Kein schneller Reichtum im Metaversum
Der japanische Elektronikhersteller Sony hat den Kauf und Verkauf von virtuellen Gütern gegen "reales" Geld in seinem Online-Spiel "Everquest II" untersucht. In einer aktuellen Studie werden erstmals konkrete Zahlen zur Ökonomie in virtuellen Welten veröffentlicht.
Vor einem Jahr hatte Sony für sein Massive Multiplayer Online Game [MMOG] "Everquest II" den Marktplatz "Station Exchange" gestartet. Dort konnten "Everquest"-Spieler virtuelle Güter gegen "wirkliches" Geld tauschen. In einem am Mittwoch präsentierten "White Paper" zog Sony eine erste Bilanz.
Die Studie kam zu dem Ergebnis, dass der Handel mit virtuellen Gütern gegen "reales" Geld sowohl für die Spieler als auch die Spielebetreiber Vorteile bringen kann, wenn dieser in einem kontrollierten Umfeld passiert.
Viele Betreiber von Online-Spielen versuchen, den Austausch von Geld in ihren Spielen zu unterbinden. Der Kauf und Verkauf virtueller Güter hat sich deshalb häufig auf die Seiten von externen Anbietern, etwa der Online-Auktionsplattform eBay, verlagert.
Die Umsätze wurden von den Plattformen nicht bekannt gegeben. Über die Größe des Marktes waren daher wilde Spekulationen im Umlauf. Dabei war von jährlichen Umsätzen von bis zu einer Milliarde Dollar die Rede.
Auch Spielebetreiber schneiden mit
Die Sony-Untersuchung könnte nun zu einem Umdenken bei den Anbietern führen. Denn diese können laut Studie am Handel mit virtuellen Spielfiguren, Schwertern und Kleidungsstücken ohne nennenswerten Kostenaufwand auch einiges verdienen.
John Smedley, Chef von Sony Online Entertainment, bezifferte die Einnahmen seines Unternehmens aus Verkaufskommissionen mit 274.083 Dollar. Insgesamt wurden auf "Station Exchange" im ersten Jahr seines Bestehens in 51.680 Transaktionen rund 1,87 Millionen Dollar umgesetzt.
Die auf dem virtuellen Marktplatz geforderten Preise hätten sich kaum von jenen unterschieden, die auf Plattformen von externen Anbietern verlangt wurden, sagte Smedley.
Weniger Beschwerden
Auch Betrugsfälle und damit zusammenhängende Beschwerden von Nutzern gingen stark zurück, meinte Smedley, der davon überzeugt ist, dass der Handel mit virtuellen Gütern für Online-Spiele in Zukunft immer wichtiger werden wird.
Mythos zertrümmert
Die Studie räumt jedoch auch mit dem Mythos des schnellen Reichtums in den Metaversen auf. Zwei Spieler konnten ihr jährliches Einkommen um immerhin knapp mehr als 37.000 Dollar auffetten, so Smedley.
15 Händler erzielten Einnahmen von über 15.000 Dollar im Jahr. Das Gros der Verkäufer kam jedoch über einen jährlichen Gewinn von 200 bis 500 Dollar nicht hinaus.
Charaktere gefragt
Der Verkauf von Spielecharakteren erwies sich dabei als das lukrativste Geschäftsfeld. Für die virtuelle Figur "Dark Elf" wurden immerhin 2.000 US-Dollar bezahlt.
Millionenerlöse, wie sie etwa von der selbst ernannten ersten "Second Life"-Millionärin Anshe Chung behauptet wurden, waren auf "Station Exchange" nicht zu erzielen.
Im Online-Spiel "Second Life", in dem Spieler ihre virtuelle Welt weitgehend selbst gestalten könne, hat sich um Grundstücke und Einrichtungsgestände ein reger Handel entwickelt. Bewohner von "Second Life" kaufen und verkaufen virtuelle Immobilien, Einrichtungsgegenstände, Juwelen und sogar Flugzeuge.
Als Währung fungieren Linden-Dollars, die auch gegen US-Dollars umgetauscht werden können. Täglich wechseln auf diese Art rund 135,5 Millionen Linden-Dollar [500.000 US-Dollar] ihren Besitzer. Die Wirtschaft der virtuellen Welt wächst monatlich um zehn bis 15 Prozent.
"Gewöhnliche Leute"
Die Ergebnisse der Studie zeigten, dass der Markt von gewöhnlichen Leuten getragen wird, sagte Edward Castronova, einer der führenden Experten für virtuelle Ökonomien und Autor des Buches "Synthetic Worlds", bei der Präsentation des Papiers.
"Wichtiges Korrektiv"
Der Autor Julian Dibbell, der selbst ein Jahr lang versucht hat, vom Handel mit virtuellen Gütern im Online-Spiel "Ultima Online" zu leben, und seine Erfahrungen in seinem 2004 erschienenen Buch "Play Money" protokolliert hat, sieht in den in der Studie zu Tage geförderten Daten ein wichtiges Korrektiv für den Hype um die Verdienstmöglichkeiten in Online-Spielen wie "Second Life".
Gegenüber dem US-Technologiemagazin CNet zeigte sich Dibbell jedoch davon überzeugt, dass sich mit dem Handel von virtuellen Gütern in Online-Spielen sehr wohl der Lebensunterhalt verdienen lässt. Dibbell hatte es 2004 beim virtuellen Handel auf "Ultima Online" immerhin auf ein Jahreseinkommen von fast 60.000 Dollar gebracht.
"Indem eine ganze Generation neue Konsum- und Identitätspraktiken kultiviert, entstehen neue Dienstleistungen und neue Märkte, von denen wir heute noch gar nichts wissen; vieles davon wird im rein virtuellen Raum stattfinden, dennoch findet reale Wertschöpfung statt", sagten Holm Friebe und Sascha Lobo im Interview mit ORF.at.
Ein Beispiel dafür, sagen die beiden Autoren, seien eben Kleiderdesigner in Online-Spielen. In ihrem Buch "Wir nennen es Arbeit" skizzieren Friebe und Lobo, wie sich mit Hilfe neuer Technologien ein Auskommen in vernetzten Arbeitswelten finden lässt.
(futurezone | CNet)