Bequemlichkeit kommt oft vor Privatsphäre
Wissenschaftler warnen angesichts der rasant wachsenden Zahl von elektronischen Dienstleistungen vor dem sorglosen Umgang mit privaten Daten. Das Institut für Technikfolgen-Abschätzung sieht beim Schutz der Privatsphäre vor allem Handlungsbedarf in der Politik.
Laut einem Forschungsprojekt von sechs europäischen Institutionen zur Technikfolgenabschätzung - darunter das Institut für Technikfolgen-Abschätzung [ITA] der Österreichischen Akademie der Wissenschaften - wird der Stellenwert der Privatsphäre sowohl durch Bürger und Unternehmen als auch durch Politiker unterschätzt.
Das Projekt wird am 28. Februar im Rahmen eines internationalen Workshops mit Mitgliedern des Europäischen Parlaments, Interessenvertretern und Wissenschaftlern in Brüssel präsentiert.
Politik in Sachen "Privacy" gefordert
Der rasante Fortschritt elektronischer Dienstleistungen birgt laut den Experten Chancen und Risiken. Internet- und Handynutzer profitieren durch die Möglichkeiten der Technik, hinterlassen dabei aber auch Datenspuren. Die Wissenschaftler fordern, dass sich die Politik des Themas Privatsphäre - Privacy - annimmt.
Vor allem das Phänomen Web 2.0, also die Fülle an Websites, die zum Mitgestalten einladen, verleitet viele Nutzer, zu viel von sich preiszugeben. Der deutsche Datenschützer Peter Schaar warnte kürzlich davor, zu naiv damit umzugehen.
RFID und Biometrie
Neue Technologien wie RFID - von Kritikern auch "Schnüffelchips" genannt - und Biometrie entwickeln sich sehr schnell und schaffen neue Angebote. Damit verbunden sind Gefahren für die Privatsphäre des Einzelnen. Die Anbieter sammeln, analysieren und speichern auf unbestimmte Zeit laufend Daten ihrer Kunden.
Stärkere Sensibilisierung gefordert
Obwohl vielen Nutzern bekannt ist, wie viele persönliche Informationen sie im Umgang mit Informations- und Kommunikationstechnologien offen legen, kann von ihnen nicht erwartet werden, dass sie die langfristigen Folgen ermessen können.
Aus diesem Grund forderte Walter Peissl vom ITA eine stärkere Sensibilisierung der Anwender von elektronischen Dienstleistungen rund um das Thema Privatsphäre.
Bequemlichkeit statt Privatsphäre
In ihrem Projektbericht stellen die Forscher fest, dass der Schutz der Privatsphäre oft gegenüber Werten wie Bequemlichkeit, Sicherheit, ökonomischen Vorteilen und sozialer Interaktion abgewogen wird.
Die Technikfolgenabschätzer sind überzeugt, dass viele Probleme im Zusammenhang mit Privacy vermieden werden könnten. Dazu müssten die Anliegen des Datenschutzes frühzeitig, d. h. bereits bei der Konzeption und Entwicklung elektronischer Angebote, berücksichtigt werden. Eine obligatorische Privacy-Folgenabschätzung könnte hierzu beitragen.
"So wenige Daten wie möglich"
Die Experten fordern, dass beim Erheben personenbezogener Daten immer der Grundsatz "So wenig wie möglich, nur so viel wie nötig" befolgt wird. Für Überwachungssysteme seien unabhängige Aufsichtsstellen einzurichten. Weiters sollten Bürger einfachen, transparenten Zugang zu den über sie gespeicherten Daten erhalten.
(APA)