Neuer Anlauf für GPS-Autoversicherung
Das Versicherungsunternehmen Uniqa will im Herbst 2007 mit einem über GPS kontrollierten fahrtkilometerabhängigen Tarifmodell für die Autoversicherung starten. Die ARGE Daten sieht das Modell als Einstieg in die totale Verkehrsüberwachung.
Rund 300 Kunden haben in den vergangenen Monaten am Testbetrieb eines Systems teilgenommen, mit dem der führende österreichische Versicherungskonzern Uniqa seine Tarifmodelle in der Autoversicherung optimieren möchte.
"Unsere Marktforschung hat ergeben, dass 900.000 österreichische Autofahrer weniger als 10.000 Kilometer im Jahr fahren", sagt Andreas Kößl, Bereichsleiter Kfz-Versicherungen im Gespräch mit ORF.at, "700.000 davon sind nicht bei uns versichert. Das ist ein großer Markt."
Die Uniqa testet nach Kößls Angaben das System schon seit 15 Monaten. Schon 2006 wandte sich die ARGE Daten energisch gegen das GPS-Tarifsystem.
Der Satellit weiß alles
Dieser Zielgruppe der Wenigfahrer möchte die Uniqa ab Herbst 2007 ein verlockendes Angebot machen. Wer sich eine so genannte Navi-Box installieren lässt und weniger als 5.000 Kilometer im Jahr fährt, soll 35 Prozent seiner Versicherungsprämie sparen können. Bis 10.000 Kilometer Fahrleistung wird die Prämie fließend nach oben hin angepasst. Fährt der Kunde mehr als 10.000 Kilometer, kommt die so genannte Normalprämie zum Tragen, die dann aber fix bleibt.
Das System, dessen Anlaufinvestitionen bei zirka einer halben Million Euro liegen, wird von Uniqa, IBM, ÖAMTC und Mobilkom entwickelt. Die Navi-Box selbst stammt vom italienischen Anbieter MetaSystem, der nach Angaben von Andreas Kößl schon 200.000 GPS-Boxen im Auftrag italienischer Versicherer als Diebstahlsicherungen verbaut hat. Auf den Hersteller der Boxen für das endgültige System wollte sich Kößl noch nicht festlegen.
Die Navi-Box erfasst via GPS die Bewegungen des im System registrierten Fahrzeugs und meldet diese ein Mal täglich über das Mobilfunknetz an einen Datenverarbeitungsdienstleister, den sich die Uniqa noch aussuchen möchte. Der Dienstleister übermittelt dann an die Uniqa die mit dem Fahrzeug zurückgelegte Strecke und ob auf Landstraßen oder Autobahnen oder in Städten gefahren wurde. Außerdem erfasst das System, ob das Automobil bei Tag oder Nacht unterwegs gewesen ist.
Gerechtigkeit für Stadt und Land
Uniqa und ihre Partnerunternehmen bieten den Navi-Box-Kunden für neun Euro im Monat außerdem ein Sicherheitspaket an, bei dem ein Crash-Sensor Unfälle per Mobilfunk an den ÖAMTC weiterleitet. Der Automobilclub ruft dann automatisch den Fahrzeughalter an und bietet seine Unterstützung an. Darüber hinaus steht den Kunden eine Notfalltaste zur Verfügung, über die sie per Knopfdruck ihre Position an den Rettungsdienst übermitteln können. Selbstverständlich kann das Auto auch im Fall eines Diebstahls über das System geortet werden. Die Navi-Box selbst soll inklusive Einbau um die 100 Euro kosten.
"Der Einbau ist einfach", sagt Andreas Kößl, "Die Box wird nicht in die Fahrzeugelektronik integriert. Sie hängt nur am Zündstrom, damit sie weiß, wann sie mit dem Messvorgang beginnen soll." Die Versicherung etabliert derzeit ein Netz von Vertragswerkstätten, die den Einbau der Boxen vornehmen sollen.
Night and Day
Die Boxen liefern der Uniqa jedenfalls eine Flut wichtiger Daten zur Berechnung neuer Prämienmodelle. Schon heute denke das Unternehmen daran, so Andreas Kößl, die Tag- und Nacht-Fahrphasen zur Prämienberechnung hinzuzuziehen. Jedenfalls werde die Prämienberechnung gerechter: "Wiener zahlen ja mehr für ihre Kfz-Versicherung als Leute vom Land. Ich kenne aber Wiener, die kaum in der Stadt mit dem Auto fahren, aber viele Leute, die auf dem Land wohnen und häufig in Wien unterwegs sind."
