EU-Gedenken an den Datenschutz
Durch eine Initiative des Europarats und der EU-Kommission wurde der 28. Jänner zum europäischen Tag des Datenschutzes ausgerufen. Im selben Jahr 2007 werden die bestehenden Datenschutzgesetze der Union auf den Kopf gestellt, was Behörden und Providern vorher verboten war, wird nunmehr Pflicht.
Auf Initiative des Europarats und der EU-Kommission wird heuer der 28. Jänner europaweit als Datenschutztag - ja was? Gefeiert? Zum Feiern gibt es wenig Grund in einem Jahr, in dem quer durch den Kontinent die nationalen Datenschutzgesetze durch "Data-Retention" auf den Kopf gestellt werden.
Was bis jetzt noch in Österreich und anderswo verboten ist, nämlich personenbezogene Verkehrsdaten aus Telefonienetzen und dem Internet ohne konkreten Anlass dauerhaft zu speichern, wird anno 2007 in Europa Pflicht.
Allen Grund zum Feiern haben heuer jedenfalls die Unternehmen aus dem Storage-Sektor, denn die Zahl der Verkehrsdatensätze, die pro Kundenanschluss im System aktuell gehalten werden müssen, wird sich bei jedem Festnetz- und Mobilfunkbetreiber Europas verdoppeln bis verdreifachen.
Ab September muss auch in Österreich flächendeckend registriert werden, wer mit wem wann wo kommuniziert. Dass diese "Call Detail Records", die das komplette soziale Netzwerk einer Person mit Namen und Adressen offen legen, nur ausgewertet werden, wenn ein Gericht von einem Straftatbestand ausgeht, das wird versichert.
"Datenschutz" in Italien ...
Ein Blick über die südliche Landesgrenze genügt, um derartige Zusicherungen arg zu relativieren. Die italienische Telekom wird gerade von einem Skandal erschüttert, der sich vor allem um den systematischen Missbrauch von Verkehrsdaten und illegale Abhöraktionen dreht.
Eine Woche vor dem europäischen Datenschutztag gab es in Italien erneut vier hochkarätige Verhaftungen, zwei Dutzend Personen sind mittlerweile eingesperrt.
... Ex-Carabinieri als CTOs
Drei ehemalige Sicherheits- und Netzwerkchefs der Telecom Italia bzw. der Mutterfirma Pirelli sowie die ehemalige Nummer zwei des italienischen Militärgeheimdienstes SISMI sind darunter, die übrigen Personen sind Polizisten und Telekom-Techniker sowie zwei Journalisten einer Zeitschrift, die der österreichischen Postille "Zur Zeit" vergleichbar ist.
Zwei dieser drei Sicherheitschefs waren davor hochrangige Carabinieri, ein weiterer Ex-Polizist, der den Skandal ins Rollen gebracht hatte, stürzte von einer Brücke in den Tod.
Es geht um Tausende Personendossiers, die aus den Datenbeständen der italienischen Telekom zusammengestellt, weiterverkauft und für Erpressung benutzt wurden.
Dass sich auch Pirelli-Chef Marco Tronchetti Provera im bevorstehenden Prozess wird verantworten müssen, rundet dieses italienische Sittenbild von Datenmissbrauch ab.
Rechtsunsicherheit in Österreich
Mit einem Fall kollidierender Gesetze und Urteile zur Qualität von Verkehrsdaten hat es Österreichs neue Ministerin für Justiz, Maria Berger [SPÖ], zu tun. Berger, die den umstrittenen EU-"Kompromiss" zur verpflichtenden Verkehrsdatenspeicherung im EU-Parlament mitgetragen hatte, muss ein Rechtsdilemma lösen: Speicherverbot oder Speicherpflicht.
Der Kern des Problems ist Unsicherheit darüber, wie ein auf einem Urteil des Obersten Gerichtshofs aufsetzender Erlass des Justizministeriums über die "formlose" Weitergabe dynamischer IP-Adressen mit den Bestimmungen des Telekom-Gesetzes zusammenpassen soll, das eine Speicherung dieser Daten verbietet.
Finanz- und Flugpassagierdaten
Was einen der Urheber des europäischen Datenschutztages, die EU-Kommission, angeht, so muss diese zusehen, wie US-Behörden auch weiterhin große Mengen europäischer Finanz- und Flugpassagierdaten absaugen und tiefenanalysieren.
Der EU-Kommission ist es in vier Jahren nicht gelungen, diesen nach europäischen Maßstäben schlicht illegalen Transfer von Datensätzen aus den Systemen der europäischen Flugbuchungszentrale Amadeus und dem Netzwerk für Finanztransaktionen SWIFT abzustellen.
Bald schon Gedenktag
Der Europarat wiederum hat mit der jahrelang umstrittenen "Konvention zu Cyber-Crime" den Weg für die "Data-Retention"-Richtlinie geebnet. Die Anforderungen zur Überwachbarkeit aller Kommunikationsnetze im Cyber-Crime-Vertrag werden durch die verpflichtende Bereitstellung der nötigen Anzahl an Datensätzen in der EU-Richtlinie lediglich ergänzt.
Da es außer für den Lieferanten dieser Speichersysteme für keinen der Beteiligten an diesem 28. Jänner etwas zu feiern gibt, kann der europäische Datenschutztag also maximal "begangen" werden.
Die andere Möglichkeit ist, dass es sich beim 28. Jänner 2007 bereits um einen Gedenktag handelt. Erstmals begangen im Jahr der europaweiten Einführung von "Data-Retention", was wörtlich übersetzt "Datenverhaltung" heißt. Ganz offensichtlich ist es dem ursprünglichen medizinischen Terminus für "Harnverhaltung" [Urine-Retention] nachgebildet, einer Vergiftungskrankheit, die mittelfristig tödlich ist.
(futurezone | Erich Moechel)