"Das Geschäft von Kriminellen"

06.02.2007

Der deutsche Innenminister Wolfgang Schäuble [CDU] drängt mit aller Macht darauf, geheime Computerdurchsuchungen mit Polizei-Trojanern zu legalisieren. Der Staat besorge damit das Geschäft von Kriminellen, sagt Datenschützer Thilo Weichert im Gespräch mit ORF.at.

Der deutsche Bundesgerichtshof hatte am Montag entschieden, dass es für den Einsatz von so genannten Polizei-Trojanern in der Bundesrepublik keine Rechtsgrundlage gebe.

Die Durchsuchung der im Computer eines Beschuldigten gespeicherten Daten sei nicht durch die Strafprozessordnung gedeckt, so das oberste Gericht. Diese erlaube nur eine offene Durchsuchung.

Grundlagen schaffen

Schäuble kündigte daraufhin an, die fehlende rechtliche Grundlage schnellstmöglich schaffen zu wollen.

ORF.at sprach mit dem Juristen Thilo Weichert, dem Datenschutzbeauftragten des deutschen Bundeslandes Schleswig-Holstein, darüber, wie die deutsche Regierung nun weiter an dem Trojanischen Pferd zimmern will.

Weicherts Unabhängiges Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein [ULD] ist auch für den Betrieb des Virtuellen Datenschutzbüros zuständig.

ORF.at: Der Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil vom Montag festgestellt, dass es keine Rechtsgrundlage für den Einsatz so genannter Trojaner durch die deutsche Polizei gibt. Ist das Thema damit vom Tisch?

Weichert: Ganz im Gegenteil. Ich befürchte, dass die Entscheidung des Bundesgerichtshofs der Politik nun dazu Anlass gibt, eine gesetzliche Regelung zu realisieren, die bisher fehlt. Das wird

jedoch auf den geballten Widerstand der Bürgerrechtler und Datenschützer stoßen.

Der Einsatz von Polizei-Trojanern ist verfassungsrechtlich nicht möglich. Er bringt auch nichts. Nur die dummen Kriminellen werden der Polizei damit ins Netz gehen. Profis und Terroristen wird man damit nicht überführen können.

ORF.at: Wer ist in Deutschland denn nun genau daran interessiert, dass die Polizei Trojaner einsetzen darf?

Weichert: Das Bundesinnenministerium ist die treibende politische Kraft. Außerdem hat das Bundeskriminalamt [BKA] noch Interesse daran, genauso wie die Generalbundesanwältin. Der Verfassungsschutz hält sich noch im Hintergrund.

ORF.at: Wie werden diese Stellen auf das Urteil reagieren?

Weichert: Innenministerium und Justizministerium werden eine Gesetzesinitiative starten und versuchen, die Strafprozessordnung zu ändern.

Ich hoffe nur, dass Bundesjustizministerin Brigitte Zypries mehr verfassungsrechtliche Skrupel hat als Innenminister Wolfgang Schäuble. Auch in den Fraktionen von CDU und SPD könnte es Widerstand geben. Im Bundesland Nordrhein-Westfalen darf der Landesverfassungsschutz bereits Trojaner einsetzen.

ORF.at: In Nordrhein-Westfalen müsste noch jemand gegen die Verfassungsschutznovelle klagen ...

Weichert: Dort bedürfte es einer Verfassungsklage. Auf Bundesebene hoffe ich noch auf die politische Vernunft. Andernfalls würden sich die Polizeibehörden in allen Bundesländern melden und sofort gleiche Rechte in ihren Polizeigesetzen verlangen.

ORF.at: Mit dem Einsatz der Trojaner begibt sich die Polizei methodisch auf das Gebiet der Geheimdienste ...

Weichert: Geheimdienstarbeit hin oder her - der Staat geht hier mit Methoden vor, die bisher das Geschäft von Kriminellen gewesen sind. Das ist nichts anderes als Hacking. Dieses Vorgehen nimmt aus technischen Gründen keine Rücksicht auf die grundgesetzlich geschützte Privatsphäre der Bürger. Deshalb handelt es sich hierbei um eine No-go-Area für den Staat.

(futurezone | Günter Hack)