"Fingerabdruck light" steht in Frage
Das erst vier Jahre alte IDENT-System des US-Heimatschutzes wird umgebaut, da es während des Grenzübertritts damit nicht möglich ist, die beiden übermittelten Fingerabdrücke mit der Verbrecherdatenbank des FBI abzugleichen. Die EU ist gerade dabei, ein Zweifingersystem für die Reisepässe einzuführen.
Die Entscheidung des US-Ministeriums für Heimatschutz, eine Kernkomponente des US-VISIT-Systems, nämlich die Fingerabdruckerfassung, entscheidend umzugestalten, wird keinesfalls nur Auswirkungen innerhalb der USA oder auf dort Einreisende haben.
Das Zweifingersystem - man kann es als "Biometrie light" bezeichnen- ist nicht zuletzt auf Druck der USA vor 2003 als Standard der Internationalen Gesellschaft für Zivilluftfahrt festgeschrieben worden.
Österreich, Deutschland, USA
In Österreich wie in Deutschland testen die Behörden gerade die Integration von zwei Zeigefingerprints auf den Chips der neuen Reisepässe.
Vier Jahre nach Start des Datenbankaufbaus wird in den USA nun im Grenzverkehr zu Lande, zu Wasser und zur Luft vom "Zwei Finger flach"-System des Heimatschutzes auf das "Zehn Finger aufgerollt"-System des FBI umgestiegen.
In welcher Zeitspanne der Wechsel geplant ist, lässt sich momentan noch nicht absehen. Der US-Rechnungshof spricht jedenfalls von "Migration", also dass schrittweise umgestellt wird.
"Flach" gegen "gerollt"
Grundsätzlich unterscheiden sich die beiden Ansätze durch die Anzahl der erfassten Fingerabdrucklinien.
Von einem flach mit der Kuppe aufgelegten Zeigefinger werden deutlich weniger Informationen abgenommen als von einem seitlich aufgelegten und dann von links nach rechts aufgerollten Finger. Dazu kommt die fünffache Anzahl der Finger als weitere Sicherheit, um "falsche Treffer" und falsche "Nicht-Treffer" zu vermeiden.
Der große Unterschied
Die Zweifingermethode produziert ab einer kritischen Schwelle mit steigender Zahl der enthaltenen Datensätze eine ebenso steigende Fehlerrate, nämlich "falsche Treffer".
Es macht also einen sehr großen Unterschied, ob man mit einem "Zwei Finger flach"-System den Sicherheitsbereich einer Mobilfunkfirma kontrolliert oder es sich um geschätzte 100 Millionen plus Fingerprint-Datensätze handelt, die sich beim Heimatschutz angesammelt haben dürften. Da es eben nur zwei Finger sind und die im Sparformatbild, steigt die Wahrscheinlichkeit des Irrtums mit der bloßen Zahl der enthaltenen Daten.
Gerollt in Schengen ...
Die "aufgerollte" Methode wird [auf Papier] seit eh und je von praktisch allen Strafverfolgern weltweit verwendet, das betrifft auch die Prints Krimineller und Terroristen in der SIS-Datenbank des europäischen "Schengen Information Systems" [SIS II].
Die EU-Innenminister haben sich ebenfalls geeinigt. Der Abgleich von DNA- und Fingerabdruckdaten von Verbrechern soll im EU-Recht festgeschrieben werden, auch hier handelt es sich um "zehn gerollte" Fingerabdrücke.
... dauert sechs Minuten
Die "flach aufgelegte" Methode wird erst seit Einführung elektronischer Fingerprint-Scanner praktiziert und ist naturgemäß weitaus schneller abzuwickeln. Laut einem internen Positionspapier des US-Ministeriums für Heimatschutz dauert die Abnahme von zwei Fingerprints "flach" 15 Sekunden, jene von "zehn gerollt" in der Praxis zwischen fünf und sechs Minuten.
Einen Gutteil der Zeit verschlingen das Säubern von Fingern und Einlesemulden sowie Instruktion und Kontrolle, dass die Finger nicht nur in der richtigen Reihenfolge, sondern auch von der richtigen Seite her aufgerollt werden. Das ist der wichtigste Grund, warum "gerollt" für die Abfertigungsroutine an Grenzübertrittstellen kaum geeignet ist.
Mit zwei Fingern ...
Wie das US-Beispiel sehr eindrucksvoll gezeigt hat, entstanden beim Abgleich von "Biometrie light", also zwei "Finger aufgelegt" [Heimatschutz IDENT] mit "zehn Finger aufgerollt" [FBI IAFIS] bis dahin krass unterschätzte Probleme.
Das Heimatschutzministerium war laut US-Rechnungshof seit 2001 nicht im Stande, eine der wichtigsten Vorgaben des "Patriot Act" an das darauf aufsetzende US-VISIT-System umzusetzen: den Abgleich der an der Grenze gesammelten IDENT-Daten mit der IAFIS-Datenbank des FBI "in a timely manner" zu erreichen.
... in die Zehnfingerdatenbank
Das heißt, es konnte während der Grenzkontrolle definitiv nicht biometrisch abgeklärt werden, ob die einreisende Person eine beim FBI dokumentierte kriminelle Vergangenheit hat.
Die Datenbankabfragen beim FBI dauerten laut Heimatschutzministerium zwischen zwei und zehn Minuten. Allein eine Minute Verzögerung "wäre vernichtend" angesichts der Abwicklung von Reisenden in Echtzeit, merkt ein internes Positionspapier des Heimatschutzministeriums an.
Die letzten beiden Berichte des US-Rechnungshofs sind vor allem für Michael Chertoff vernichtend, der sowohl als amtierender Heimatschutzminister als auch als Architekt des US-VISIT-Systems verantwortlich zeichnet.
"Falsche Treffer"
Das lesen Sie ebenso im nächsten Teil der Serie wie die Meinungen von Biometrie-Experten aus Deutschland und Österreich zu den hier aufgeworfenen und noch nicht annähernd vollständig geschilderten Problemen wie konstant steigende "False Positives", also "falsche Treffer". Diese betreffen das kommende europäische Zweifingerprintsystem ebenso.
(futurezone | Erich Moechel)