewerbsvorteil der unabhängigen Labels im Online-Musikmarkt. Der MP3-Verkauf, meinte der Label-Manager, sei nicht mehr aufzuhalten. Vor allem auch deshalb nicht, weil jede Woche hunderte CDs ohne Kopierschutzbeschränkungen veröffentlicht werden, zitierte Paidcontent.org Mills.

Die von zahlreichen unabhängigen Labels am vergangenen Samstag in Cannes vorgestellte Lizenzierungsagentur Merlin hat unterdessen eine Vertriebsvereinbarung mit der Social-Networking-Site MySpace bekannt gegeben. Die Downloads sollen als MP3s verkauft werden, hieß es seitens der Non-Profit-Agentur.

(futurezone | Financial Times | Paidcontent.org)