Bildquelle: Microsoft

Windows Vista: Die lauwarme "Revolution"

28.01.2007

"Wow" - diese Reaktion erhofft sich Microsoft von seinen Kunden, wenn sie das erste Mal das neue Betriebssystem Windows Vista sehen. Doch selbst bei näherem Hinschauen reißt Vista nicht vom Hocker - außer mit seinem übermäßigen Speicherhunger.

Wenn am 30. Jänner 2007, nach [je nach Rechnung] sechs Jahren Entwicklungszeit, Microsofts neuestes Betriebssystem Windows Vista auch für Privatkunden in die Regale kommt, werden sich wohl kaum die gleichen Szenen wie noch bei Windows 95 abspielen: Im August 1995 standen die Leute Schlange, um als Erste die nächste Windows-Generation zu bekommen.

Die Geschichte wiederholt sich [nicht]

Windows 95 brachte im Vergleich zu Windows 3.1 deutliche Änderungen und Verbesserungen [manche erst im Laufe der Jahre]:

Bereits von außen erkennbar an einer neuen Benutzeroberfläche [GUI], gab es große Änderungen an den zu Grunde liegenden Strukturen [Unterstützung von Dateinamen bis 255 Zeichen, 32-Bit-Architektur mit Multitasking, Unterstützung von FAT32 ab Version b usw.].

Windows 95 sorgte weiters für eine Reihe von Problemen, vor allem mit seiner Instabilität. Zudem lief Windows 95 erst ab einem 386er.

Die Vista-Geburt ist von einer Reihe Verschiebungen und Neudefinitionen geprägt: Bereits 2000 kündigte Microsoft-Chef Bill Gates einen Nachfolger zu Whistler [XP] an. 2001 versprach er Longhorn [Vista-Codename] für 2003, während Blackcomb von 2002 auf 2005 verschoben wurde.

Was aus den Ankündigungen wurde

Vergleichbares stellte Microsoft einst auch für Windows Vista in Aussicht: eine neue Benutzeroberfläche, sichere und einfachere Programmierschnittstellen [API] und vor allem WinFS [Windows Future Storage].

Die NTFS-Dateierweiterung WinFS sollte durch eine assoziative Dateiverwaltung eigentlich für eine bessere Auffindbarkeit von Daten sorgen, für Gates einst der "Heilige Gral". Doch schon Mitte 2004 musste Microsoft WinFS aus Vista herausnehmen, um nicht allzu sehr in Verzug zu geraten.

Optisch aufpoliert

Die neue Vista-Benutzeroberfläche Aero löst beim ersten Betrachten zwar Wohlwollen, aber keine Begeisterung aus. Ein wenig Transparenz, größere und detailreichere Icons und Dateiordner, die im Miniformat den Inhalt anzeigen - Apple-User gähnen bei solchen Ansichten.

Die in Vista neu eingeführten Gadgets [in der deutschen Version heißen sie Mini-Anwendungen] können altgediente Apple-User ebenso wenig überzeugen, und auch altgedienten PC-Nutzern kommt der Ansatz wohl mehr als bekannt vor.

Während diese Mini-Anwendungen, etwa für das Einblenden von RSS-Feeds oder Post-its, früher ausschließlich von Dritten angeboten wurden, kommen sie nun direkt von bzw. über Microsoft.

Neue Spiele vs. mehr DRM

Es gibt auch Nützliches von Vista zu berichten: eine verbesserte Rechte- und Benutzerkontenverwaltung, neue Anwendungen [Windows Mail, Windows Kalender, neue Spiele] und, selbst ohne WinFS, verbesserte Suchmöglichkeiten und Spracherkennung.

Dem stehen jedoch ein verstärkter Kopierschutz für Musik und Videos und die nunmehr fix integrierte Windows-Echtheitsprüfung [Windows Genuine Advantage] gegenüber.

Selbst wer zu diesem Zeitpunkt noch überlegt, die Vorteile gegen die Nachteile einzutauschen, dem sei ans Herz gelegt: Ohne ausreichend Rechenkraft und die passende Software ist Vista schnell eine lahme Ente.

Zum Test wurden auf einem Standrechner [P4 mit 2,4 GHz, ein GB RAM, NVIDIA GeForce FX 5200, 250 GB Festplatte] Vista Ultimate und Windows XP MCE im Dual-Boot-Verfahren auf zwei eigenen Partitionen installiert. Vista vergab dafür die Note zwei [wegen zu wenig Arbeitsspeicher auf der Grafikkarte].

Massiver Speicherhunger

Vista Ultimate belegt auf dem Testrechner mit seinem Windows-Ordner über sieben GB Speicherplatz, einem [in den Multimedia-Funktionen] vergleichbaren XP MCE reichen hingegen "schlanke" 1,74 GB.

Während der Rechner mit einem GB RAM unter XP keine Probleme macht und ausreichend Geschwindigkeit auch für rechenintensive Arbeiten liefert, kommt die Arbeit unter Vista [mit Sidebar, ohne Aero-Transparenz] mitunter so sehr ins Stocken, dass als Nächstes der seit Windows 95 gefürchtete "Blue Screen of Death" erwartet wird.

Nach einer mehr oder weniger kurzen Verschnaufpause ackert Vista zwar weiter, ohne allerdings die Verzögerungen zu erkären.

Passende Software fehlt meist

Mühsam sind auch die, naturgemäß, üblichen Anlaufschwierigkeiten: die passende Software. Auf der einen Seite fehlen noch eine Reihe Gerätetreiber für Vista, auf der anderen Seite lässt sich manche Windows-Software zwar wie gewohnt installieren, aber danach nicht mehr ausführen.

Abseits davon gab es beim Umstieg von XP auf Vista keinerlei Probleme - wer XP kennt, kann auch mit Vista umgehen. Nur die Suche nach manchen bisher blind auffindbaren Funktionen kann länger dauern.

So ließ sich Logitech-Software für eine kabellose Maus und Tastatur zwar installieren, allerdings fuhr die Installationsroutine den PC im Anschluss und ohne Nachfragen direkt runter. Seitdem wurde die Software nicht mehr gesehen. Auch die PC-Suite von Sony Ericsson verweigert unter Vista ihren Dienst.

Sechs Milliarden US-Dollar

Einige dieser "Anlaufschwierigkeiten" werden sich im Laufe der Zeit legen, doch selbst dann gibt es keinen augenscheinlich triftigen Grund, von einem funktionierenden XP-System auf Vista umzusteigen.

Es stellt sich bei der Nutzung von Vista die Frage, wo genau die sechs Milliarden US-Dollar in den Jahren Entwicklungszeit für Vista verbraten wurden.

Erstes Service Pack kommt 2007

Vielleicht kann ja das bereits für dieses Jahr angekündigte erste Service Pack Klarheit schaffen. Oder der erste Virenangriff durch eine Sicherheitslücke, auf deren Spur sich nach dem Launch sicherlich der eine oder andere begeben werden.

Nur eins ist fix: Spurlos vorbeikommen werden PC-Nutzer an Vista früher oder später auf keinen Fall. Ab 30. Jänner wird wohl jeder neue Windows-Rechner mit Vista ausgeliefert.

Viel Zeit hat sich Microsoft bei der Auswahl der passenden Systemklänge gelassen: 18 Monate soll die Produktion für Töne wie den nur vier Sekunden dauernden neuen Windows-Startsound gedauert haben.

(futurezone | Nadja Igler)