EU-Gerichtshof stärkt Wettanbieter
Der Europäische Gerichtshof [EuGH] sieht Strafen gegen ausländische Anbieter von Internet-Wetten als EU-rechtswidrig an. Der österreichische Sportwettenanbieter bwin sieht sich in seiner Rechtsauffassung bestätigt. Die bwin-Aktie legte um mehr als 20 Prozent zu.
Die Luxemburger Richter betonten am Dienstag in einem mit Spannung erwarteten Urteil zu einem konkreten Fall in Italien, dass ein Mitgliedsstaat wegen nicht erfüllter Verwaltungsformalitäten wie etwa dem Anbieten von Sportwetten ohne entsprechende Konzession in dem betroffenen Land keine strafrechtlichen Sanktionen verhängen darf, wenn er selbst die Erfüllung dieser Formalität verhindert hat.
Fall Placanica
Konkret geht es in dem Fall Placanica [Aktenzeichen C-338/04, C-359/04, C-360/04] um mehrere Wettbürobetreiber in Italien, die für den britischen Sportwettenanbieter Stanleybet Sportwetten vermittelten.
Der Fall ist nach Massimiliano Placanica benannt, einem der Betreiber dieser mit Stanleybet verbundenen Vermittler. Placanica und zwei Mitangeklagte waren 2004 vor italienische Gerichte zitiert worden, weil sie ohne polizeiliche Erlaubnis Einnahmen aus Wetten erzielt hatten.
Italien hatte den Unternehmern eine Konzession verweigert, weil nach italienischem Gesetz Kapitalgesellschaften vom Glücksspiel ausgeschlossen sind. Die italienischen Gerichte hatten den EuGH um seine Einschätzung gebeten.
Bwin sieht sich bestätigt
Der Sportwettenanbieter bwin sieht sich durch das Urteil in seiner Rechtsauffassung bestätigt. "Wenn ein Wettanbieter in Land A lizenziert ist, darf er auch in Land B anbieten", sagte bwin-Sprecherin Karin Klein.
Damit folge der Europäische Gerichtshof dem EU-Prinzip der Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit. "Das geht in Richtung eines fairen Konkurrenzverhältnisses und gleicher Marktbedingungen für private und staatliche Anbieter", meinte Klein.
Die Geschäftstätigkeit könne jetzt nicht mehr strafrechtlich verhindert werden, wie das etwa im vergangenen Jahr in Deutschland oder Frankreich der Fall gewesen war, sagte die bwin-Sprecherin.
Im September des Vorjahres waren die beiden bwin-Vorstände Manfred Bodner und Norbert Teufelberger von den französischen Behörden an der Cote d'Azur wegen des Verdachts auf illegales Glücksspiel festgenommen worden.
"Reihe von Konsequenzen"
Mittelfristig werde das Urteil eine Reihe von Konsequenzen haben.
Es werde aber einige Zeit vergehen, bis der Richterspruch der Reihe nach bei nationalen Gerichten "einsickern" werde, hieß es aus dem Unternehmen.
Auch Gegner sehen sich bestätigt
Ganz anders die Auffassung der Casinos Austria: Das Urteil erlaube nationale Beschränkungen der Dienst- und Niederlassungsfreiheit im Glücksspielbereich bis hin zum völligen Verbot von Glücksspielen, heißt es in einer Stellungnahme der Casinos. Mit ihrem Spruch erteile der EuGH all jenen "eine klare Absage", die meinten, "dass eine Konzession in einem EU-Mitgliedsstaat dazu berechtigt, in der gesamten EU Glücksspiele anzubieten". Wörtlich ist in der Stellungnahmen von einem "Waterloo für Liberalisierungsbefürworter" die Rede.
Der niederösterreichische Glücksspielanbieter Novomatic leitet aus dem Urteil die Entwicklung ab, "dass Monopole unter Beschuss des EuGH geraten" und im Gegenzug "private, grenzüberschreitend tätige Anbieter Aufwind bekommen". Novomatic-Chef Franz Wohlfahrt rechnet jetzt mit Schadenersatzklagen und einer Prozessflut". Er fordert gewisse Mindeststandards für einen regulierten Markt.
Bwin-Aktie auf Höhenflug
Bwin-Aktien legten an der Wiener Börse bis Dienstagmittag um mehr als 20 Prozent auf 30,20 Euro zu. An den europäischen Börsen gewannen auch die Titel anderer privater Wett- und Lottoanbieter kräftig.
Links zu den Vorgängen:
Auswirkungen auf Deutschland strittig
Mit seinem Urteil bestätigte der EuGH, dass ein solches System von Konzessionen "einen wirksamen Mechanismus darstellen kann, um die in diesem Bereich tätigen Betreiber zu kontrollieren". Jedoch sei es fraglich, ob die zahlenmäßige Begrenzung der Lizenzen zum Ziel passe, durch ein attraktives genehmigtes Wettspiel illegale Anbieter zu verdrängen.
Laut EuGH bedeutet das Urteil nicht, dass private Wettanbieter grundsätzlich zugelassen werden müssen. Es widerspreche nur der Ungleichbehandlung von Aktiengesellschaften gegenüber anderen privaten Anbietern.
Deutsche Wettanbieter enttäuscht
Mit dem Urteil enttäuschte der EuGH die Hoffnung zahlreicher Wettanbieter auch in Deutschland, die Beschränkungen in Italien könnten komplett kippen. Im Dezember hatte sich eine Mehrheit der deutschen Bundesländer auf einen neuen Staatsvertrag geeinigt, mit dem das staatliche Lotterie-Monopol bis Ende 2011 festgeschrieben und die Werbung insbesondere im Internet eingeschränkt werden soll. Der Vertrag muss noch von den einzelnen Ländern ratifiziert werden.
(APA | dpa | futurezone | AFP)