Gericht bremst Polizei-Trojaner aus
Der deutsche Bundesgerichtshof erklärt heimliche Online-Durchsuchungen durch die Polizei für unzulässig. Die gesetzliche Grundlage für den Einsatz von Polizei-Trojanern reiche nicht aus, so die obersten deutschen Richter. Bundesinnenminister Schäuble fordert nun eine Gesetzesänderung.
Heimliche Online-Durchsuchungen durch die Polizei sind unzulässig. Dies entschied am Montag der deutsche Bundesgerichtshof [BGH] in Karlsruhe.
Die Durchsuchung der im Computer eines Beschuldigten gespeicherten Daten sei nicht durch die Strafprozessordnung gedeckt. Diese erlaube nur eine offene Durchsuchung.
Back-up mit Durchsuchungsbefehl
Damit wurde der Antrag von Generalbundesanwältin Monika Harms abgelehnt, die den Computer eines mutmaßlichen Islamisten heimlich auf Beweise durchsuchen lassen wollte.
Dazu sollte wie bei einem Hacker-Angriff ein Programm installiert werden, um den Inhalt der Festplatte über das Netz auf einen Computer der Fahnder zu kopieren. Danach sollte sich die Spionagesoftware deinstallieren. Harms hatte dazu einen herkömmlichen Durchsuchungsbefehl beantragt.
In einer ersten Reaktion auf das Urteil hat der Bund Deutscher Kriminalbeamter [BDK] die deutsche Bundesregierung aufgefordert, unverzüglich eine Rechtsgrundlage für das Ausspionieren von Computern über das Internet zu schaffen.
Schäuble will neue Rechtsgrundlage
Ein BGH-Ermittlungsrichter hatte die Rechtmäßigkeit einer verdeckten Online-Durchsuchung im Februar vergangenen Jahres bejaht, ein anderer hatte sie im November verneint. Die Bundesanwaltschaft hatte gegen letzteren Beschluss Beschwerde eingelegt.
Die Entscheidung ist brisant, weil das Bundesinnenministerium erst vor kurzem die technischen Voraussetzungen für Online-Durchsuchungen beim Bundeskriminalamt verbessern wollte.
Damit sollte unter anderem die Aufklärung möglicher Terrorplanung verbessert werden. Nach dem BGH-Beschluss muss der Gesetzgeber solche Untersuchungen auf eine neue gesetzliche Grundlage stellen.
Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble [CDU] forderte, dass rasch eine Rechtsgrundlage für verdeckte Online-Ermittlungen geschaffen wird.
Nordrhein-Westfalen darf spionieren
Möglich ist ein heimliches Ausspähen von Computern allenfalls zur "allgemeinen Gefahrenabwehr", und dies auch nur im bevölkerungsreichsten deutschen Bundesland Nordrhein-Westfalen. Denn dort beschloss die Koalition aus CDU und FDP Ende vergangenen Jahres entsprechende Befugnisse für den Verfassungsschutz. Ziel sei es, die Beamten auf "technische Augenhöhe mit den Verfassungsfeinden" zu bringen, hatte NRW-Innenminister Ingo Wolf [FDP] damals die Kompetenzausweitung begründet.
Nach den Worten von Peter Wallenta, dem Sprecher von Generalbundesanwältin Harms, wurde mit dem BGH-Beschluss Rechtsklarheit für die Beweisermittlung im Online-Bereich geschaffen. Zugleich wies er darauf hin, dass Islamisten zunehmend moderne Kommunikationstechniken wie das Internet einsetzten, um ihre Straftaten zu begehen. Die Bundesanwaltschaft müsse damit "Schritt halten" können, um ihren Auftrag, die Bekämpfung und Aufklärung schwerster Straftaten, zu erfüllen.
"Zeitnahe Anpassung der Strafprozessordnung"
Auch Schäuble nannte es unerlässlich, dass die Strafverfolgungsbehörden die Möglichkeit erhalten, eine Online-Durchsuchung nach entsprechender richterlicher Anordnung verdeckt vorzunehmen. "Durch eine zeitnahe Anpassung der Strafprozessordnung muss eine Rechtsgrundlage für solche Ermittlungsmöglichkeiten geschaffen werden", forderte er in Berlin.
Der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, Jörg van Essen, verlangte von der Bundesregierung eine schlüssige Begründung der Notwendigkeit solcher Ermittlungsmethoden. "Auf keinen Fall darf eine Online-Überwachung zu einer polizeilichen Standardmaßnahme werden", erklärte er.
Datenschützer Schaar warnt
Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar hat sich gegen die Schaffung einer Rechtsgrundlage für heimliche Durchsuchungen der Computer von Verdächtigen ausgesprochen.
Wären solche Hacker-Angriffe durch die Strafverfolgungsbehörden rechtlich möglich, würde dies "das Vertrauen in die Sicherheit des Internets erheblich beschädigen", erklärte Schaar am Montag in Bonn.
Bisher seien Nutzer und Hersteller von Software gewarnt worden, wenn Behörden Sicherheitslücken festgestellt hätten. "Sollen etwa in Zukunft derartige Warnungen unterbleiben, weil staatlichen Stellen ansonsten das Eindringen in Computer über das Internet erschwert würde?"
(dpa | AFP)