Wahlsystem-Experte im Zwielicht

demokratie
01.03.2007

Die niederländische Initiative gegen Wahlcomputer veröffentlicht Droh-Mails eines Herstellers von Wahlmaschinen-Software an die Behörden. Der CCC fordert auch für Deutschland Konsequenzen.

Die niederländische Initiative "Wir vertrauen Wahlcomputern nicht" hat am Mittwoch Dokumente aus dem Behörden-Mailverkehr des Wahlmaschinen-Software-Herstellers Jan Groenendaal veröffentlicht.

Die Dokumente wurden der Initiative auf Grundlage des niederländischen Informationsfreiheitsgesetzes von den Behörden übergeben.

Groenendaals Firma schreibt die Software für die Wahlmaschinen des Herstellers Nedap, die, nach Angaben der Anti-Wahlcomputer-Initiative, in 90 Prozent der niederländischen Wahlkreise im Einsatz sind. Der niederländische Staat, so die Initiative, sei so stark von dem Unternehmen abhängig, dass er ohne ihn keine Wahlen durchführen könne.

Die niederländische Initiative "Wir vertrauen Wahlcomputern nicht" wendet sich gegen den Einsatz von Computern bei der Stimmabgabe im Wahlkampf. Die Initiative hat in mehreren Versuchen bewiesen, dass es einfach ist, Wahlcomputer zu manipulieren, und sieht die Demokratie in Gefahr, da bei einer reinen elektronischen Stimmabgabe rückstandslos Änderungen an Wahlergebnissen vorgenommen werden könnten.

Da die Maschinen der niederländischen Firma Nedap auch in Deutschland für den Betrieb zugelassen wurden, wendet sich auch der Chaos Computer Club vehement gegen den Einsatz dieser Geräte bei Wahlen in der Bundesrepublik.

Diesen klassischen "Vendor-Lock-in" hat Groenendaal offensichtlich im schwelenden Konflikt um die Verwendung von Wahlcomputern als Hebel benutzt. In einer Mail an das niederländische Innenministerium vom 10. November 2006 drohte er dem Staat damit, dass sein Unternehmen die Arbeit einstellen werde, wenn Rop Gonggrijp, der Vorsitzende der Anti-Wahlcomputer-Initiative, Mitglied der unabhängigen Kommission zur Zukunft des niederländischen Wahlsystems werden sollte.

Kritiker als "Verbrecher"

Groendaal schlug dem Ministerium in dieser von der Initiative publik gemachten Mail auch vor, sein Unternehmen "zu einem vernünftigen Preis" zu kaufen. In diesem Fall sei auch die korrekte Durchführung der nächsten niederländischen Regionalwahlen am 7. März sichergestellt. Er bezeichnete die Aufklärungsaktionen des Bürgerrechtlers Gonggrijp als "vergleichbar mit Terrorismus" und Gonggrijp selbst als "Verbrecher".

CCC verlangt sofortige Konsequenzen

Auf Grund dieser Einlassungen des Wahlcomputer-Experten verlangt nun der Chaos Computer Club in einer Aussendung vom Donnerstag, sofort die Betriebsgenehmigung der Nedap-Wahlmaschinen für Deutschland zurückzuziehen.

"Es stellt sich die Frage, wie das Bundesinnenministerium überhaupt die Entstehung einer derartigen Situation dulden konnte. Offenbar hat sich bisher niemand dafür interessiert, wie die Software für die Wahlcomputer zu Stande kommt und welche Erpressungsmöglichkeiten und systemischen Risiken dabei billigend in Kauf genommen werden", schreibt der CCC.