Mechanische Beats und NASA-Disco
Zur Eröffnung der transmediale gibt es mechanische Beats von Pierre Bastien und einen ersten Einblick in die Festival-Ausstellung, die unter dem Generalthema des Festivals, "unfinish", unter anderem Weltraumgeräusche und Überwachungsbilder präsentiert.
Am späten Dienstagnachmittag beginnt sich der Eingangsbereich der Berliner Akademie der Künste am Hanseatenweg langsam zu füllen. Bevor um 19.00 Uhr hier die transmediale eröffnet wird, werden Akkreditierungen abgeholt, Begrüßungen ausgetauscht und das WLAN im Cafe getestet.
Auch der Wiener Medienkünstler Emanuel Andel sitzt über seinen Laptop gebeugt im Foyer. Er bastelt an Tagr.tv, einer Medienkunstplattform, die künftig ausführlich mit Videos, Sounds, Bildern und Texten von Festivals berichten will.
Die transmediale ist gewissermaßen der Betatest für das von Andel gemeinsam mit Ella Esque, Andreas "Muk" Haider und Peter Scharmüller betriebene netz.netz-geförderte Projekt. In den nächsten Tagen sollten dort Videos und Berichte vom Festival zu finden sein. Noch wird am Redaktionssystem herumgeschraubt.
Um 19.00 Uhr wird das Festival für Kunst und digitale Kultur, wie die transmediale seit dem vergangenen Jahr offiziell heißt, schließlich eröffnet. Das geräumige Studio der Akademie der Künste ist bis zum letzten Platz gefüllt.
Grußworte kommen auch vom deutschen Kulturstaatsminister Bernd Neumann. Dessen [kurze] Anwesenheit soll auch den Stellenwert unterstreichen, den das nunmehr 20 Jahre alte Festival für digitale Kunst mittlerweile hat. Gelegenheiten zur Rückschau werden sich in den nächsten Tagen noch genug ergeben.
Projektionen von Pierre Bastiens Orchesterkonstruktion "Mecanicum" bei der Eröffnung der transmediale
==Mechanische Beats==
Der französische Musiker Pierre Bastien, der in der vergangenen Woche in der Berliner Volksbühne bereits den club transmediale eröffnet hat, bringt seine Orchesterkonstruktion "Mecanicum" in Stellung.
Die aus Metallbaukästen zusammengesetzten Apparate werden von Bastien vom Bühnenrand aus per Fingerdruck in Bewegung gesetzt und gesteuert. So entstehen sich überlagernde Soundschleifen aus "Märklin-Beats", die die mechanische Apparatur mit den Loops und repetitiven Strukturen der elektronischen Musik kurzschließen und sie ganz im Sinne des diesjährigen Themas der Transmediale - "unfinish" - neu justieren.
Überwacht: Die Besucher der transmediale in David Rokerbys "Taken"
==Überwachung ...==
In der Ausstellungshalle im ersten Stock der Akademie der Künste begrüßt die interaktive Videoinstallation "Taken" von David Rokeby die Besucher mit drei an der Decke angebrachten "Überwachungskameras". Die Bilder werden großflächig an die Wand projiziert, geloopt und gefiltert.
Ab und an werden Bilderverzeichnisse von den letzten 200 Ausstellungsbesuchern generiert und einzelne unscharfe Porträts isoliert, die dann denunziatorisch mit Adjektiven versehen werden: "unduly concerned", "remembered", "hungry", "complicit".
"Death Before Disko" von Herwig Weiser
==... und NASA-Disco==
Gleich daneben beschallt der österreichische Medienkünstler Herwig Weiser einen abgetrennten Raum mit von der NASA aufgenommenen Tonaufzeichnungen aus dem Weltraum.
Die zuvor mit Sound-Software bearbeiteten extraterrestrischen Klänge werden über eine wahrlich beeindruckende Maschine, die ein wenig so aussieht wie ein transparenter High-End-Verstärker, regelrecht in den Raum geblasen.
Immer wieder legen Besucher ihre Hand auf die vibrierenden Membranen des blinkenden Geräts. "Der Künstler als Entertainer im Dienste der vor sich hindümpelnden US-Raumfahrt?" fragt die "taz" in ihrer Mittwoch-Ausgabe. Am Donnerstag wird Weiser im transmediale-Salon zu "Death before Disko", so der Titel der Installation, Auskunft geben.
Wissenschaft als Theater
Weitere Höhepunkte der Ausstellung sind der für den transmediale Award nominierte "Hörfilm" "Proof of Life" von Herman Asselberghs, in dem Bilder eines leeren Raumes mit beunruhigenden Szenarien auf der Tonspur kontrastiert werden, sowie das Video "Setting 04_2006" des Wiener Duos Herwig Türk und Günter Stöger.
Das zeigt und überblendet die Handbewegungen einer Wissenschaftlerin - allerdings ohne das dazugehörige Instrumentarium - während eines Labortests in vier aufeinander folgenden Durchgängen. Das wissenschaftliche Experiment gerät so zur in der Endlosschleife delirierenden theatralischen Performance.
Noch bis zum Sonntag wird in mehr als 60 Veranstaltungen der transmediale das "Unfertige" erforscht, diskutiert und bestaunt.
(futurezone | Patrick Dax)