OLPC: Ein Laptop als Bildungsmaßnahme
Die Initiative "One Laptop per Child" [OLPC] will mit einem auf Kinder zugeschnittenen Billig-Notebook Bildungsmaßnahmen in Entwicklungsländern fördern. Michail Bletsas vom MIT hat im Gespräch mit ORF.at die Besonderheiten und Schwierigkeiten des ehrgeizigen Projekts erläutert.
Auf der Mobilfunkmesse 3GSM in Barcelona wurde auch der vom MIT entwickelte "100-Dollar-Laptop" vorgestellt. Das Gerät ist auf Extrembedingungen in Entwicklungsländern ausgerichtet und in zusammengeklapptem Zustand etwa komplett versiegelt.
Mastermind des Projekts ist Nicholas Negroponte, Gründer und Leiter des Media Lab am renommierten Massachusetts Institutes of Technology [MIT],
Jo-Jo statt Handkurbel
Der Laptop verfügt über eine alternative Energiequelle, die die Versorgung auch in Entwicklungsländern sichern soll. Von der Idee einer Handkurbel haben sich die Entwickler wieder verabschiedet. Dafür wurde nun ein Jo-Jo-artiges Gerät gebaut, das den Akku über das Ziehen einer Schnur auflädt. Statt einer Festplatte wird der Computer mit Flash-Speicher ausgestattet.
Michail Bletsas, Direktor für Computing am Media Lab, erklärte im Gespräch mit ORF.at die Besonderheiten und Schwierigkeiten des Projekts. Als Chief Connectivity Officer des Projekts beschäftigt er sich vor allem damit, wie die Laptops nach ihrer Auslieferung mit dem Internet verbunden werden können und welche Hardware dafür benötigt wird.
Starten soll das Projekt vorerst in Brasilien, Argentinien, Nigeria, Libyen und Thailand, viele weiter Länder bzw. Regierungen haben bereits ihr Interesse bekundet.
Was ist die größte Schwierigkeit der OLPC-Initiative?
Bletsas: Das größte Problem in den Entwicklungsländern stellt die Elektrizität dar - es gibt meistens keine. Die Lösungen, die wir in den Industriestaaten kennen, funktionieren dort nicht. Man kann keine Infrastruktur planen ohne Elektrizität. Wenn man sich hier auf der Messe das Equipment ansieht, das etwa für WiMax angeboten wird - das verlangt eine Menge Strom. Das ist also unser Hauptproblem.
Wie steht es um die Netzwerkfähigkeit der Rechner?
Bletsas: Der Laptop ist mit WLAN-Hardware ausgerüstet und kann in Standard-WLANs betrieben werden. Er kann aber auch ein selbst organisiertes Netzwerk mit anderen Geräten aufbauen. Das erlaubt es den Kindern, konstant mit ihren Klassenkameraden verbunden zu sein, auch wenn es keine entsprechende Infrastruktur gibt.
Bietet sich nicht auch die Nutzung von Mobilfunknetzen an?
Bletsas: Mobile Netzwerke sind vor allem für Sprache gemacht. Aber in vielen Ländern ist das trotzdem die einzige vorhandene Infrastruktur. Das können wir uns auch zu Nutze machen. Weil das aber für die Kinder zusätzliche Kosten bedeuten würde, werden wir zwar für die allgemeine Konnektivität darauf zurückkkommen, nicht aber für die Intra-Netze der Kinder untereinander.
Was ist softwaremäßig geplant, wird es Kommunikations-Software wie etwa Skype auf den Laptops geben?
Bletsas: EBay ist einer unserer Sponsoren, d. h. Skype wird wohl verfügbar sein. Aber der Laptop ist sowieso als Kommunikationsmittel gedacht. Er wird im Endeffekt mit Tools für Audio- und Video-Konferenzen ausgestattet sein.
Wird es den Nutzern auch erlaubt, eigene Software auf den Rechner zu laden - sofern es die Speicherkapazität zulässt?
Bletsas: Ja, auf jeden Fall. Das Betriebssystem, das ja schon den Großteil der nötigen Applikationen beinhaltet, braucht derzeit etwa ein Drittel des verfügbaren Speichers. Zwei Drittel sind also für den Nutzer frei verfügbar.
Wie kompliziert ist die Einfachheit dieser Maschine?
Bletsas: Es war ein großer Aufwand, diesen Computer zu designen. Der Laptop kann drei Sachen, die andere nicht können: Er läuft mit zwei verschiedenen Stromformen. Er hat ein Sonnenlicht-lesbares Display und die selbstorganisierende Netzwerkfähigkeit. Das muss man zu einem Preis von 150 US-Dollar erst einmal schaffen, mit dem weiteren Fortschritt des Projekts wird der Preis hoffentlich weiter sinken.
