Die "absolut skandalöse" Bildungsevidenz
Die neue Bildungsministerin Claudia Schmied [SPÖ] hat mit dem Amt auch die seit fünf Jahren umstrittene Bildungsevidenz von Elisabeth Gehrer [ÖVP] geerbt. Dass von der Betragensnote bis zum Religionsunterricht sensible Schülerdaten 60 Jahre lang gespeichert werden, hatte die SPÖ 2001 als "absoluten Skandal" bewertet.
Sozialversicherungsnummer ...
Das vor fünf Jahren unter der ehemaligen Ministerin Elisabeth Gehrer [ÖVP] verabschiedete Bildungsdokumentationsgesetz ist am Montag erneut in die Diskussion geraten. Auslöser war ein Bericht des Ö1-Morgenjournals über den Fall eines Vaters, der sich nun einem Verwaltungsstrafverfahren gegenübersieht.
Seit Verabschiedung des Gesetzes gibt es zwar eine Minderheit von Schülern, Eltern und sogar Direktoren, die sich gegen die lückenlose Überwachung der Schullaufbahn samt Speicherung der Datensätze für 60 Jahre wehrt. Bis jetzt wurde die Weigerung, die Sozialversicherungsnummer bekannt zu geben, jedoch nicht sanktioniert.
... Nachzipf, Schulverweis, Religion ...
Die Sozialversicherungsnummer wird von den Behörden aber gebraucht, um die Laufbahn jeder Schülerin und jedes Schülers zu "tracken". In codierter Form abgespeichert, dient sie so der Verknüpfung der Datensätze aus den einzelnen Klassen.
Neben Stammdaten enthält die Datenbank aber auch andere personenbezogene Daten wie Schulverweise und Besuch von Ethik- oder Religionsunterricht, gespeichert wird der Bedarf an Förderunterricht ebenso wie in welchem Jahr wie viele Nicht genügend anfielen. Jeder Nachzipf und jeder Klassenbucheintrag wird ebenso ad notam genommen wie soziale Auffälligkeiten.
... als Fundgrube schwarzer Flecken
"Eine optimale Fundgrube zum Stöbern nach schwarzen Flecken" nennt das Hans Zeger, Obmann der ARGE Daten. Und rein rechnerisch gibt es viele potenzielle Zugreifer.
Sowohl Unterrichts- wie Wissenschaftsministerium, Gerichte und Sozialversicherungsträger haben Zugriff auf die Datensätze. Ein Bildungsregister könne sehr wohl auch ohne Sozialversicherungsnummer sinnvoll betrieben werden, so Zeger, nämlich anonymisiert.
Das Verfahren ist erst am Beginn, doch erwartet wird, dass der Fall bis zum Verfassungsgerichtshof geht, ein Verfahren bei der EU-Kommission läuft. Der Vater beruft sich in dem Verfahren darauf, dass er den Schutz personenbezogener Daten für ein höherwertiges Gut ansieht als die Erfüllung einer schulischen Vorschrift.
Am Zug ist nun Schmied, die erklärtermaßen bereits dabei ist, eine Expertengruppe einzusetzen, die Latte liegt jedenfalls etwas hoch.
"Überschießend, unzumutbar"
Im Oktober 2001 hatte die damalige SPÖ-Bundesgeschäftsführerin Andrea Kuntzl die Bildungsevidenz "aus datenschutzrechtlicher Sicht" als "überschießend, unzumutbar" und einen "absoluten Skandal" bezeichnet. Bildungsministerin Gehrer, die von anonymisierten Daten gesprochen habe, habe die Öffentlichkeit falsch informiert, sagte Kuntzl. Es dürften ausschließlich anonymisierte und nicht nachvollziehbare Daten in Evidenz gehalten werden.
"Skandalöser Bruch"
Die Bundesvorsitzende der Österreichischen Kinderfreunde hatte "einen skandalösen Bruch des Datenschutzes" konstatiert, die Schulpolitikerin und SPÖ-Abgeordnete Beate Schasching sprach von der "Hintertür einer Bildungsstatistik", die zum "gläsernen Menschen" führe.
Ungunst im Internet
Unter den diversen Internet-Communitys Österreichs ist die Gehrersche Bildungsevidenz seit Jahren jedenfalls mehr als nur unpopulär.
Nachdem die ehemalige Bildungsministerin im Jahresabstand Big Brother Awards in allen möglichen Kategorien erhalten hatte, gingen schlichtweg die Preise aus. Dennoch lag Gehrer noch im vergangenen Jahr wieder mit vorn in der [Un]gunst des Publikums in der Kategorie "Volkswahl".
(futurezone | APA | SK)