Musikkonzerne halten an Kopierschutz fest
Apple-Chef Steve Jobs' Absage an Kopierschutzsysteme beim Verkauf von Musik im Internet stößt bei den Deutschen Phonoverbänden auf Verwunderung. Der Verzicht auf Digital-Rights-Management-Systeme [DRM] steht vorerst offenbar nicht zur Diskussion.
Die Musikkonzerne müssten sich der Realität anpassen, sagte Stefan Michalk, Pressesprecher der Deutschen Phonoverbände [IFPI], gegenüber ORF.at: "Und die sieht so aus, dass 2006 in Deutschland rund 420 Millionen Tracks aus Online-Tauschbörsen heruntergeladen wurden, aber nur 20 Millionen Songs in Online-Musikshops verkauft wurden."
"Jobs Vorstoß scheinheilig"
Jobs' Vorstoß für den Verkauf von Musik im Netz ohne Kopierschutzbeschränkungen habe ihn überrascht, denn Apple habe in den vergangenen Jahren nicht schlecht mit kopiergeschützten Songs verdient, so Michalk. In einer Aussendung des Verbandes hieß es: "Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen." Jobs Vorstoß sei schlicht "scheinheilig".
"DRM-Systeme haben nie funktioniert und werden die Musikpiraterie niemals aufhalten", schrieb Jobs in seinem am Dienstag veröffentlichten Manifest "Thoughts on Music". Darin sprach sich Jobs dafür aus, Musik im Internet künftig ohne Kopierschutzbeschränkungen zu verkaufen.
Kritik an fehlender Interoperabilität
"Wir haben ein bisschen das Gefühl, dass Apple nun versucht, die Probleme, die es in Europa mit Konsumentenschützern hat, zu einem Problem der Musikindustrie zu machen", sagte Michalk.
Die Musikwirtschaft habe aber in der Vergangenheit die fehlende Interoperabilität der Online-Musik-Shops häufig kritisiert, so Michalk. Die deutschen Phonoverbände fordern nun eine Öffnung des Apple-Kopierschutzes FairPlay auch für andere Anbieter.
In Norwegen wurde der iTunes Music Store vor kurzem vom Konsumentenombudsmann für illegal erklärt, weil die dort angebotenen Musikstücke nur auf dem Apple-Musik-Player iPod abgespielt werden können. Apple hat nun bis 1. Oktober Zeit, sein Kopierschutzsystem FairPlay auch anderen Herstellern zugänglich zu machen oder Musik-Files anzubieten, die auch auf anderen Musik-Playern als dem iPod abgespielt werden können.
"Widersprüchliches Statement"
Ein Sprecher des norwegischen Konsumentenschutzbüros begrüßte am Mittwoch Jobs' Stellungnahme zu Kopierschutzsystemen. Er wies jedoch auch darauf hin, dass iTunes-Kunden durch die hauseigene Kopierschutztechnlogie an Apple-Produkte gebunden werden.
Apple behandle seine Kunden, ebenso wie auch andere Online-Musikanbieter, "unfair", sagte der Sprecher, der Jobs' Statement deshalb auch als "widersprüchlich" bezeichnete.
Warten auf den nächsten Schritt
Lawrence Lessig, Mitbegründer der Internet-Urheberrechtsinitiative Creative Commons, zeigte sich über die Ansichten des Apple-Chefs zum Kopierschutz erfreut.
Er erwarte nun aber den nächsten Schritt und forderte Jobs in seinem Weblog auf, Creative-Commons-lizenzierte Musik im iTunes Music Store ohne Kopierschutzbeschränkungen anzubieten. Ein Ansinnen, das nach Angaben Lessigs zuletzt von Apple wiederholt zurückgewiesen wurde.
DRM-freie Indies
Auch die Electronic Frontier Foundation [EFF] drängte Jobs in einer Aussendung darauf, Songs unabhängiger Labels im iTunes Music Store ohne Beschränkungen durch DRM-Systeme zu verkaufen.
Viele unabhänige Labels hätten bereits erkannt, dass die Verwendung von DRM bei digitaler Musik "dumm" sei.
Eine Lösung ohne den FairPlay-Kopierschutz könnte von Apple innerhalb von zwei Tagen bewerkstelligt werden, schrieb der Programmierer Jon Lech Johansen in seinem Weblog.
Johansen sorgte vor kurzem mit einem Tool zum Umgehen des Apple-Kopierschutzes FairPlay für Aufsehen.
Trend zu MP3s
Die Verwendung von Kopierschutzsystemen im Online-Musikgeschäft wurde in den vergangenen Monaten zunehmend in Frage gestellt. Bereits im vergangenen November hatte der weltgrößte Online-Einzelhändler Amazon angekündigt, schon bald Musik-Downloads ohne DRM verkaufen zu wollen.
Dass dies funktioniert, beweist unter anderem der Online-Musikdienst eMusic, der in den USA hinter dem Apple iTunes Music Store mit mehr als 100 Millionen verkauften Songs bereits die Nummer zwei ist.
Die frühere Vorsitzende des US-Musikindustrieverbandes RIAA, Hilary Rosen, sagte gegenüber der "Los Angeles Times", die großen Labels hätten über kurz oder lang keine andere Wahl, als Musik im Netz ohne DRM zu verkaufen: Der Markt bewege sich in diese Richtung.
Auch auf der Musikmesse MIDEM, die im Jänner dieses Jahres in Cannes stattfand, wurde kontroversiell über Kopierschutztechnlogien diskutiert:
(futurezone | Patrick Dax | AP | dpa)