Es hat eine Menge Brainstorming und Anstrengung von unserer Seite gebraucht. Um alles richtig zu machen, haben wir mittlerweile auch das Interface verändert, um es mehr an die Bedürfnisse von Kindern anzupassen. Aber ich glaube, wir sind ganz gut im Plan.
Derzeit kostet der Laptop in der Produktion 150 Dollar?
Bletsas: Derzeit ist das der Preis. Wir glauben, dass, wenn wir einfach warten, dass die Gesetze der Elektronikindustrie ihren Lauf nehmen, der Preis im Sommer bei 140 Dollar liegen wird, Mitte 2008 etwa bei 120 Dollar und Ende 2008 vielleicht bei 100 Dollar. Darauf hoffen wir.
Was uns von herkömmlichen Computerherstellern unterscheidet, ist, dass die versuchen,das Preisniveau zu halten, indem sie immer mehr Funktionen in die Geräte stopfen. Das haben wir nicht vor, wir wollen einfach nur von den natürlichen Preissenkungen profitieren.
Es sind aber Berechnungen aufgetaucht, nach denen der reale Preis eigentlich 950 Dollar beträgt?
Bletsas: Wenn man auf dieser Ebene zu argumentieren beginnt, wird es absurd. Natürlich kann man berechnen, was die Internet-Anbindung Nigerias prinzipiell kostet oder die Lkws, die die Geräte ausliefern. 150 Dollar kosten die Geräte in der Produktion,und zu diesem Preis verkaufen wir sie auch an die Regierungen weiter.
Der Preis für die Konnektivität könnte ein paar Dollar pro Monat und Kind betragen. Es kommt natürlich auf die Art der Verbindung an und wie viele Kinder diese teilen sollen. Eine Satellitenverbindung kann man für etwa 250 Dollar im Monat haben, in Kambodscha etwa hatten wir da ein Projekt. Wollen also 250 Kinder daran teilhaben, kostet es einen Dollar pro Kind und Monat.
Ich habe diese 956-Dollar-Analyse gesehen und sie ist meiner Meinung nach künstlich übertrieben. In den Entwicklungsländern verbringen die Kinder sehr wenig Zeit in der Schule, weil sie einfach nicht die Möglichkeit haben. Der Laptop soll ihnen die Möglichkeit geben, selber zu lernen.
Wer mit solchen Kalkulationen daherkommt, glaubt einfach nicht an den eigentlichen Wert des Laptops oder dass er den Kindern helfen könnte. Wenn man so viel Geld für Training zur Verfügung hätte wie in diesen Berechnungen, brauchte es den Laptop gar nicht.
Wie sieht der Zeitplan aus?
Bletsas: Die ersten Kinder werden bereits nächsten Monat mit Laptops ausgerüstet. Das sind aber noch Prototypen. Was Sie hier sehen, ist die erste Prototyp-Generation, derzeit bauen wir die zweite Version. Die Produktion startet im Sommer. Laut derzeitigem Plan sollen die ersten finalen Geräte im August ausgeliefert werden.
Wie steht es um den kommerziellen Verkauf der Laptops?
Bletsas: Wir sind ja keine herkömmlichen Laptop-Hersteller, das wollen wir auch gar nicht sein. Wir haben also kein Interesse am kommerziellen Verkauf. Es ist cool, dass so viel Nachfrage besteht, aber das ist nicht unser Geschäft. Wir überlegen, wie man dieses Interesse verwerten kann, und eine Idee dabei ist, pro verkauften Laptop einen in den Entwicklungsländern zu subventionieren. Das ist aber nur eine Idee.
Eine Voraussetzung für den kommerziellen Verkauf wäre aber, dass die Geräte für die Industrieländer optisch ganz anders aussehen müssten. Sonst bestünde die Gefahr, dass plötzlich ein Markt für die Nonprofit-Geräte entsteht. Das könnte dazu führen, dass die Geräte den Kindern in den Entwicklungsländern weggenommen werden, um Geld damit zu verdienen. Es liegt also überhaupt nicht in unserem Interesse, dass ein Markt entsteht. Unser Job ist Bildung.
Glauben Sie, der Laptop macht diese Welt zu einem besseren Ort?
Wir hoffen es auf jeden Fall. Darum machen wir das alles. Ich glaube, es ist ein kosteneffektiver Weg, um auf der Bildungsebene etwas zu verändern, indem man die Kinder antreibt, sich selber etwas beizubringen, statt sich auf den traditionellen Ansatz zu stützen, der das Bauen von Schulen und das Training von Lehrern voraussetzt - was Generationen dauern kann.
(futurezone | Nayla Haddad)