Microsoft greift IBM frontal an

brief
14.02.2007

Microsoft wirft IBM in einem offenen Brief vor, die ISO-Standardisierung von Office Open XML zu torpedieren.

Am 7. Dezember 2006 hat die European Computer Manufacturers Association [Ecma] das von Microsoft mit Office 2007 eingeführte Dateiformat Office Open XML als Ecma-Standard 376 verabschiedet.

Praktisch gleichzeitig mit der Verabschiedung von Ecma 376 hat die Organisation die 6.000 Seiten umfassende Spezifikation des Formats bei der Internationalen Organisation für Normung [ISO] im Fast-Track-Verfahren zur Standardisierung eingereicht.

Zurzeit läuft die Phase, in der nationale Standardisierungsorganisationen Einwände gegen die Standardisierung des Microsoft-Formats vorbringen können.

Das Machtspiel

Zentrales Problem dabei: Es gibt bereits einen ISO-Standard für Office-Dokumente im XML-Format, und zwar das von Open Office verwendete Open Document Format [ODF]. ODF wurde bereits am 8. Mai 2006 als ISO-Standard 26300 verabschiedet. Kritiker wie FSF-Europe-Präsident Georg Greve sind der Ansicht, dass es deshalb keinen Sinn ergäbe, wenn Microsoft einen "eigenen" ISO-Standard zugesprochen bekäme.

Die ISO-Standards sind vor allem für das Geschäft mit Regierungen und anderen großen Organisationen wichtig, denn standardisierte Dateiformate sind offen gelegt und können auch von Drittherstellern implementiert werden. Damit wird verhindert, dass Daten verloren gehen, wenn beispielsweise ein bestimmter Hersteller aufhört zu existieren oder mit seiner Büro-Software auf ein neues Dateiformat migriert.

Harte Vorwürfe an IBM

Tom Robertson, General Manager für Interoperabilität und Standards bei Microsoft, und sein Kollege Jean Paoli haben am Mittwoch nun einen Brief veröffentlicht, in dem sie IBM vorwerfen, die ISO-Standardisierung von Office Open XML in der Orientierungsphase gezielt zu hintertreiben:

"Während der einmonatigen Orientierungsperiode für Open XML bei der ISO/IEC JTC1 hat IBM eine weltweite Kampagne betrieben, im Rahmen derer sie nationale Standardisierungsgremien dazu bewogen hat, bei der ISO zu verlangen, dass Open XML nicht standardisiert werden solle, weil ODF ja schon zuerst da gewesen sei."

Microsoft habe dagegen keinen Einspruch erhoben, als ODF den Standardisierungsprozess durchlaufen habe. IBM versuche, die Wahlmöglichkeiten der Kunden einzuschränken. IBMs Lotus Notes unterstütze beispielsweise Open XML nicht.

Spezifische Beispiele für die von ihnen verurteilten Aktionen von IBM nennen Robertson und Paoli allerdings nicht.

Contra ...

Microsoft-Kritiker aus der Freie-Software-Szene sammeln unterdessen ganze Listen mit Einwänden gegen die ISO-Standardisierung von Office Open XML und fordern, dass Ecma 376 maximal als Erweiterung des bereits bestehenden Standards ISO 23600 gelten dürfe.

Zwei Standards für dieselbe Aufgabe zu haben widerspreche den Prinzipien der ISO. Außerdem könne auf Grund der Komplexität von Ecma 376 nur Microsoft selbst das Format sinnvoll nutzen.

... und Pro

Novell-Entwickler Miguel de Icaza dagegen ist der Ansicht, dass Ecma 376 als ISO-Standard verabschiedet werden sollte. In einem Eintrag auf seinem Weblog begrüßte er die Entscheidung Microsofts, das Dateiformat offen zu legen.

Das Unternehmen käme damit einer langjährigen Forderung der Open-Source-Szene nach. Gerade die Präzision der Ecma-Spezifikation ermögliche es, die Funktionen komplexer Anwendungen wie der Tabellenkalkulation Excel nachzuvollziehen.

Allianzen

Novell freilich ist Microsofts wichtigster Verbündeter im Kampf für die ISO-Standardisierung seines Office-Formats. Novell und Microsoft haben erst diese Woche die Road-Map für die weitere Zusammenarbeit angekündigt. Erster Bestandteil: Die "Novell Edition" von Open Office soll Office Open XML lesen können und es soll einen Filter für MS Office geben, der ODF lesen kann.

Das ist kein Wunder. Es geht um viel Geld. Die EU und auch einzelne Länderregierungen und Behörden verlangen nach verlässlichen standardisierten Dateiformaten, die nicht mit dem nächsten Update wieder unleserlich werden oder komplexe Konvertierungs- und Migrationsprozesse erfordern. Das Gütesiegel der ISO ist in diesen Kreisen ein gewichtiges Argument.