Mobilfunk-Oligarch blickt nach Westen
Der russische Multimilliardär Wladimir Jewtuschenkow versucht erneut, bei der Deutschen Telekom einzusteigen. Parallel dazu läuft ein Versuch seines Konzerns Sistema, maßgebliche Anteile der Telecom Italia zu erwerben. Sistema hat 50 Millionen Mobilfunkkunden in Russland.
Der russische Telekom-Minister
Der europäische Telekom- und Mobilfunkmarkt dürfte kurz nach der letzten Übernahmeserie schon bald wieder in Bewegung geraten. Mit zur Dynamik beitragen werden Telekom-Unternehmen, die bis jetzt noch nicht durch großartige Übernahmen im Ausland aufgefallen sind.
Neben den 27-EU-Telekom-Ministern war auch deren russischer Amtskollege Leonid Reiman am Donnerstag angereist, um auf der CeBIT in Hannover seiner Zuversicht Ausdruck zu verleihen, dass sich der russische Mischkonzern Sistema doch noch an der Deutschen Telekom beteiligen könne.
"Diese Seite ist noch nicht umgeblättert", sagte Reiman, der mit neuen Verhandlungen rechnet.
Politik, quer gelegt
Im vergangenen Herbst war ein Beteiligungsversuch der Sistema vor allem aus politischen Gründen gescheitert, die deutsche Bundesregierung legte sich quer.
Es stehe überhaupt nicht zur Debatte, dass Sistema bei der Deutschen Telekom einsteige, kommentierte der deutsche Finanzminister das freundliche Beteiligungsangebot.
Der Grund für diese eher brüske Ablehnung offenbart sich nach einem Blick auf Board und Eigentümer des Mischkonzerns, der als Eigentümer des führenden russischen Mobilfunkers MTS immerhin 50 Millionen Mobilfunkkunden mitbringen würde.
Ron Sommer, der Oligarch ...
Aufsichtsratvorsitzender Jewtuschenkow hält alleine 62,1 Prozent des Unternehmens, zusammen mit anderen Board-Mitgliedern verfügt er über weit mehr als zwei Drittel der Anteile.
Mit im Sistema-Aufsichtsrat dabei, wenn auch nicht stimmberechtigt ist Ron Sommer, ehedem als Chef der Deutschen Telekom ein Hauptakteur der Übernahmeschlachten während der Dot.com-Blase.
Auch der noch längst nicht voll entwickelte russische Markt konnte die Deutschen bis jetzt nicht dazu verlocken, einen russischen Oligarchen ins Boot zu holen, dessen Unternehmen auch noch in der russischen Medienbranche Anteile hält.
... und 32 Prozent Umsatzwachstum
Neben Jewtuschenkow besitzen 25 weitere Personen maßgebliche Anteile an der Sistema, eine Bilanz für 2006 gibt es bis jetzt öffentlich noch nicht.
2005 setzte man nach eigenen Angaben umgerechnet 5,8 Milliarden Euro um, das Umsatzwachstum lag bei 32 Prozent über 2004. Der Jahresgewinn wuchs 2005 fast ebenso schnell auf 405 Mio Euro.
Für den gerade während des Netzausbaus äußerst kapitalintensiven Mobilfunksektor ist eine Umsatzrendite von acht Prozent sehr beachtlich.
Die Telecom Italia
Ausgerechnet die Telecom Italia, an der sich Sommer 1999 in einem für Europa bis dahin beispiellosen Übernahmekampf die Zähne ausgebissen hatte, ist das zweite Objekt der russischen Einstiegsbegierden.
Hier sieht es etwas anders aus als im Fall der Deutschen. Die wegen der drohenden Übernahme durch die Deutsche Telekom damals hastig umgeschichtete Eigentümerstruktur der Telecom Italia erwies sich als so instabil wie die meisten italienischen Regierungen. Es musste mehrfach an der Holding-Struktur gedreht werden, dann stieg Pirelli ein.
Börsenwert halbiert ...
Der größte Anteilseigner Pirelli ist nun entschlossen, seine 18 Prozent zu verkaufen, denn seit dem Einstieg des Reifenkonzerns hat sich der Aktienwert der Telecom Italia halbiert.
Aussicht auf Besserung besteht für die nähere Zukunft wenig. Die italienische Telekom wird zudem gerade von einem Überwachungsskandal gebeutelt, der vom Ausmaß her in Europa bisher einzigartig ist.
... und vom Skandal gebeutelt
Rund zwei Dutzend ranghohe Polizisten und Telekom-Techniker sowie der stellvertretende Chef des Militärgeheimdienstes SISMI und ein Datenhändler wurden bisher verhaftet.
Dieses Überwachungskartell hatte sich systematisch in so gut wie allen Datenbanken der Telecom Italia bedient, vor allem bei Verkehrsdaten [wer mit wem wann wo telefoniert].
Ein toter Sicherheitschef
Die für die Verbrecherjagd vorgesehene Überwachungsschnittstelle [nach dem ETSI-Standard ES 201.671] wurde zur Aufzeichnung von Gesprächen Prominenter umfunktioniert.
Datensätze und Gesprächsmitschnitte wurden über eine Detektivagentur offenbar an den Meistbietenden verkauft.
Der Aufdecker des Skandals, der Sicherheitschef der Telecom Italia und davor prominenter Mafia-Jäger der Polizei, stürzte wenige Tage nach Auffliegen der Affäre in Neapel von einer Autobahnbrücke. Der Prozess ist vor Gericht angelaufen, Dauer und Ausgang sind ungewiss.
Die Swisscom in Italien ...
Die Swisscom, die in der Vergangenheit vor allem durch erfolglose Versuche, die Telekom Austria zu übernehmen, aufgefallen war, wagt sich nun doch an eine Auslandsübernahme.
Mit Fastweb hat man den zweitgrößten Festnetzbetreiber Italiens und Triple-Play-Anbieter [Telefonie, Internet, Digital-TV] gekauft, 3,7 Milliarden Euro legen die Schweizer dafür hin.
... mit politischem Handikap
Ähnlich wie Sistema, vor deren Einstieg in Deutschland der deutsche Bundesnachrichtendienst gewarnt hatte, hat die Swisscom mit einem politischen Handikap zu kämpfen.
Im Schweizer Falle waren "oligarchische" Strukturen der anderen Art bisher hinderlich, im Ausland zu expandieren. Der Staat hält bzw. kontrolliert immer noch eine Zweidrittelmehrheit an der Swisscom, erst vor einem Jahr wurde dem Unternehmen ein anderer Übernahmeversuch im Ausland staatlich untersagt.
Die Swisscom setzte 2006 umgerechnet etwa sechs Milliarden Euro um.
(futurezone | CNBC | DPA | Reuters)