Kleinfeld verbreitet Optimismus
Siemens-Chef Klaus Kleinfeld versucht, den größten deutschen Elektrokonzern wieder auf Wachstumskurs zu bringen. Trotz Korruption laufen die Geschäfte wie geschmiert.
"Wir sind hervorragend vorangekommen - trotz der schwierigen Umstände", sagte Kleinfeld bei einem Pressegespräch am Dienstag in Hamburg.
Das gelte auch für die im Frühjahr 2007 angepeilten Margenziele der Bereiche. Die Schmiergeldaffäre belaste das operative Geschäft nicht. Allerdings sei ein Ende der Untersuchungen nicht abzusehen. Auch müsse abgewartet werden, ob Schadenersatz- und Strafzahlungen auf den Konzern zukommen könnten.
30 Prozent mehr
Siemens-Vorstandsvorsitzender Kleinfeld und Aufsichtsratschef Heinrich von Pierer mussten sich auf der Siemens-Hauptversamlung im Jänner zahlreichen Aktionären stellen, die ihrem Ärger über die Schmiergeldaffäre, die Pleite der einstigen Handysparte BenQ sowie die geplante Erhöhung der Vorstandsgehälter um 30 Prozent Luft machten. Genützt hat der Aufstand der Kleinanleger jedoch nichts.
"Fit4More"
Die Affäre und andere Negativschlagzeilen überdeckten die großen operativen Fortschritte, die der Konzern mit Hilfe des Umbaus gemacht habe, sagte Kleinfeld. Mit dem Programm "Fit4More" seien alle Sparten auf Kurs gebracht worden. Diese gelte auch für das jahrelang defizitäre IT-Geschäft. Es dürfe nun keinen Stillstand geben. "Es kommt auf jeden Fall ein neues Programm", kündigte Kleinfeld an. Dieses werde im April vorgestellt.
Kleinfeld hatte vor knapp zwei Jahren versprochen, dass spätestens im Frühjahr 2007 alle Bereiche die Renditeziele erreichen, die ursprünglich schon sein Vorgänger Heinrich von Pierer verordnet hatte. Kleinfeld hatte auch sein persönliches Schicksal mit diesem Ziel verknüpft. Sein Vertrag als Vorstandschef läuft im Herbst aus. Zu einer möglichen Verlängerung, die laut Branchenspekulationen im April anstehen könnte, wollte sich Kleinfeld nicht äußern. "Das ist Sache des Aufsichtsrats."
Problemregionen
Die Schmiergeldaffäre werde den Konzern auch in den kommenden Monaten beschäftigen. Der Korruptionsskandal schade dem operativen Geschäft aber nicht, sagte Kleinfeld. Zwar werde der Konzern in Problemregionen notfalls auch einmal auf Aufträge verzichten. "Doch besteht die gute Chance, das an anderer Stelle auszugleichen."
Der Siemens-Chef wies Vorwürfe zurück, der Konzern habe erst nach der Großrazzia im November entschieden reagiert und die einzelnen Hinweise zuvor nicht ernst genug genommen. Der frühere Oberstaatsanwalt Daniel Noa, der seit kurzem die interne Kontrollabteilung [Compliance] des Unternehmens leitet, sehe keine Versäumnisse. "Selbst erfahrene Wirtschaftsstrafrechtler hätten diese Zusammenhänge, die mit den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft München seit November 2006 sichtbar wurden, nicht unbedingt erkennen können." Siemens habe eigentlich schon gute Kontrollsysteme gehabt. "Letztlich steht dem aber immer die mitunter kriminelle Kreativität von Mitarbeitern entgegen."
Business ohne Schmiergeld
Auslandsgeschäft lasse sich auch erfolgreich ohne Schmiergeld machen, sagte Kleinfeld. "Es ist falsch, dass es in manchen Ländern nicht ohne gehen soll." Viel mehr seien externen Untersuchungen zufolge saubere Geschäfte sogar deutlich profitabler. Kleinfeld: "Grundsätzlich kann und muss überall korrekt gearbeitet werden - das ist nicht verhandelbar."
Jedem Mitarbeiter müsse in den vergangenen Jahren klar geworden sein, dass Auslandskorruption strafbar und auch intern unzulässig sei. Es sei auch eine "Dolchstoßlegende", dass Siemens nur Pech gehabt haben könnte, und in Wahrheit alle vergleichbaren Unternehmen schmierten.
Einer der wichtigsten Auslandsmärkte für Siemens ist China. Dabei sieht Kleinfeld die Gefahr der Produktpiraterie mittlerweile weitgehend gebannt. "Wir unterliegen da einer hoch gefährlichen Illusion. Zumindest im technischen Bereich ist diese Gefahr praktisch nicht mehr existent."
Herausforderer China
Die westliche Industrie stehe vor einer weit größeren Herausforderung durch die Volksrepublik: "Der im vergangenen Jahr veröffentlichte neue Fünfjahresplan der chinesischen Regierung sieht vor, in Kernindustrien Innovationsführer zu werden." So sei China bereits in der Telekommunikation hoch innovativ und bringe selbst entwickelte Produkte mit schnellem Tempo auf den Markt. Die Chinesen wollen den Patentschutz daher selbst im internationalen Wettbewerb zum eigenen Vorteil nutzen.
Der Aufholprozess von Ländern wie China spiegele sich auch in der großen Zahl der ausgebildeten Ingenieure wider. Während China jährlich 400.000 Ingenieure ausbilde, seien es hier zu Lande 40.000.
Investitionen in Forschung und Entwicklung
"Der Wettbewerb wird noch härter und die Geschwindigkeit weiter steigen", erwartet Kleinfeld. Siemens sei dafür aber gut aufgestellt. Der Konzern habe seine Ausgaben für Forschung und Entwicklung allein im vergangenen Jahr um rund zehn Prozent auf 5,7 Milliarden Euro aufgestockt und sei auf vielen Feldern Technologieführer.
Wachstum mit Atomkraft
Dies gelte für die Automatisierungstechnik sowie die Energie- und Umwelttechnik, auch in der Medizintechnik habe Siemens nach milliardenschweren Übernahmen die Nase vorn. Speziell im Bereich Energie und Umwelt erarbeite Siemens Lösungen im Zeitalter des Klimawandels. Dabei würden alle Energiearten an Bedeutung gewinnen - auch die Kernkraft.
Siemens sehe auf dem Feld der Kernenergie Wachstumschancen. Der Konzern beschränke sich dabei auf den konventionellen Turbinenbau und die Anlagensteuerung.
(dpa)