Das GPS-Modell soll die herkömmlichen Versicherungsangebote der Uniqa aber nicht ersetzen, beteuert Kößl.
"Science Fiction"
"Eine Anwendung wie aus einem Science-Fiction-Film", findet Hans Zeger, Obmann der ARGE Daten. "Das Auto wird rund um die Uhr überwacht." Mit Zustimmung des Kunden sei die Datensammlung jedoch erlaubt, da sie dem Zweck des Unternehmens diene. "Der Kunde muss jedoch 'in Kenntnis der Sachlage' unterschreiben. Dabei weiß nicht jeder Autofahrer, worauf er sich bei diesem Versicherungsmodell einlässt."
Auch wenn die Daten gefiltert bei der Versicherung ankämen, würden sie dem Unternehmen tiefen Einblick in die Lebensgewohnheiten des Kunden liefern. "Das System weiß auch, wie schnell seine Teilnehmer unterwegs sind. Wenn der Kunde in einen Autounfall verwickelt ist, könnte die Versicherung schnell sein Bewegungsprotokoll auswerten und feststellen, dass er vor dem Unfall zu lange zu schnell unterwegs gewesen ist und eine Mitschuld am Unfall feststellen", sagt Zeger.
Einstieg der Großversicherer
"Der Einstieg in das System wird billig sein. Aber alle Uniqa-Versicherten werden seinen Betrieb subventionieren müssen", wendet Zeger ein. Kößl ist naturgemäß anderer Ansicht: "Es wird sich rechnen." Die Tarife will er noch nicht bekannt geben. "Die Konkurrenz beobachtet unseren Versuch genau. Die Zürich-Versicherung in der Schweiz und die Axa DBV-Winterthur in Deutschland arbeiten an ähnlichen Systemen und man munkelt, dass schon bald einer der ganz großen deutschen Versicherer in diesen Markt einsteigen wird", sagt Kößl.
Seit die Uniqa öffentlich über ihr System diskutiert, gibt es auch Bedenken, dass die ermittelten Daten auch zu anderen Zwecken als nur der Prämienabrechnung verwendet werden könnte. Für Versicherungen, die in mehreren Sparten arbeiten, wäre es lukrativ, die gesammelten Daten über ihre Kunden zur Berechnung der verschiedenen Prämien miteinander abzugleichen. Notorische Schnellfahrer, bei denen der Versicherungsarzt zu hohen Blutdruck diagnostiziert, könnten schnell einen Prämiensprung hinnehmen müssen. Dürften die Versicherer das überhaupt?
Datenschutz und Interpretationsmacht
"Alle relevanten Bedingungen müssen im Vertrag offen gelegt werden", sagt Andreas Kößl von der Uniqa, "Ich kenne kein Beispiel aus der Praxis, in dem ein solcher Datenaustausch vorgekommen wäre." Zeger sieht hier allerdings Nachholbedarf im Datenschutzgesetz [DSG]: "Zu diesem Problem gibt es im DSG nur allgemeine Formulierungen. Ob Versicherungen diese Daten intern weitergeben dürfen, müssten erst Gerichte klären. Vorerst liegt die Interpretationsmacht bei der Versicherung."
Weiterhin, so Zeger, würden die mit dem GPS erhobenen Datenbestände auch Begehrlichkeiten Dritter wecken: "Die Polizei könnte im Rahmen von Ermittlungen auf diese Daten zugreifen."
Individualisierung des Risikos
Sicher ist jedenfalls, dass genauere Überwachung der Lebensumstände von Versicherten auf eine verstärkte Individualisierung des Risikos hinausläuft. Je stärker wiederum die Prämiengestaltung auf ökonomischen Druck hin individualisiert wird, desto ungleicher werden die Versicherungsbedingungen. Die Versicherung reduziert sich somit von einer Solidargemeinschaft auf eine Profitmaschine. "Das ist die Aufgabe des Versicherungsgedankens", stellt Hans Zeger fest.
Die deutsche Bürgerrechtlerin Rena Tangens im Gespräch mit ORF.at über die Rolle von Überwachungssystemen im Rahmen der Entsolidarisierung der Gesellschaft.
(futurezone | Günter Hack)