Gesundendaten und Krankengeschichten
Der Elektronische Gesundheitsakt [ELGA] kann im Ernstfall Leben retten, ist aber genauso Krankheitsstatistik. Dieselben Datensätze interessieren sowohl Notärzte als auch Versicherungsmakler.
Die ziemlich lange Geschichte der Einführung der E-Card in Österreich führte bis zuletzt zum allgemein bekannten und erlebten Kompromiss. Man hat jetzt eine E-Card statt eines Krankenscheins und in den Arztpraxen gibt es unübersehbar Internet, mit dem überprüft wird.
Es befand und befindet sich nicht sehr viel an elektronischer Information auf dieser E-Card, weil sich die Zugriffsmöglichkeiten für die verschiedenen vorgesehenen Verwendungszwecke in den behördlichen Datenbanken nicht so einfach auf einen Punkt bringen lassen.
Eine am Mittwoch präsentierte Machbarkeitsstudie von IBM "Health" und angeschlossenen Dienstleistern beschäftigt sich mit dieser Problematik.
Die E-Card
Es geht nicht primär um die Zugriffsmöglichkeiten auf Informationen im Chip der Karte. Wenn die E-Card im ersten Schritt mehr als nur die "Gesundheitskarte" geworden wäre, also auch von Anfang an praktisch signaturfertig für den elektronischen Amtsweg und das Bankkonto usw., wer hätte dann amtlicherseits Zugriff zu welchen Daten beziehungsweise Berechtigungen zum Zugriff auf welche Datenbanken?
Das ist eine ziemlich komplexe Frage, denn dafür muss, von jedem beteiligten Lesegerät angefangen, alles sicher im Netz "authentifiziert" werden können.
Datenbanken, User ...
Dazu braucht es zum Beispiel Datenbanken, die digitale Signaturen verwalten sowie die Geschichte der Zugriffe darauf. Dazu braucht es aber vor allem Regeln, die diskutiert werden müssen, bevor die allgemeinen Schlüssel zu bestimmten Datenbereichen an diverse Bevölkerungsgruppen ausgegeben werden.
Die momentan in Umlauf befindliche E-Card ist eine einfache ID-Card, die nachweisbar nur aussagt, dass die "Gesundheits"-Karte einer bestimmten Person zu einer gewissen Zeit in der Ordination eines gewissen Arztes oder einer Krankenkasse in den zuständigen Lese-Slot geschoben wurde.
... Authentifizierung
Die eigentliche "Authentifizierung" findet derzeit durch das Personal an der Schnittstelle, nämlich Arztpraxis, Ambulatorium etc., analog statt: Patient/in kommt, wird angesehen, erkannt oder im "Computer gefunden" und gibt die E-Card ab.
Davor muss er/sie die eigene Sozialversicherungsnummer wissen und in der Regel eine papierene Überweisung dabeihaben, die ungefähr so maschinenlesbar war wie der Lager-Auslieferschein ländlicher Baustoffunternehmen für eine Lkw-Ladung Rollschotter. Jede/r Patient/in hatte allerdings ohnehin Interesse daran, dass er/sie der richtigen Datei/Therapie zugeordnet wurde.
Akte ist Geschichte ...
Tatsächlich sind die Regeln, die daraus resultierenden technischen Anforderungen und deren Kompatibilität zu bestehenden Datenschutzgesetzen das wirkliche Problem.
Will man die Vorgänge des analogen Lebensalltags in wichtigen Teilen digital und total nachvollziehen, wird es schnell eine personenbezogene Angelegenheit. Die "Gesundheitsakte" ist genauso gut eine individuelle Krankengeschichte.
... und die wird schnell gemacht
Unfallopfer wird im Hubschrauber ausgeflogen, Name ist bekannt, über Datenfunk wird von "Libelle" in der Gesundheitsdatenbank nachgefragt, welche Blutgruppe, welche Vorgeschichte - Blutkonserven und Operationsteam stehen bei Landung passend bereit.
Abseits dieser TV-Version fragt ein Versicherungskonzern routinemäßig die Datensätze ab, die gesetzlich bis jetzt dafür offen stehen. Als Grundlage für einen Haushaltskredit wird zusätzlich ein Fragebogen auf Papier eingesetzt, der auch Fragen nach der persönlichen Krankheitsgeschichte enthält. Vertragsgrundlage ist die wahrheitsgemäße Beantwortung, also Verpflichtung zum individuellen Datenabgleich.
"Änderungen beim Datenschutz" ...
Es sei vor allem die Grundintention des Projekts gewesen, sagte Georg Haberl von IBM im Gespräch mit ORF.at, "dass eine Machbarkeitsstudie veröffentlicht wird, die den Zweck hat, dass über das Thema diskutiert wird".
Diese vom Gesundheitsministerium bei der Health-Services-Abteilung von IBM Mitte 2006 in Auftrag gegebene Machbarkeitsstudie besagt laut erstem Resümee der APA:
"Fazit bei der Durchsicht des mehr als 180 Seiten umfassenden Reports: Ohne erhebliche Änderungen beim Datenschutz ist ELGA derzeit nicht zu etablieren. Die elektronische Patientenakte könnte die Organisation des Gesundheitswesens deutlich verbessern. Allerdings sind die Kosten derzeit noch nicht abschätzbar."
... "Pleiten, Pech und Pannen"
Der Hauptverband der Sozialversicherungsträger sprach sich gegen eine zentrale Speicherung von Gesundheitsdaten aus - ab 2012 soll aber der Elektronische Gesundheitsakt [ELGA] eingeführt werden. Die Ärztekammer spricht von einem "versuchten Ablenkungsmanöver".
Ärzte beklagten "Pleiten, Pech und Pannen" beim E-Card-System.
IBM hat in Frankreich seine Vision vom "vernetzten Krankenhaus" vorgestellt. Die Forscher sehen eine "digitale Radikalkur" für mehr Effizienz im Gesundheitswesen als dringend notwendig an, Vorbild ist dabei Dänemark.
(futurezone | Erich Moechel)